Sab Schönmayr: "Erotik war schon immer mein Hobby".

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Die Erotique-Boutique Sabasin.com wurde vor zehn Jahren als eine der ersten speziell für Frauen von Sab Schönmayr gegründet. Seither hat die studierte Germanistin zwei Bücher zum Thema Erotik publiziert: Das "Lexikon der Lustmittel" und "Wellness der Erotik, Reise ins Reich der Sinnlichkeit". Dagmar Buchta sprach mit ihr über die Bedeutung eines speziellen Sexshops für Frauen, die Besonderheiten der weiblichen Sexualität, Sextoys und Pornos.

dieStandard.at: Frau Schönmayr, zuallererst: Wie kommt eine Geisteswissenschafterin zur Sex-Branche? Immerhin haben Sie Germanistik und Romanistik studiert, dann als Stewardess und Redakteurin gearbeitet. Hatten Sie nie vor, im Bereich Ihrer Ausbildung tätig zu sein?
Sab Schönmayr: Erotik war schon immer mein Hobby. Und meine Erotikboutique ist ja viel mehr als nur ein Shop, ich kann da meine Kenntnisse als Redakteurin und auch Pädagogin gut einbringen. Gerade bin ich dabei einen Workshop zu entwickeln: "Feuer der Erotik", eine Art Schule der Sinnlichkeit.

dieStandard.at: 1999 verfassten Sie gemeinsam mit dem Sexualpädagogen Martin Kessel das "Lexikon der Lustmittel". War dies der Anstoß für die Gründung Ihrer Online-Erotikboutique?
Sab Schönmayr: Genau. Bei der Recherche zu dem Buch, in dem es um Sextoys und andere Lustmittel wie zum Beispiel Farben oder Speisen geht, war ich entsetzt, was der Markt aus so einem traditionellem Lustbringer wie einem Dildo gemacht hat und in welch einem Umfeld er angeboten wird. Vor mehr als 2000 Jahren gab es edle Dildos aus Jade oder Elfenbein, jetzt stinkendes Zeug in sexistischen Verpackungen. Ich wollte einen Ort schaffen, an dem sich Frauen genussvoll ein Sextoy aussuchen können.

dieStandard.at: Und warum genau sollte das unbedingt ein eigener Sexshop speziell für Frauen sein?
Sab Schönmayr: Abgesehen von ein paar wenigen Frauensexshops in großen Städten war es vor zehn Jahren für Frauen und auch Paare schwierig an schöne, ergonomische Sextoys zu kommen. Die Online-Alternative erschien mir als die ideale Lösung. Da sich die Frauen dadurch den Gang in einen klassischen Schmuddelshop ersparten, der ohnehin hauptsächlich Pornos anbot.

dieStandard.at: A Propos Porno. Für viele Frauen ist Pornografie ein sehr umstrittener Bereich, den sie als frauenfeindlich, Gewalt konnotiert und als Teil der patriarchalen Herrschaftskultur definieren. Was halten Sie von Pornografie?
Sab Schönmayr: Von Pornografie im Sinne von Filmen, in denen Frauen wie schmerzunempfindliche Löcher dargestellt werden, halte ich nichts. Biete ich auch in meinem Shop nicht an. Ich bin für Kino im Kopf und da ist bekannt, dass viele Frauen in ihren sexuellen Fantasien beispielsweise Vergewaltigungsfantasien haben oder wilden Analsex, die sollten sie ohne Schuldgefühle haben können.

dieStandard.at: Glauben Sie, dass Pornos von Frauen für Frauen das Problem der Degradierung ausschließen und die Schere zwischen Erotik/Geilheit einerseits und Gewaltfreiheit/ethischer Unbedenklichkeit andererseits zusammenbringen?
Sab Schönmayr: Es ist zumindest das Ziel. Es gibt unter anderem aus Kostengründen sehr wenig solche Pornos, wegen der geringen Auflage. Oft geraten sogenannte Frauenpornos für meinen Geschmack zu soft und sind dann auch nicht mehr erregend. Frauen wollen nicht nur romantischen Blümchensex.

