Gabi Lück bei ihrem Vortag
Auch Barbie brachte Gabi Lück zum Einsatz. Nicht als feministische Ikone, wie zuletzt oft, sondern als steife Plastikpuppe, mit der nicht viel anzufangen ist.
House of Commnunication/Stefan Kopinits

Neu denken. Das klingt einfach, ist es aber nicht – vor allem wenn es um Geschlechterklischees geht. Neu und anders – genau das ist aber Gabi Lücks Anspruch, vor allem in Bezug auf Rollenbilder für Frauen und Männer. Lück hat die Agentur Think New Group gegründet, sie ist Autorin ("Mann, fürchte dich nicht", 2022) und Speakerin zum Thema Sexismus in der Werbung. In ihrer Agentur werden potenzielle Kundinnen und Kunden schon mal abgelehnt, wenn diese ihre Idee einer sexismusfreien Werbewelt nicht teilen und auf Stereotype nicht verzichten wollen. Das House of Communication Wien lud Lück zum Auftakt des "March for Diversity" ein, den die Agentur im März begeht. "Let's Talk About Sex(ism), Baby" hieß ihr Vortrag, im Anschluss fand ein Expertinnengespräch mit STANDARD-Redakteurin Beate Hausbichler statt.

Werbungen, die vor Sexismus und Geschlechterklischees nur so triefen, gibt es noch immer en masse, wie Lück in ihrem Vortrag zeigt. "Brüste", so könnte man das Werbekonzept für viele Produkte oder Unternehmen umschreiben. Und das wäre nicht einmal stark vereinfacht. Da wären etwa zwei Orangen, die für eine Lebensmittelkette so drapiert wurden, dass sie wie ein Paar Brüste aussehen. Oder die Baufirma, die mit Busen, Bier und dem Spruch "Jede Menge Holz, aber keine Hütte?", der quer über das Dekolleté verläuft, wirbt. Doch wo genau beginnt sexistische Werbung?

Zusammenhanglos nackt

Für den deutschen wie auch den österreichischen Werberat ist eine Werbung dann sexistisch, wenn das Zeigen von Körperteilen absolut nichts mit dem beworbenen Produkt zu tun hat und der Zusammenhang zwischen – um beim Beispiel zu bleiben – Brüsten und dem Bau von Häusern an den Haaren herbeigezogen wurde. Etwas anderes ist es, wenn eine Frau (oder ein Mann) für eine Unterwäschemarke in BH und Unterhose auf einem Sujet zu sehen ist – beworben werden soll schließlich die Unterwäsche. Doch warum muss die Frau in der Nordsee-Werbung nackt sein? Mit dem Slogan "Fisch macht sexy" wird die Kurve versucht, doch es nützt nichts: Völlig zusammenhanglos eine nackte Frau zu zeigen, nur um der Nacktheit willen – genau das ist sexistische Werbung.

Geschlechterbasierte Vorurteile plus ungleiche Machtverhältnisse ergeben: Diskriminierung. So fasst Gabi Lück Sexismus zusammen. Sie gründete ihre Agentur 1999, es war eine der Ersten, die sich dem Thema Diversität und neue Rollenbilder widmeten. In all den Jahren hat sich zwar etwas bewegt, trotzdem gibt es auch viele Beispiele von herabwürdigenden Sujets, die noch kein Jahr alt sind. So warb erst vor wenigen Monaten die Fitnesskette Fit Inn mit "Solche Titten willst du auch?". Doch es sind nicht nur Frauen, die in Werbungen auf vielfältige Weise auf ihren Körper reduziert werden, wie Lück zeigt. Ein Sujet für einen Energieversorger zeigt etwa eine Frau, die gerade begeistert dabei ist, den Heizkörper aufzudrehen, sodass sich der anwesende Mann wohl oder übel seines Pullis entledigen muss und sein Sixpack zutagetritt.

"Hero" versus "Hey"

Man muss es nicht verstehen, das könnte auch die Conclusio eines Video mit einem Kind sein, das Lück zeigt. Rat- bis fassungslos steht sie vor T-Shirts, die jeweils in Abteilungen "für Mädchen" und "für Buben" hängen. Auf "seinem" steht "Hero", auf "ihrem" hingegen "Hey". Warum? Das fragt sich das etwa achtjährige Kind immer wieder – und wird zunehmend zornig. "Hey"? Was soll das bloß heißen?

Als Beispiel, wie es anders gehen kann, nennt Lück die Kosmetikmarke Dove. Dove war eine der ersten Marken, die für die Bewerbung ihrer Produkte diversere Körper zeigten. Dick, schlank, hell, dunkel, großer Busen, kleiner Busen. Ein Schaden für die Marke, selbst wenn sie Kosmetikprodukte verkauft, ist das keineswegs. Dove konnte durch die Body-Positivity-Werbeschiene den Umsatz deutlich steigern. Sinnvoll seien auch Auszeichnungen für Beispiele guter und stereotypenfreier Spots wie etwa der Preis Pinker Pudel, den die Plattform Pinkstinks regelmäßig vergibt.

Dass die Menschen nahezu nach sexistischer Werbung verlangen würden, ist jedenfalls kein Argument dafür, sagt Lück. 91 Prozent der Frauen würden sich dadurch nicht angesprochen fühlen – doch sie sind es zu 80 Prozent, die Kaufentscheidungen treffen. Die Nutzung von Marktforschung sei somit ein wichtiges Instrument, um Agenturen auf neue Pfade zu bringen. Auch sollte es klare Richtlinien oder einen Kodex geben, und durch Diversität in Teams bringe man verschiedenste Perspektiven zusammen, was wiederum der Reproduktion von Klischees vorbeugen kann und wodurch sich das alte Denken darüber, was etwas zum "Hingucker" macht, endlich ändert. (red, 8.3.2024)