Es ist ihr Aussehen. Es sind Anspielungen auf ihre Sexualität. Es ist das Infragestellen ihrer Kompetenz. Sowohl Frauen als auch Männer sind von Hass im Netz betroffen, doch der Hass gegenüber Frauen hat eine andere Qualität. Besonders wenn sie Journalistinnen oder im Netz aktive Frauen sind, wird es rasch herabwürdigend.

Hassnachrichten belasten Betroffene. Dahinter steckt oft das Ziel, Frauen aus der Debatte im Netz zu vertreiben.
Hassnachrichten können für Betroffene sehr belastend sein. Dahinter steckt oft das Ziel, Frauen aus der öffentlichen Debatte im Netz zu vertreiben.
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Das merkte man auch in der Welle von Hass und Hetze, die Alexandra Föderl-Schmid traf. Die ehemalige STANDARD-Chefredakteurin und nunmehr Vizechefredakteurin der Süddeutschen Zeitung geriet aufgrund einer von einem rechten Portal angeheizten Plagiatsjagd ins Kreuzfeuer eines rechten Mobs. Auf X, vormals Twitter, wurde sie nicht nur sexistisch beschimpft. Auch als sie vermisst und das Schlimmste befürchtet wurde, posteten viele Nutzer noch untergriffige Kommentare und zeigten keinen Funken Empathie.

"Gewalt ist geschlechtsspezifisch, und Frauen sind in überwiegendem Ausmaß stärker davon betroffen, das ist auch im digitalen Raum so", sagt Johanna Enzendorfer, psychosoziale Beraterin bei "Frauen beraten Frauen". Sie weist darauf hin, dass patriarchale Strukturen und sexistische Machtverhältnisse online genauso wie offline vorherrschend sind.

Auf Körper reduziert

"Bei Frauen geht es unter die Gürtellinie", fasst Ingrid Brodnig zusammen. Die Beleidigungen seien "oft sexualisiert, es geht ums Aussehen, um die Frage, ob sich jemand hochgeschlafen hat oder quasi nicht genügend Sex abbekommt", fügt sie hinzu. Die Autorin befasst sich mit digitalem Hass und Desinformation. Sie sieht Hass im Netz als Methode, speziell Frauen aus der öffentlichen Debatte im Netz zu vertreiben. Ein besonders entwürdigendes Element dieser Misogynie sei, dass in solchen Kommentaren die professionelle Ebene, ihr Können und ihre Argumente völlig ausgeblendet würden. Sie werden auf ihre Körper reduziert – und das geht tief.

Äußern sie sich professionell zu bestimmten Themen, ist der Affront komplett. Dazu zählen männerdominierte Bereiche wie Technik oder Sport, aber auch politisch aufgeladene Themen wie Geschlechterpolitik oder Migration. Letzteres ist auch ein Schwerpunktthema von Brigitte K.* Dass sie "naiv" oder "blöd" sei, seien übliche Kommentare unter ihren Texten gewesen, erzählt sie dem STANDARD. Später haben User nach unvorteilhaften Fotos von ihr im Netz gesucht und sie verbreitet. Ein Klassiker, wie Gespräche mit von Hass im Netz betroffenen Frauen zeigen.

Christina L., eine andere langjährige Journalistin, bekommt seit 20 Jahren Hassnachrichten, sie verortet die Urheber im rechtsradikalen Lager. "Besonders widerlich war einmal die Formulierung, ich sei dumm und nicht in der Lage, tief in ein Thema einzudringen wie der Penis in die Vagina einer Frau", erzählt sie dem STANDARD. In Social Media sei es noch schlimmer geworden, "da kommen auch Gewalt- und Mordaufrufe immer wieder vor".

Löschen zum eigenen Schutz

Eine besonders große Welle an Hass verzeichnete sie während der Corona-Pandemie. In Social Media geteilte Artikel seien von den meisten Kommentierenden gar nicht mehr gelesen worden. "Es war nur ein willkommener Anlass, mich zu beschimpfen. Als Lügnerin, Mörderin, wahlweise von der Regierung oder gegen die Regierung gesteuerte Agentin."

