Grantiges Pärchen
"Es ist gut, dass romantische Beziehungen nicht mehr so auf den Mann fixiert sind." Susanne Pointner, Paartherapeutin.
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Sie habe sich so frei gefühlt, und auch für ihre Kinder sei die Trennung von ihrem Mann das Allerbeste gewesen, schreibt eine Frau in einer Facebook-Gruppe, in der sich Mütter austauschen. "Kein Gefühl mehr von Wut oder Traurigkeit, weil dein Partner dir weniger hilft, dich nicht als Frau sieht, seine Ruhe braucht."

Vielen Frauen dürfte das bekannt vorkommen. Das merke ich auch in meinem Umfeld. Immer wieder erzählen mir Freundinnen, dass sie unter der ungerechten Arbeitsteilung in ihren Beziehungen leiden. Es gibt Männer, die haben beim eigenen Baby keine einzige Windel gewechselt und "können" die Kinder nicht ins Bett bringen. Und selbst wenn viele die Arbeit daheim als gerecht aufgeteilt empfinden, in Wahrheit ist sie es meist doch nicht. Wer kennt die Schuhgrößen der Kinder, kauft die Matschhosen oder flicht die Haare?

Zwei Stunden mehr Care-Arbeit

Obwohl das Bewusstsein zu Care-Arbeit und Mental Load in den letzten Jahren gestiegen ist, leisten Männer immer noch rund zwei Stunden weniger unbezahlte Arbeit pro Tag als Frauen. Selbst wenn eine Frau und ein Mann in ihrem Job gleich viel arbeiten, ändert sich an dieser Verteilung nichts.

Vielen Frauen scheint es nun zu reichen, sie ziehen die Reißleine, sind lieber allein, selbst wenn es Kinder gibt. In der deutschen Wochenzeitung Die Zeit erschien schon vor zwei Jahren ein Text mit dem Titel "Männer – oder soll man es lassen?", in dem die Autorin von Frauen schreibt, die "hetero-müde" geworden sind. Doch was ist dran? Pfeifen die Frauen jetzt auf die Männer? Und haben sie zu Recht das Gefühl, jeder Mann sei nur ein Kompromiss?

Ein Anruf bei Susanne Pointner. Laut der Paartherapeutin gehen Trennungen heute tatsächlich viel öfter von Frauen aus, es sei eine Art Befreiungsschlag. Vor allem die Arbeitsteilung sei tagtägliches Thema in ihren Sitzungen. Plötzlich gebe es so viele neue Kombinationen von Erwerbs- und Sorgearbeit. Die deutsche Soziologin Elisabeth Beck-Gernsheim nennt das Verhandeln von Aufgaben eine "Gipfelkonferenz en miniature", die jetzt stattfinde.

Arbeitsintensive Chance

Laut Pointner sei das eine Chance, aber auch wahnsinnig anstrengend. Denn Frauen würden die Frustration vieler Generationen am Buckel tragen. Auch wenn die große Veränderung natürlich auch in den eigenen vier Wänden ausgetragen würde, sei es aber wichtig, zwischen dem strukturellen Kampf gegen das Patriarchat und der individuellen Paarbeziehung zu unterscheiden – und das falle nicht immer leicht.

Laut dem deutschen Väterreport findet es nur ein Drittel der befragten Männer im Alltag sinnvoll, tatsächlich eine faire Arbeitsteilung zu praktizieren, sagt mir die deutsche Autorin Patricia Cammarata am Telefon, die in ihrem neuen Buch Musterbruch über Gleichberechtigung schreibt.

Unbewusste Rollenbilder

Hinzu kommen sehr lange gewachsene und unbewusste Rollenbilder, die trotz allem in den Köpfen sitzen. Frauen würden mitunter Doppelbotschaften aussenden: Einerseits wollen sie, dass die Männer sich mehr um die Kinder kümmern, andererseits gibt es ihnen unterbewusst auch Sicherheit, dass sie für die Kinder die erste Ansprechperson sind. Insofern, sagt Pointner, seien die Ansprüche, die Frauen heute haben, auch sehr hoch.

Laut der Medienanalytikerin Maria Pernegger, die sich mit frauenpolitischen Themen beschäftigt, sei es eine logische gesellschaftliche Entwicklung, dass Frauen diesen Spagat jetzt nicht mehr bewerkstelligen wollen. Zur unbezahlten Care-Arbeit kommt die Erwerbstätigkeit dazu. "Eine Frau, die Geld hat und dadurch mächtig und unabhängig ist, kann jetzt sagen, dass sie nicht mehr will, und eine unglückliche Beziehung beenden."

Streitthema Feminismus

"Könnte ich nicht auf Frauen stehen", sagte unlängst eine Freundin beim Mittagessen zu mir und setzte nach, mit ihren Freundinnen könne sie alles besprechen – anders als bei ihrem Mann, der beim Thema Feminismus sofort die Ohren zuklappe. Viele Frauen wünschen sich Partner, die ebenso kämpferisch wie sie selbst für Gleichberechtigung einstehen. "Doch wenn ich mit dem Thema ankomme, fühlt er sich sofort persönlich angegriffen", erzählte meine Freundin weiter. Als er ein Stelleninserat entdeckt habe, in dem Frauen bevorzugt eingestellt wurden, seien in einem Streit die Wogen hochgegangen. Das sei keine Gleichberechtigung, sagte er. Sie hielt dagegen, dass hunderte Jahre Menschheitsgeschichte davon auch keine Spur gewesen sei.