dieStandard.at: Wie sehr unterscheiden sich Ihrer Meinung nach die sexuellen Bedürfnisse und Vorlieben von Frauen von jenen der Männer? Und worin genau liegen die Differenzen?
Sab Schönmayr: Es gibt den Unterschied, dass es bei Frauen mehr Zonen gibt, die zur Stimulation wichtig sind. Es gibt Frauen, die um zum Orgasmus zu kommen, vor allem oder ausschließlich die klitorale Stimulation brauchen, andere vaginal oder eben beides. Die meisten Frauen verwenden einen Vibrator auch vorwiegend klitoral, am besten ist meiner Ansicht, der Gebrauch von zwei Vibratoren bzw. eines Dildos vaginal und eines Vibrators für die Klitoris. Und vor allem sollte der Vibrator dann gut an der Spitze vibrieren, was nicht selbstverständlich ist. Viele stimulieren nämlich eher die Hand, die den Vibrator hält, als die Klitoris.

dieStandard.at: Sie wählen Ihre Produkte unter anderem nach dem Kriterium "frauenfreundlich" aus, was verstehen Sie darunter?
Sab Schönmayr: Darunter verstehe ich zum Beispiel Produkte, die von Frauen für Frauen konzipiert wurden, wie etwa die Produkte der holländischen Firma Natural Contours, die den ergonomischen Vibrator "Paulas Liebling" produziert. Der ist so geformt, dass er gleichzeitig G-Punkt und Klitoris stimuliert. Oder die vielen neuen Aufliegevibratoren, die Vaginalkugeln, Beckenbodentrainer. Frauenfreundlich sind auch die Farben und die Verpackungen, die keine Pornosternchen zeigen.

dieStandard.at: Sie waren eine der Ersten, die einen solchen Shop geschaffen haben. War es vor zehn Jahren nicht sehr schwierig, geeignete Produkte aufzutreiben?
Sab Schönmayr: Fast unmöglich! Es gab aber zur gleichen Zeit die ersten Dildo-Manufakturen in Berlin und Frankfurt, wo Künstler in ihren Ateliers Dildos aus Silikon gegossen haben. Was der Markt so hergab waren nach Gummi stinkende, die Gesundheit gefährdende Toys, die außerdem einen Lärm wie ein Rasenmäher machten.
Es gab aber auch schon den legendären Eroscillator, von Schweizer Ingenieuren entwickelt, ein Klitoralvibrator, der oszilliert wie ein nimmermüder Streichelfinger. Ruth Westheimer empfiehlt ihn und sagt, dass damit jede Frau einen Orgasmus bekommt, auch die, die nicht mehr daran glauben.

dieStandard.at: Und war es nicht ebenso schwer, Kundinnen zu finden, angesichts der Tatsache, dass Online-Shopping damals noch recht ungewöhnlich war?
Sab Schönmayr: Da das Konzept so innovativ war und es zu der Zeit noch die berühmten Erotiksendungen im Fernsehen gab, war es einfacher als jetzt. Jetzt ist die Konkurrenz im Netz sehr groß. Schwierig war und ist die Platzierung in den Suchportalen und Linklisten, ich darf meistens nur in die Rubrik Sex, Erotik unter die üblichen Sexshops, ich möchte aber in die Rubrik Wellness oder Gesundheit, damit Frauen und Paare nicht im Netz die buchstäbliche Nadel im Heuhaufen suchen müssen. Das wird oft abgelehnt, weil Sexshop pauschal dann doch als pornografisch gilt.

dieStandard.at: Wenn heute mit zunehmendem Einkaufen über Internetplattformen die Konkurrenz gestiegen ist, wie können Sie Ihr dann Geschäft halten?
Sab Schönmayr: Mein Geschäftskonzept wurde sehr oft kopiert und immer wieder lese ich über einen neuen Shop, der nur getestete Toys mit ausführlichen Produktbeschreibungen anbietet. Als ich den Shop gegründet habe, gab es keine Produktbeschreibungen und auch bei den Herstellern war wenig über Material etc. zu erfahren. Es ist nicht einfach einen Online-Shop mit Qualität zu halten, da viele Käufer gerne die Beratung in Anspruch nehmen und dann über einen Preisroboter das billigste Produkt im Netz suchen. Ich biete also einen Service an, der nicht honoriert wird. Ich habe aber viele Stammkunden, die mir immer wieder kommunizieren wie dankbar sie sind, dass es so einen Shop wie meinen ohne Werbung und soviel Know-how noch gibt.

