Für den Bericht wurden ArbeiterInnen in Zulieferbetrieben und GewerkschafterInnen rund um die Stadt Tanger befragt.

Foto: Suedwind

Wien - Marokko hat sich zu einem wichtigen Zentrum der Textil- und Bekleidungsindustrie für den europäischen Markt entwickelt. Produziert wird unter anderem für bekannte Mode-Marken wie Mango oder Zara, aber auch Arbeitsbekleidung, die von europäischen Städten, Gemeinden und Institutionen eingekauft wird. Mittlerweile ist die Bekleidungsindustrie Marokkos wichtigster Industriezweig und schafft viele Arbeitsplätze, informierte Südwind in einer Aussendung. Bei einem von Südwind veranstalteten Pressegespräch am Donnerstag wurde ein aktueller Bericht von der Clean Clothes Kampagne und dem marokkanischen Verein Attawasol vorgestellt.

Bis zu 76 Stunden pro Woche

Für den Bericht wurden ArbeiterInnen in Zulieferbetrieben und GewerkschafterInnen rund um die Stadt Tanger befragt. Sie berichteten von Arbeitswochen von bis zu 76 Stunden, Gehältern unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns, Beschäftigten ohne Verträge oder irgendeiner Form sozialer Absicherung und gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen. "Der gesetzliche Arbeitstag hat acht Stunden, aber das wird von keinem respektiert. Es gibt sogar Frauen, die arbeiten 15 Stunden am Tag", kritisierte die marokkanische Gewerkschafterin Fatima Lamah.

Viele ArbeiterInnen gaben an, nicht einmal den Mindestlohn, mitunter sogar weniger als 100 Euro gezahlt zu bekommen, hieß es in der Südwind-Aussendung. "Den Mindestlohn, 210 Euro pro Monat, zu verdienen ist gut und schön, wenn man keine Miete zahlen muss. Eine bescheidene Bleibe kann in Tanger fast 200 Euro kosten", wird die Textilarbeiterin Saida zitiert.

Diese Art von Ausbeutung sei KonsumentInnen bekannt, so Südwind. Sie würden auch immer wieder faire Arbeitsbedingungen fordern. Über die Herstellung von Uniformen oder Dienstkleidung sei hingegen nur wenig bekannt. Ein wichtiger Abnehmer dafür ist die öffentliche Hand, also europäische Gemeinden, Städte und Länder, ihr Budget speist sich aus Steuergeldern. Dass Arbeitsbekleidung in Marokko unter den gleichen unmenschlichen Arbeitsbedingungen produziert wird, haben Naima Naim und Lamyae Assouz vom marokkanischen Verein für Frauenrechte Attawassol im Zuge der Recherche für den Bericht herausgefunden. Ihre Forderung: "Die erste Priorität für die öffentliche Hand muss sein, dass bei der Produktion zumindest die nationalen Arbeitsgesetze eingehalten werden. Das garantiert zwar noch kein menschenwürdiges Leben, aber es ist ein erster Schritt".

Nationaler Aktionsplan

Die öffentliche Hand kann durch politische Beschlüsse und die Einbeziehung von sozialen Kriterien in ihre Ausschreibungen zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen beitragen, so Südwind. Dass das möglich ist, würden zahlreiche Vorzeigeinitiativen in anderen europäischen Ländern zeigen. In Schweden wurde etwa nach einem Skandal um die Arbeitsbedingungen, unter denen Krankenhausbekleidung hergestellt wurde, ein mehrstufiges System eingeführt, das AnbieterInnen und ihre Verbesserungsmaßnahmen evaluiert.

In Österreich wird im Rahmen des nationalen Aktionsplans für nachhaltige Beschaffung an der Erarbeitung von Richtlinien zur sozial fairen Beschaffung gearbeitet, berichtet Südwind. Die Organisation ist neben VerteterInnen von Ministerien, Ländern und Interessensvertretungen in dieser Arbeitsgruppe vertreten. (red)