Madrid - Nach sieben Jahren hat das spanische Verfassungsgericht am Mittwoch mit den Beratungen über die Rechtmäßigkeit der Ehe für Homosexuelle begonnen. Als die frühere sozialistische Regierung von Premier Jose Luis Rodriguez Zaptero 2005 Eheschließungen von Schwulen und Lesben erlaubte und den gleichgeschlechtlichen Paaren auch das Recht auf Kinderadoptionen zusprach, sorgte das für eine Welle der Empörung unter großen Teilen der spanischen Bevölkerung.

Die römisch-katholische Kirche machte gegen das Gesetz mobil. Bischöfe beteiligten sich an den Massenprotesten christlich-konservativer Verbände. Die sich damals noch in der Opposition befindliche konservative Volkspartei (PP) des heutigen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy legte vor dem spanischen Verfassungsgericht Beschwerde gegen die Legalisierung der Ehen Homosexueller ein. Die Proteste sind nach sieben Jahren weniger geworden, die Polemik allerdings nicht.

VerfassungsrichterInnen haben das letzte Wort

Rajoy sprach damals von einer "Schande" und seine Partei kündigte noch im Wahlkampf Ende vergangenen Jahres an, das Gesetz wieder rückgängig zu machen, sollte sie die Parlamentswahlen gewinnen. Rajoy gewann die Wahlen und übernahm Ende Dezember die Regierungsverantwortung. Doch in der Verfassung festgeschriebene Gesetze einer Vorgängerregierung zu ändern, ist juristisch, politisch wie gesellschaftlich heikel und schwierig. So erklärte Premier Rajoy bereits kurz nach seiner Amtsübernahme, erst einmal das Urteil des Verfassungsgerichts abwarten zu wollen.

Nun sollen die VerfassungsrichterInnen das letzte Wort sprechen. Auch der spanische Schwulen- und Lesbenverband (FELGTB) verlangt von den VerfassungsrichterInnen seit Jahren, "endlich" über die Verfassungsmäßigkeit der gleichgeschlechtigen Ehe zu urteilen, um Rechtssicherheit zu haben. Sollte sich das Gericht für eine Gesetzesänderung entscheiden, wird sich für die bereits 25.000 homosexuellen Ehen in Spanien nichts ändern, da die Heiraten auf einem Gesetz basieren, dessen Rechtsgrundlage darin besteht, dass sich die BürgerInnen darauf verlassen können müssen, dass Gesetze nicht rückwirkend geändert werden. Nur diejenigen, die jetzt erst heiraten wollten, dürften es nicht mehr, was jedoch eine Situation der juristischen Ungleichheit hervorrufen würde.

Wenn man sich die Tendenz der Entscheidungen in Familienrechtsangelegenheiten ansieht, dann dürften die VerfassungsrichterInnen die Beschwerde der Volkspartei zurückweisen. Wahrscheinlich wird sich das Gericht dafür aussprechen, eine existierende Realität zu respektieren. Dennoch ist das in Spanien äußerst politisierte Verfassungsgericht in zwei Lager geteilt. Es besteht es aus sieben "sozialistischen" und fünf "konservativen" RichterInnen. Der Ausgang des Gerichtsurteils, das von vielen Medien gegen Ende Juli erwartet wird, ist offen. (APA, 4.7.2012)