Die Hürden für eine Änderung des Personenstandes sind in Österreich je nach Bundesland verschieden, kritisiert Valerie Lenk.
Die Hürden für eine Änderung des Personenstandes sind in Österreich je nach Bundesland verschieden, kritisiert Valerie Lenk.
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Am 31. März ist der Internationale Tag der Sichtbarkeit von Transgenderpersonen. Mit der Kandidatur von Valerie Lenk für einen der 16 Plätze der Wiener Landesliste der Grünen macht sie auch einen Schritt in Richtung Sichtbarkeit, ist sie doch die erste Transfrau, die sich für einen Listenplatz für eine Nationalratswahl in Österreich bewirbt.

STANDARD: Sie sind seit gut einem Jahr Vorstandsmitglied der Grünen Frauen Wien und nun die erste Transfrau, die einen Listenplatz anstrebt. Sind Ihnen frauenpolitische Themen oder die Gleichstellung von Transmenschen wichtiger?

Lenk: Für mich hängt das zusammen, es ist ein Waterfall of Power, der die Diskriminierung widerspiegelt. Die dahinterliegende "Mechanik", um die Gleichstellung von Frauen und Transmenschen zu erreichen, ist für mich dieselbe. Das Ziel ist, einen respektvollen Umgang und Gleichstellung in der Gesellschaft zu erreichen – und da sollte es egal sein, um welche Person es geht.

Wie sehr das zusammenhängt, zeigt auch, dass Länder wie etwa Polen, in denen Frauenrechte beschnitten werden, auch bei Transrechten sehr rückschrittlich sind.

STANDARD: Wo sehen Sie konkret in Österreich Verbesserungsbedarf?

Lenk: Auf frauenpolitischer Ebene sehen wir zum Beispiel, dass der Schwangerschaftsabbruch nur an sehr wenigen Orten angeboten wird, dass er noch immer im Strafgesetzbuch verankert ist und keine Kassenleistung ist. Medizinische Themen wie dieses, das die Selbstbestimmung der Frau betrifft, genauso wie die Gesundheit von Transmenschen, werden grob vernachlässigt. An der Gesundheitspolitik zeigt sich stark die völlig verquere Umverteilung innerhalb unserer Gesellschaft. Für Transmenschen gibt es etwa Bedingungen, die zu erfüllen sind, um Gesundheitsleistungen zu bekommen; diese werden nicht von der Krankenkasse finanziert werden, was für mich ein krasses soziales Problem ist - Deutschland ist da schon weiter.

STANDARD: Sollte es Ihrer Meinung nach auch wie nun in Deutschland möglich sein, den Personenstand in ein anderes Geschlecht ohne psychologische Gutachten ändern zu können?

Lenk: In Europa gibt es zehn Länder mit einem "Selbstbestimmungsgesetz", also einem freien Zugang zum Genderwechsel. Österreich ist nicht dabei. Für etwa 98 Prozent der Bevölkerung ist es selbstverständlich, dass sie selbstbestimmt mit ihrem Gender leben können, ohne dass sie sich vor anderen rechtfertigen müssen.

Die Grünen-Politikerin Valerie Lenk.
Valerie Lenk: "Geschlechterstereotype sind auch ein Grund, warum viele Männer einen letzten Ausweg in Gewalt finden."
Karo Pernegger

STANDARD: Welche Verbesserungen sind Ihrer Meinung nach bei den Änderungen des Personenstandes in Österreich nötig?

Lenk: Die Anforderungen basieren in Österreich nicht auf einer gesetzlichen Regelung, sondern auf einem Erlass des Innenministeriums, der von den zuständigen Standesämtern umgesetzt wird. Und das bringt viele unterschiedliche Regelungen mit sich. In Wien wollen die Standesämter für eine Änderung des Personenstandes eine Stellungnahme eines Psychotherapeuten, in vielen Bundesländern hingegen wird ein Fachgutachten eines Psychiaters verlangt. Für Jugendliche ist es noch einmal anders, in Kärnten brauchen sie zum Beispiel ein Gemeinschaftsgutachten von psychiatrischen, psychotherapeutischen und klinischen Fachkräften, um den Personenstand des Kindes oder des Jugendlichen zu ändern. Es ist ein Wirrwarr.

