Karl Nehammer, Herbert Kickl, Parlament, Nationalrat
Ist Karl Nehammer aus weicherem Holz geschnitzt als Herbert Kickl?
Foto: APA / Roland Schlager

Angehörige des österreichischen Leitkulturkreises finden es gewöhnlich befremdlich, wenn sie mit dem Vorschlag "Kalifat ist die Lösung" konfrontiert werden. Warum, ist nicht leicht zu erklären – ist das Kalifat doch auch nur eine Form des Phänomens Leitkultur, das sich zurzeit großer Beliebtheit vor allem dann erfreut, wenn man in Wahlkämpfen gern mit der Autorität eines Nachfolgers des Propheten auftreten würde, wo es gerade zur Darstellung eines Nachfolgers von Sebastian Kurz reicht. Auch das ist noch befremdlich genug, wird aber spielend übertroffen von dem Angebot, Herbert Kickl ist die Erlösung, das sich vom Kalifat durch weniger religiösen Eifer, aber kaum in seiner demokratiepolitischen Radikalität unterscheidet. Mehr, als das "System" abschaffen und die Menschenrechte rechtsextremistischen Idealen anpassen zu wollen, kann man nicht verlangen.

Keine Lösungsangebote

Kickl spekuliert auf ein Erlösungsbedürfnis der Menschen, und das versucht er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln anzuheizen. Es sind die Mittel einer NS-geschulten Rhetorik, die mit substanzlosen Reizworten wie Gesundheitsdiktatur, Genderwahnsinn usw. eine Stimmung von Hass erzeugen sollen, hinter der er verbergen kann, dass er für die wirklichen Probleme des Landes keine Lösungsangebote hat, wenn man seine Remigrationsfantasien nicht für solche halten will. Den schweren Rucksack will er den Menschen erleichtern, aber mehr als die Abschaffung der ORF-Haushaltsabgabe und der CO2-Steuer ist ihm dazu noch nicht eingefallen.

Er will nicht Teil eines Systems sein, das auch einen Kickl hervorgebracht hat – kein Wunder, dass er sich als Opfer fühlt. Er will sich nicht biegen und brechen lassen, schon gar nicht vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Da verdrängt der Bergfex in ihm den Demokratiefex, der im Bierzelt auf das Volk schwört, aber feige eine vom Volk gewählte Körperschaft desavouiert, der er selber angehört.

Die Schuldigen finden

Da ist Karl Nehammer aus weicherem Holz geschnitzt. Wo Kickl deportieren will, meint er, niemand werde gezwungen, nach Österreich zu gehen. Weil doch die Ortswahl für Flüchtlinge eine Frage des freien Willens ist. Und weil man Fremdenfeindlichkeit nicht ganz dem Kickl überlassen kann, will die ÖVP wenigstens den Familiennachzug erschweren, und wenn sie dafür etwas erfinden muss, was es ohnehin schon gibt: den Einsatz von DNA-Tests. Jetzt aber wirklich! Der ÖVP ist das österreichische Bildungssystem seit Jahrzehnten weitgehend egal, aber wenn nachziehende Migrantenkinder seine Schwächen noch einmal offenbaren, dann weiß man, wo man die Schuldigen finden muss: beim DNA-Test.

Wie sehr die Politik Nehammers von der Angst vor der FPÖ geprägt ist, zeigt sich in geradezu grotesker Weise bei der Reform des Epidemiegesetzes. Immer wieder verschoben, vom Rechnungshof urgiert, dringend notwendig, dürfte sie in dieser Legislaturperiode nicht mehr kommen, und das heißt, lange nicht. Im anlaufenden Nationalratswahlkampf fürchtet man, der FPÖ mit ihren konfus-konspirativen Kampagnen Munition zu liefern, daher lieber gar kein Gesetz. Alle Beteuerungen, auf keinen Fall mit einer Kickl-FPÖ zu koalieren, werden unglaubwürdig, wenn man sich einem Kickl-Kalifat unterwirft, noch ehe sich ein solches am politischen Horizont der Republik abzeichnet. (Günter Traxler, 16.5.2024)