Ausblenden und Löschen, das gehört zu einer häufigen und für Betroffene auch notwendigen Strategie. TV-Moderatorin Martina B. erzählt im STANDARD-Gespräch, dass sie negative Nachrichten und Kommentare immer sofort lösche, um sich zu schützen. Ein Blick in den virtuellen Mistkübel bestätigt ihre Erfahrungen: Einerseits bekommt sie – wie ihre Kollegen – zu bestimmten Themen wie etwa Corona Nachrichten, man würde "die Wahrheit unterdrücken" – inklusive angedeuteten oder direkten Drohungen. Was aber für ihre Kolleginnen und sie speziell reserviert ist: übergriffige und sexualisierte Kommentare zu ihrem Aussehen. "Es geht fast immer um Äußerlichkeiten", sagt sie. Wenn Betroffene sichtbare Migrationsbiografie haben, komm oft auch Rassismus hinzu.

Bei Brigitte K. stellte sich aufgrund der unzähligen negativen Kommentare unter ihren Artikeln irgendwann die Sorge um ihr Renommee ein. "Ich bekam das Gefühl, ich sollte mich besser zurückhalten." Sie und andere Kolleginnen und Kollegen erhielten damals, vor etwa zehn Jahren, auch Droh-E-Mails, in denen es hieß, man wolle sie "abstechen", wenn sie in die Redaktionen kämen. Offenbar eine organisierte Aktion. Inzwischen hat die Journalistin für sich entschieden, sich "als Person zurückzuhalten" und sich aufs Inhaltliche zu konzentrieren.

Vor allem für jüngere, freie Journalistinnen oder andere Autorinnen, die für ihre Texte Öffentlichkeit brauchen, ist Rückzug oft keine Option. Sie sind auf die sozialen Medien angewiesen, um sich zu vernetzen, in Diskurs zu treten und ihre Arbeit zu verbreiten. Ratschläge, sich auszuklinken, sind schwer umsetzbar, wenn Sichtbarkeit und finanzielle Sicherheit so eng miteinander verbunden sind. Gerade Jüngere seien aber stärker vom Hass betroffen als Ältere, beobachtet Journalistin Christina L. "Deshalb brauchen vor allem jüngere Kolleginnen viel Solidarität."

Die Verfasser solcher Hassbotschaften verstecken sich gern mit ihren Nachrichten auf privaten Kanälen. "Herabwürdigende Nachrichten kommen oft als E-Mail, die nur an die Betroffene selbst gerichtet ist – und somit erfüllt sie nicht den Tatbestand der Beleidigung nach dem Strafrecht", erklärt Brodnig. Eine Beleidigung wird somit erst dann auf strafrechtlicher Ebene zu einer, wenn sie auch andere lesen können. Dass es die Person liest, gegen die der Hass gerichtet ist, zählt somit zu wenig. Viele Betroffene können daher auf juristischer Ebene kaum etwas unternehmen.

In Deutschland hingegen gibt es mehr Möglichkeiten als in Österreich, Beleidigungen strafrechtlich zu verfolgen, auch wenn diese "nur" unter vier Augen verschickt wurden, sagt Brodnig. Manche bedrohliche Nachricht werde auch "juristisch von der Staatsanwaltschaft nicht unbedingt als gefährliche Drohung eingestuft", kritisiert Brodnig.

Gesellschaftliches Problem

"Für Gewaltschutz bzw. die Verhinderung von Gewalt ist die gesamte Gesellschaft zuständig, da Gewalt ein gesellschaftliches und kein individuelles Problem ist", betont Johanna Enzendorfer von "Frauen beraten Frauen". Da auf juristischer Ebene eben vielfach die Hebel fehlen, sind Betroffene oft sich selbst überlassen. Die Möglichkeiten für Selbstschutz und Selbstverteidigung sind aber unter anderem von den eigenen sozialen und finanziellen Ressourcen abhängig.

"Frauen beraten Frauen" hat kürzlich eine Broschüre veröffentlicht, wie man digitale Gewalt erkennt und was man tun kann. Brodnig empfiehlt ein Buddy-System: Man gibt einem Menschen, dem man vertraut, Zugriff auf Social-Media-Konten oder das E-Mail-Postfach. Die Person screent Nachrichten und Postings, löscht bzw. dokumentiert. "Die Gefahr ist nämlich, dass Betroffene permanent mitlesen und in einer Tour Beleidigendes und Diffamierendes über sich lesen und nicht durchatmen können", sagt Brodnig. Das Buddy-System soll helfen, selbst gedanklich etwas Abstand zu nehmen – und solchen Hasskommentaren nicht zu ermöglichen, die ganze Energie und Zeit der betroffenen Frau an sich zu ziehen. (Beate Hausbichler, Noura Maan, Ricarda Opis, 8.3.2024)