Viele Männer würden sich vom Feminismus bedroht fühlen, weil sie um ihre Männlichkeit fürchten, wenn sie nicht mehr allein der Versorger der Familie sind oder Frauen in Führungspositionen kommen, sagt Pernegger: "Jede fünfte Frau ist von Gewalt betroffen, das zeigt, dass es eine hohe Anzahl an Männern gibt, die sich bedroht fühlen und Probleme mit dem Feminismus haben."

Emotionale (In)Kompetenzen

Auch Studien zeigen, dass die politischen Einstellungen von Frauen und Männern immer weiter auseinanderdriften. Frauen werden tendenziell liberaler, Männer immer rechter. In Die Chefredaktion hat eine junge Journalistin anonym berichtet, wie sie Männer aller politischen Lager gedatet hat und "alle waren gleich schlimm", wie sie schreibt. Ihre Vermutung: Den meisten Männern, auch jenen, die sich selbst als links bezeichnen, wäre es ganz recht, "wenn wir traditionelle Geschlechterrollen nie hinterfragt hätten".

Hinzu kommen fehlende emotionale Kompetenzen. "Konnte es wirklich sein, dass dieser Mann, der Vater meiner Kinder, die wichtigsten, grundlegenden zwischenmenschlichen Basics einfach nicht hinbekam? Ermutigen, Danke sagen, loben, nachfragen, trösten, um Hilfe bitten, sich entschuldigen, war dazu einfach nicht fähig?", fragt die Autorin Heide Lutosch in ihrem Buch Kinderhaben.

Einfrieren als Schutzmechanismus

Laut Paartherapeutin Pointner können Frauen die emotionale Arbeit oft besser leisten und sind aus der Tradition heraus in der Kommunikation sehr schnell und wendig. Männer würden das meist als Rütteln wahrnehmen. "Und wenn man jemanden rüttelt, der sich bedroht fühlt, erstarrt dieser Mensch. Das wirkt dann gleichgültig, ist aber in Wahrheit ein Schutzmechanismus – wie es viel reden auch sein kann."

Cammarata ergänzt, dass es bei Männern gar nicht am Unwillen liegt, sondern an mangelnden Fähigkeiten: Viele Buben würden gar nicht lernen, ihre Gefühle zu managen, in der Regel seien dann später die Partnerinnen für den emotionalen Haushalt der Männer zuständig. Hier gebe es ein "riesiges Kompetenzloch und fehlende emotionale Reife".

Fehlende Beziehungsarbeit

Dazu zählt auch, dass viele Männer keine Beziehungsarbeit leisten. In den meisten Partnerschaften, die ich kenne, kümmern sich die Frauen auch noch darum: Zeit zu zweit oder Paartherapie.

In der Recherche für ihr aktuelles Buch, erzählt mir Cammarata, hätte sie herausgefunden, dass viele Männer erst bereit sind, sich fürsorglich um die eigenen Kinder zu kümmern, wenn sie auch in der Partnerschaft zufrieden sind. "Das legt die Verantwortung für die Beziehungsqualität komplett in die Hände der Frauen. Ist man ohnehin schon überlastet, ist das natürlich eine harte Botschaft und ein riesiger Frustmoment."

Netzwerke unter Frauen

Was könnte für Frauen also der Ausweg aus dieser Misere sein? Sicher fühle sich die Beziehung mit den Freundinnen leichter an, sagt Paartherapeutin Pointner. Doch die müsse man nicht jeden Tag unausgeschlafen in der Früh ertragen. In queeren Beziehungen seien die Probleme oft ähnlich. Dennoch seien vor allem jüngere Frauen immer aufgeschlossener gegenüber Bisexualität oder Formen des Queerseins. "Es ist gut, dass romantische Beziehungen nicht mehr so auf den Mann fixiert sind."

Cammarata plädiert für solidarische Netzwerke unter Frauen. Im Patriarchat, sagt sie, sei uns beigebracht worden, uns zu vereinzeln, als Konkurrenz zu sehen und alle Energie darauf zu verwenden, einen männlichen Partner zu finden.

Glückliche Katzen-Lady

Ob man eine Beziehung wirklich beendet, sei natürlich immer eine individuelle Entscheidung, und vieles werde auch wieder leichter, wenn die Kinder älter sind und man wieder mehr Zeit habe. Für die eine oder andere Frau sei es aber womöglich wirklich an der Zeit, sich zu trennen – vor allem, wenn so viele Männer kaum an einer Beziehung auf Augenhöher interessiert sind.

Das Horrorbild der alleinstehenden Katzen-Lady könne sie im Übrigen nicht nachvollziehen. "Was ist schlecht daran, wenn man allein glücklich ist, Zeit für Hobbys hat, vielleicht in der Nachbarschaft sozial vernetzt ist oder ein Ehrenamt ausübt, das einen mit Sinn erfüllt?", sagt Cammarata. So viel schlechter als ein Leben in einer Paarbeziehung könne das nicht sein. Vermutlich hat sie recht. (Bernadette Redl, 16.3.2024)