STANDARD: Sie sind auch beim Verein Trans X engagiert. Auf der Website des Vereins steht, dass die herrschenden Geschlechtereinteilungen nicht mehr genügen. Was heißt das genau?

Lenk: Durch die binären Geschlechterstereotype passiert Diskriminierung. Keine Person entspricht aber völlig einem männlichen oder weiblichen Stereotyp, das binäre System gab es so nie. Es gibt femininere Männer genauso wie Frauen, die mehr einen männlichen Lebensstil bevorzugen – insofern gab es schon immer Verwischungen. Durch die Überwindung der starren Geschlechtergrenzen sollte die Gesellschaft offener werden – um ein freies und selbstbestimmtes Leben für jeden Menschen möglich zu machen.

Geschlechterstereotype sind auch ein Grund, warum viele Männer einen letzten Ausweg in Gewalt sehen. Sie haben Probleme mit der männlichen Geschlechterrolle, wenn sie nicht die Ressourcen haben, um mit den Anforderungen ans Mannsein umzugehen – und mit gewaltvollen Handlungen wollen sie dann wieder eine bestimmte Vorstellung vom "starken Mann" repräsentieren.

STANDARD: Immer wieder wird Kritik laut, Frauen müssten an bestimmten Orten vor Transfrauen geschützt werden, denn die hätten schließlich ein männliches Geburtsgeschlecht – und könnten daher immer noch eine Gefahr darstellen, etwa sexualisierte Übergriffe auszuüben.

Lenk: Ich beschäftige mich schon länger mit dem Thema Gewalt und Gewaltschutz und habe eine Gewalt- und Krisenhotline für Transpersonen ins Leben gerufen. Dafür war ich in Kontakt mit verschiedenen Gewaltschutzeinrichtungen wie zum Beispiel dem Frauennotruf, den Frauenhäusern oder auch der Wohnungslosenhilfe. Vor allem für die Frauenhäuser und den Frauennotruf ist es selbstverständlich, dass Personen mit Gewalterfahrungen geschützt werden müssen – und das unabhängig vom Geschlecht. Männer, die hier Hilfe suchen, werden an die zuständigen Stellen weiterverwiesen.

In Frauenhäusern und beim Frauennotruf bekommen Frauen entlang ihrer Selbstdeklaration Schutz. Insofern ist das eine völlig an den Haaren herbeigezogene Diskussion, weil das bereits ganz anders gelebt wird.

Das Thema wird so geframt, als ob die Mehrheitsgesellschaft vor einer marginalisierten, höchst diskriminierten und unter hohem psychischem Druck stehenden Gruppe geschützt werden müsste. Es ist so verkehrt, wenn ich mir vorstelle, dass eine Transfrau auf etwa hundert Cis-Frauen kommt. Muss man da sagen, dass man diese hundert Frauen vor dieser einen schützen muss? Das ist doch lächerlich.

STANDARD: Ihre Kollegin Tessa Ganserer, Grünen-Politikerin in Deutschland, war und ist massiven Anfeindungen aufgrund ihrer Transidentität ausgesetzt. Machen Sie sich Sorgen, dass das bei zunehmender Bekanntheit für Sie auch zunimmt?

Lenk: Ich wurde von der FPÖ im Wiener Gemeinderat bereits massiv angegriffen, ich kenne das also schon. Dass es Menschen gibt, die mit der Transgender-Thematik nicht umgehen können, das weiß ich. Von einem Stein erwarte ich mir nicht, das er weich ist, dass ist mir bewusst. Natürlich wünscht sich jede Person Unterstützung, aber dass das nicht von überall kommen kann, ist auch klar. (Beate Hausbichler, 31.3.2024)