Dieses Bild wurde mit der KI Midjourney erstellt. Der Prompt lautete: "illustration of a friendly looking robot, presenting newspapers, looking at the camera. --ar 3:2"
Midjourney/Der Standard

"Der KI-Hype trifft auf die ersten Spuren von Realität" – so titelte mein Kollege Andreas Proschofsky vergangenes Wochenende seine Analyse über den aktuellen Status der Technologie, seiner Anwendungen und der dahinter stehenden Unternehmen. Denn nach recht hohen Erwartungen tritt nun erzwungenermaßen an vielen Stellen die Ernüchterung ein: Hieß es anfangs noch, dass Start-ups mit Fokus auf KI das Ende von Big Tech einläuten werden, liegt die Macht nun erst recht wieder in den Händen der etablierten Konzerne – und auch diese schrauben ihre Erwartungen zunehmend zurück.

Büroangestellte sorgen sich mittlerweile einer Studie von Yougov zufolge weniger um ihre Jobs, weil KI-Tools ohnehin nicht die versprochenen Ergebnisse liefern. Krankenschwestern in den USA protestieren gegen KI – nicht aus Sorge um ihre Jobs, sondern um die Sicherheit der Patienten. Der Grund dafür sind unter anderem falsche Alarme, die von der KI ausgegeben werden. Halluzinationen bleiben ein ungelöstes Problem der Technologie, ungeklärt sind auch weiterhin Urheberrechtsfragen. Und dann wäre da noch die massive Energie: So schreibt Kollege Raimund Lang, dass allein das Training von GPT-3 mehr als 900.000 Kilowattstunden Strom verbraucht hat – das entspricht dem Jahresbedarf von knapp 300 durchschnittlichen Zwei-Personen-Haushalten in Österreich.

Zuckerbergs schlechte Nachricht

Inhouse diskutieren wir scherzhaft, ob Mark Zuckerberg die Analyse des Kollegen gelesen und deshalb beschlossen hat, die Karten anlässlich der jüngsten Bilanzpräsentation offen auf den Tisch zu legen. So soll der eigene Assistent Meta AI zwar zum "weltweit führenden KI-Dienst sowohl bei der Qualität als auch bei der Nutzung werden" – allerdings wird das viel Geld kosten, die Rede ist von bis zu 99 Milliarden Dollar an Investitionen allein in diesem Jahr. Gleichzeitig könnte es Jahre dauern, bis Meta generative KI zu Geld macht. Bei den Investoren kam das schlecht an: Sie sind ja auch noch ein wenig traumatisiert von Zuckerbergs teurer Wette auf ein ominöses "Metaversum", dessen Erfolg sich bisher nicht wirklich einstellen wollte.

Ein anderes Bild zeigt sich hingegen bei Microsoft und der Google-Mutter Alphabet, die am Donnerstag ihre Quartalszahlen vorlegten. So wuchs bei Google der Umsatz der Cloud-Sparte, auf deren Rechnern Gemini läuft, um 28 Prozent und somit doppelt so stark wie der Konzernumsatz. Bei Microsoft wuchs die Cloud-Sparte gar um 31 Prozent, auch hier schwärmt ein Analyst von der "Strahlkraft der KI-Strategie".

Apple bringt sich in Stellung

Indes ist nicht mehr zu übersehen, dass Apple sich zunehmend in Stellung bringt. Nicht nur, dass der iPhone-Konzern vergangene Woche ein weiteres Start-up mit Fokus auf KI übernommen hat, es wurden auch eigene Large Language Models (LLMs) veröffentlicht. Und zwar als Open Source auf der Plattform Hugging Face, mit deutlich weniger Parametern als das ebenfalls als Open Source veröffentlichte Llama 3 von Meta.

Warum weniger Parameter? Weil die LLMs somit kleiner sind und lokal auf Smartphones anstatt in der Cloud laufen könnten. Branchenkenner Mark Gurman vermutet, dass auf diese Weise diverse KI-Funktionen ihren Weg in das kommende iOS 18 finden könnten. Dass diese auf dem Gerät laufen, würde Vorteile in puncto Datenschutz bieten, es würde die LLMs schneller machen – und vor allem würde weniger Strom verbraucht.

Videos, Bots und eine kaputte Ampel

Auch andere Akteure der Branche lassen sich nicht beirren und versuchen, den Hype weiterhin kochen zu lassen. So ist Adobes Firefly aufgrund seiner umstrittenen Qualität zum Inhalt frecher Memes geworden – trotzdem zeigte man nun eine beeindruckende Upscaling-Technologie, mit welcher die Schärfe von Videos auf das Achtfache erhöht werden soll. Das deutsche Unternehmen DeepL stellte vergangene Woche außerdem einen neuen KI-Chatbot vor, der bei der professionellen Texterstellung helfen soll.

Im österreichischen Finanzministerium nutzt man KI hingegen seit Jahren, um Steuerhinterziehung und Zollbetrug aufzudecken und einzudämmen, wie Kollege Benjamin Brandtner zuletzt in Erfahrung brachte. Das ist doch eine sinnvollere Anwendung als die in Deutschland eingeführte "KI-Verkehrsampel", die konsequent Unfälle verhindert – indem sie auf Dauerrot steht und somit Staus verursacht. Einer von vielen Fällen, die zeigen: Vorbei ist es mit der Technologie noch lange nicht, sie steht gerade erst am Anfang. Und bis alles so gut funktioniert, dass mehr Nutzen als Schaden entsteht, gibt es noch viel zu tun. (Stefan Mey, 27.4.2024)