Sky-Experte Marc Janko traut Österreich bei der EM trotz der Ausfälle einiges zu.
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Österreichs Fußballteam gleicht vor der EM einem Lazarett. Goalie Alexander Schlager wurde am Meniskus operiert, sein Einsatz ist praktisch auszuschließen. Der Ex-Internationale Marc Janko macht sich Sorgen. Das ÖFB-Team startet trotzdem am 17. Juni in Düsseldorf gegen Frankreich.

STANDARD: Die Sorgen vor der Fußball-EM nehmen zu, das österreichische Nationalteam sieht sich mit schwerwiegenden Ausfällen konfrontiert. Wie kann das die Mannschaft verkraften?

Janko: Es ist auf jeden Fall kein Motivationsschub, es ist besorgniserregend, vor allem, weil es solch wichtige Personalien betrifft. Bei allem Respekt, das sind nicht die Nummern 18, 19 oder 20 im Kader, es ist das Stammpersonal, das sind Stützen. Xaver Schlager war das Um und Auf.

STANDARD: David Alaba, Xaver Schlager und Sasa Kalajdzic haben Kreuzbandrisse, Tormann Alexander Schlager hat einen kaputten Meniskus. Wer geht am meisten ab? Ist es vielleicht sogar Xaver Schlager? Er ist der Motor, die Lunge, der Balleroberer.

Janko: Ich tue mir schwer, zu werten. Alexander Schlager war ein absoluter Rückhalt im Tor. Du brauchst einen Abwehrchef, das war David mit seiner Aura, seiner Präsenz. Im Mittelfeld brauchst du einen, der Wege in beiden Richtungen zurücklegt. Xaver hat das unglaublich gemacht. Vorn benötigst du einen, der Tore schießt. Kalajdzic ist am ehesten zu verkraften. Weil etwa ein Michael Gregoritsch richtig aufgeblüht ist. Er darf sich nicht verletzen, es reicht.

STANDARD: Was kann oder muss Teamchef Ralf Rangnick jetzt tun?

Janko: Aus der Not eine Tugend machen. Dass er die Mannschaft breit aufgestellt und jedem das Gefühl gegeben hat, wichtig zu sein, hat er bravourös gemeistert. Rangnick ist nicht der Typ, der ins Jammern verfällt, er setzt auf die Jetzt-erst-recht-Mentalität. Dass er nicht zu den Bayern gegangen ist, ist eine gute Basis. Es war von seiner Seite ein Liebesbeweis. Man ist noch näher zusammengerückt.

STANDARD: Ist die öffentliche Erwartungshaltung nun niedriger? Das kann ja durchaus von Vorteil sein.

Janko: Selbst in Bestbesetzung wäre es schwierig, Frankreich oder die Niederlande zu schlagen. Polen ist schwächer. Aber die Auslosung hat uns einen großen Gefallen getan, denn die vermeintlichen Favoriten haben sich in den Auftaktpartien immer schwergetan. Siehe Argentinien bei der WM gegen Saudi-Arabien. Gegen Frankreich zu beginnen ist angenehm. Sofern man seine Tugenden auf den Platz bringt.

STANDARD: Verletzungen gehören zum Fußball. Passieren sie vor einem Großereignis, sind sie für die Betroffenen besonders schlimm, weil große Träume geplatzt sind. Macht das die Reha schwieriger?

Janko: Ja, für die Schlagers ist es schlimm, da bricht eine Welt zusammen. Für Alaba ist es am leichtesten. Er hat alles gewonnen, war bei zwei Europameisterschaften. Für ihn ist die Lage zwar bitter, aber verkraftbar. Er kann bald gerade laufen, Match-fit ist er nicht. David geht kein Risiko ein.

STANDARD: Was trauen Sie dem Team in Deutschland zu?

Janko: Auch in dieser Besetzung können sie die Vorrunde und ein oder zwei K.-o.-Runden überstehen. Der Titel, und da spreche ich gegen meine eigenen Träume, ist unrealistisch. Das wäre ein Sommermärchen, die gibt es nur alle heiligen Zeiten. Speziell mit diesen Ausfällen. (Christian Hackl, 8.5.2024)