Der Oberste Gerichtshof in Alabama.
Embryonen sind Kinder, lautet ein Urteil des Obersten Gerichtshofs in Alabama.
AP

Gott ist greifbar. Zumindest in den USA, wo er bei Begründungen für Gerichtsentscheidungen ebenso oft wie schnell ins Spiel gebracht wird. Etwa aktuell bei einem Urteil des Obersten Gerichtshofs in Alabama, wonach eingefrorene Embryonen als Kinder zu werten sind. In einer mit den anderen Richter:innen abgestimmten Erklärung schreibt der Oberste Richter Tom Parker von der "Zerstörung von ungeborenem Leben", die nicht möglich wäre, "ohne damit auch die Herrlichkeit Gottes auszulöschen".

Obwohl es immer wieder irritiert, ist es in den USA doch Alltag, dass sich Politiker:innen oder auch Institutionen und deren Vertreter:innen auf Gott berufen. Vor allem, wenn es um Abtreibungen geht. Aber längst nicht nur, wie das Beispiel aus Alabama zeigt. In den vergangenen Tagen haben Kliniken angekündigt, diverse Fruchtbarkeitsbehandlungen wegen des Urteils des Obersten Gerichtshofs auszusetzen. Die Gefahr von strafrechtlicher Verfolgung von Patientinnen und Ärzt:innen sei derzeit zu groß und die rechtliche Lage unüberschaubar.

Eigentlich nur logisch

Alabama zählt zu den Bundesstaaten mit den strengsten Abtreibungsgesetzen. Der Staat verbietet praktisch in allen Fällen eine Abtreibung. Man könnte meinen: weil man will, dass Frauen schwanger bleiben und gebären. Wenn aber dies das Motiv wäre, ist das Urteil, das In-Vitro und andere Fruchtbarkeitsbehandlungen behindert, ein Widerspruch zum Abtreibungsverbot in Alabama.

Doch das ist es nicht. Vielmehr legt das Urteil das Motiv frei, das sich sowohl hinter einem Abtreibungsverbot als auch hinter der Ernennung von Embryonen zu Kindern liegt: die Verhinderung dessen, dass Frauen die Kontrolle über ihren Körper überlassen wird. Aus einem patriarchalen Selbstverständnis heraus oder aufgrund eines Frauenbildes, das Frausein und Mutterschaft in eins fasst.

Warum doch Gott

Insofern ist die Verordnung, Embryonen als Kinder zu bewerten, nur stringent. Denn warum sollte man eine ungewollt Schwangere davon abhalten, ihre "Kind zu töten", wie es Abtreibungsgegner:innen formulieren, während Frauen, die ein Kind wollen, selbst über Embryonen oder Föten entscheiden können. Ob sie eingesetzt werden oder was mit ihnen passiert, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Es hätte Gott also gar nicht gebraucht.

Allerdings reicht die Behauptung von "Gottes Wille" noch immer aus, um sich grundsätzlich gegen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen zu stellen. Das ist eines Rechtsstaats und einer Demokratie, die die Freiheit der Einzelnen derart hoch hängt, unwürdig. (Beate Hausbichler, 23.2.2024)