dieStandard.at: Ihr Anliegen ist es, Sextoys zu einem selbstverständlichen Teil der erotischen Alltagskultur zu machen, etabliert zwischen Pornografie und Puritanismus. Wie können Sie das umsetzen?
Sab Schönmayr: Gute Frage. Infos, Infos, Infos. Nur so können sich die Klischees im Kopf langfristig auflösen. Viele Frauen sagen: "Einen Vibrator, so etwas brauche ich nicht! Ich hab einen Freund." Das heißt für mich, dass sie denken, sie brauchen ihn nicht, wenn sie einen Mann haben, das inkludiert die Vorstellung, dass der Partner für ihre Sexualität verantwortlich ist. Aus diesem Denken heraus wird Erotik oft als etwas verstanden, das den Mann animiert. Derzeit bietet eine bekannte Kaffeebohnen-Kette erotische Dessous an, sprich Strapse und Spitzentanga. Erotisch wäre für mich, wenn sie einen Vibrator, Cockringe und Massageöle anbieten würden. Oder bekommen Sie von einem Strapsgürtel einen Orgasmus?

dieStandard.at: Sie meinten, dass Sabasin.com "einen ganzen Strauß an sinnlichen Themen" umfasst, die "Muschi und Kopf" vereinen. Welche Themen sind das und wie geht das?
Sab Schönmayr: Sabasin.com ist ein niveauvolles Portal für erotische Themen mit Buchbesprechungen, erotischen E-Cards, Shortstorys, Interviews. Der Shop ist ein wichtiger Teil davon. Hier gehen Sie nicht einem Vibrator kaufen, nach dem Motto Augen zu und durch, hier können Sie auch noch eine Reportage über das Erotikmuseum in Paris lesen. Die ästhetische Wohlfühlatmosphäre entsteht nicht zuletzt durch das Verzichten auf Werbebanners, den ausführlichen Produktbeschreibungen und den unaufgeregten Fotos.

dieStandard.at: Auf Ihrer Seite bieten Sie einen Multiple-Choice-Test an, um den richtigen Vibrator zu finden. Nach welchen Kriterien wird da vorgegangen?
Sab Schönmayr: Viele Frauen hätten gerne einen Vibrator, wissen aber gar nicht nach welchen Kriterien sie ihn auswählen sollen. Bei unserem Einkaufsberater gibt es die Punkte: Was möchten Sie damit machen, klitoral, vaginal, anal oder beim Partnersex. Welches Material möchten Sie, wobei die meisten Vibratoren, die ich anbiete aus Silikon sind, da dies das gesündeste Material ist, Wie soll er betrieben werden, mit Batterien, Kabel, Akku und dann noch das Design, edel, verspielt, realistisch.

dieStandard.at: Gibt es etwas in Ihrem Sortiment, von dem Sie glauben, es ist einzigartig und nur in Ihrem Shop zu bekommen?
Sab Schönmayr: Der erotische Liebesbrief, der auf Wunsch über einfache Romantik hinausgeht und durchaus, wenn das der Kunde, die Kundin wünscht, eindeutig erotisch ausfallen kann. Oder das Hyalofemme, ein Vaginalgel, das vor allem für Frauen geeignet ist, die in den Wechseljahren unter Feuchtigkeitsmangel leiden. Oder "Liebevoll women," ein Bio-Erregungsgel für Frauen. Dessous der französischen Firma maison close, die sexy Dessous ganz modern interpretiert. Das neueste, tollste Toy ist der Sasi Jejoue, ein lernfähiger Aufliegevibrator, der sich die Wünsche der Benutzerin merkt und sie dann so stimuliert wie sie es am Erregendsten findet.

dieStandard.at: Danke für das Gespräch.
(dabu/dieStandard.at, 16.08.2009)