Frau mit Kinderwagen.
Vieles wurde anders, aber an der Verteilung der Arbeit zwischen den Geschlechtern hat sich wenig verändert.
IMAGO/Michael Gstettenbauer

Wie steht es um die Gleichstellung in Österreich? Viele Antworten auf diese komplexe Frage gibt eine neue Publikation des Bundeskanzleramts. Die 334 Seiten umfassende Publikation "Gleichstellung in Österreich – Zahlen, Daten, Fakten" ordnete diesen großen Bereich dafür in sechs "zentrale Gleichstellungsdimensionen": Bildung, Arbeit und Beruf, Kinderbetreuung, Gesundheit und Pflege, Repräsentation und Beteiligung sowie geschlechtsspezifische Gewalt.

Der Bericht bildet zusätzlich zu den strukturellen Unterschieden zwischen den Geschlechtern auch ihre Entwicklungen ab. Thematisiert werden hauptsächlich frauenpolitische Klassiker wie der Gender-Pay-Gap oder die Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit, doch es gibt auch Spots auf Geschlechterdifferenzen, die zwar als weniger wichtig eingestuft werden könnten, aber ebenso einiges über die stabilen Rollenbilder von Männern und Frauen verraten. Etwa durch den Unterschied beim Obst- und Gemüsekonsum von Männern und Frauen.

Der Bericht soll ein Nachschlagewerk und eine "wichtige Basis für evidenzbasierte Gleichstellungspolitik in Österreich sein", so Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) in einer Aussendung. Die Veröffentlichung dieser Daten und Fakten sei ein Beitrag, um die gesellschaftliche Debatte über Geschlechtergerechtigkeit voranzutreiben.

Elternschaft

Es zeigt sich, dass Frauen und Männer bestimmte Lebensbereiche heute deutlich anders gestalten als etwa noch vor zehn Jahren. Doch gleichzeitig bleiben viele Umstände gleich, etwa die Verteilung von Arbeit. Männer wie Frauen werden heute später Eltern, doch der Altersunterschied bei der Elternschaft zwischen Männern und Frauen bleibt groß. 2001 lag das Gebäralter bei unter 30-jährigen Frauen noch bei 56 Prozent, 20 Jahre später sank dieser Wert auf 40 Prozent. Männer werden auch später Väter: Der Anteil der Väter über 40 Jahre stieg weiter von elf Prozent (2001) auf 16 Prozent (2021).

Bildung

In den vergangenen Jahrzehnten gab es im Bereich Bildung von Frauen und Mädchen einen Aufholprozess. Damit seien "bessere Chancen für ein längeres, gesundes Leben, stabilere Berufskarrieren oder Chancen auf Entscheidungspositionen" einhergegangen, heißt es in dem Bericht. Doch dieser Erfolg schlägt sich noch nicht auf die Gleichstellung am Arbeitsmarkt nieder. Frauen mit gleichwertigen oder höheren Qualifikationen verdienen oft nach wie vor weniger als Männer. Erklärt wird das vor allem damit, dass Frauen noch immer vorwiegend Ausbildungen in sogenannten frauendominierten und daher schlechter bezahlten Bereichen absolvieren.

Frauen würden auch aus den "männerdominierten Bereichen leicht wieder hinausgedrängt". Als Gründe dafür werden in dem Bericht fehlende familienfreundliche Rahmenbedingungen und eine Kultur, die Frauen ausschließt, genannt. Raab hat als Frauenministerin mit Role-Model-Kampagnen und Wettbewerben (etwa der Mint Girls Challenge) immer wieder betont, dass der Zuwachs von Mädchen und Frauen in Mint-Bereichen wichtig sei. Die neue Publikation räumt allerdings ein: "Trotz politischer Interventionsversuche, mehr Mädchen in Mint-Ausbildungen zu bringen, bleiben die Erfolge bescheiden."

Unbezahlt

Ein klares Problem zeigt sich in der wachsenden Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt einerseits und einem kaum wachsendes Mehr an unbezahlter Arbeit durch Männer andererseits. Mit der Vereinbarkeit von Job und Familie schlagen sich somit weiter vor allem Frauen herum. Hinzu komme, dass in Österreich die Kinderbetreuungseinrichtungen in vielen und vor allem ländlichen Gegenden Österreichs dem veränderten Arbeitsalltag vieler Frauen nicht entsprechen.

Auch im EU-Vergleich steht Österreich nicht gut da: Die Kluft zwischen Männern und Frauen liegt bei der Kinderbetreuung in Österreich um 15 Prozentpunkte über dem EU27-Durchschnitt von 12,4 Prozent. Noch traditioneller sind Frauen und Männer in Österreich, wenn es um die Hausarbeit geht. Während 83 Prozent der Frauen täglich Arbeiten im Haushalt übernehmen, tun dies nur 28 Prozent der Männer

Geld 

Auch der Gender-Pay-Gap liegt in Österreich weit über dem EU-Durchschnitt. Frauen verdienen in der Privatwirtschaft in Österreich durchschnittlich 18,8 Prozent weniger pro Stunde als Männer. Während es bei den Bruttojahreseinkommen der vollzeitbeschäftigten Beamt:innen keinen Gender-Pay-Gap gibt, ist dieser bei den Arbeiter:innen mit 28 Prozent am größten.

Repräsentation

Deutlich verbessert hat sich der Frauenanteil vor allem in der Politik auf Bundesebene. 2023 lag der Frauenanteil in der Bundesregierung bei 40 Prozent – er stieg damit in den vergangenen zehn Jahre um sieben Prozentpunkte. Geschlechterschieflagen gibt es allerdings im Hinblick auf die Themen: So gab es einen steten Männerüberhang in den Ressorts Finanzen und Inneres, die fast ausschließlich von Ministern repräsentiert wurden.

Schlecht sieht es mit dem Frauenanteil auf kommunaler Ebene mit nur elf Prozent Bürgermeisterinnen aus. Der Bericht des Bundeskanzleramts begründet das auch mit einer "männlich geprägten Parteikultur". Es gebe noch oft Vorbehalte gegenüber "der grundsätzlichen Eignung von Frauen für politische Ämter". In einer Befragung gab ein Fünftel der aktuell amtierenden Bürgermeisterinnen an, dass sie im Wahlkampf mit Sexismus konfrontiert waren.

Gewalt

Zum Thema Gewalt hebt der Bericht die Notwendigkeit von mehr Studien und Datenerhebungen zu Gewalt an Frauen hervor – und stimmt damit langjährigen Erfahrungen von Gewaltschutzexpertinnen zu. Auch die jüngst noch lauter gewordene Forderung nach einer besseren Verknüpfung der verschiedensten Kompetenzen, Beratungsstellen und Gewaltschutzeinrichtungen hebt die Publikation hervor.

Der Bericht stellt am Ende auch ein ausführliches Glossar für diverse Begriffe zu Verfügung, von "Stalking" über "sexistische Werbung" bis hin zu "Arbeitsmarktpartizipation".

Beim täglichen Verzehr von Obst und Gemüse liegen übrigens Frauen mit 59 und 55 Prozent deutlich vor den Männern. (beaha, 4.4.2024)