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Normen, wo früher keine waren. Private Schönheitskliniken versprechen ihren Kundinnen Lustgewinn und "Scheidenverjüngung".

Foto: REUTERS/Luke MacGregor

Schöne Lippen, große Brüste, der perfekte Po? Die Schönheitschirurgie hört da schon längst nicht mehr auf. Inzwischen gehen Frauen immer radikalere Schritte und setzen sogar ihre Gesundheit aufs Spiel. "Intimchirurgie" heißt der neue Trend, der aus den USA nach Europa kam. Während ÄrztInnen von einem geringen Risiko sprechen und ihre Kassen füllen, warnen andere ExpertInnen vor gefährlichen Folgen.

"Reine Körperverletzung"

Die Liste an Möglichkeiten für Intim-OPs ist lang: neben der Schamlippenverkleinerung die Schamlippenvergrößerung, Absaugen des Fetts am Schamhügel, Reduzierung der Klitorisvorhaut, Verengung der Vagina oder Kollagenspritzen unter die G-Fläche, was zu einem Anschwellen der Fläche und damit zur Steigerung des sexuellen Lustempfindens führen soll.

"Das ist alles reine Körperverletzung", sagt Heidi Besas, Geschäftsführerin von Forward-Germany, der "Foundation for Women's Health, Research and Development". Als psychologische Beraterin beschäftigt sich Besas mit dem neuen Trend und gerät immer stärker in Rage, je länger sie über das Thema spricht. Verständnis hat sie für die Frauen, die sich derartigen Eingriffen unterziehen, nicht. "Da wird ein Schönheitsideal der modernen, kapitalistischen Welt suggeriert. Und man glaubt, Schönheit sei mit Geld und chirurgischen Eingriffen zu kaufen."

Luststeigernd für den Mann?

Der Verein Forward-Germany beschäftigt sich in erster Linie mit dem Thema Genitalverstümmelung. Geschäftsführerin Besas erkennt diese eigentlich religiös oder kulturell verankerten Riten ohne medizinische Gründe auch in den Schönheits-OPs - nur mit dem Unterschied, dass es Frauen in der westlichen Welt freiwillig machen. "Eine Genitalverstümmelung ist in dem Moment vorhanden, wenn etwas weggenommen wird - also auch, wenn die Labien verkleinert werden", erklärt Besas, die zudem bezweifelt, dass die Frauen dies wirklich für ihr eigenes Wohl machen lassen. "Ich vermute, dass es letztlich die Lust des Mannes steigert."

Zuwachsraten von 30 Prozent

ÄrztInnen, die die Eingriffe anbieten, sehen die OPs gelassen. Die Risiken seien gering, dauerhafte Folgeschäden seien nicht bekannt. Die Münchner Privatklinik Sensualmedics sieht sich als das europäische Kompetenzzentrum für plastische und wiederherstellende Chirurgie im weiblichen Intimbereich. Nach eigenen Angaben führt es in einem Jahr 600 intimchirurgische Eingriffe durch; die jährliche Zuwachsrate liege bei 30 Prozent. Zu den Risiken der OPs zählt die Klinik zwar unter anderem Wundheilungsstörungen und Entzündungen, Narbenbildungen und Sensibilitätsstörungen mit herabgesetzter sexueller Empfindlichkeit. Es könnte zu Schmerzen beim Gehen, Sitzen, Sport und beim Sex kommen. Dennoch spricht auch hier keiner von einem größeren Risiko. "Wird die Operation von einem erfahrenen Intimchirurgen durchgeführt, sind die Risiken relativ gering", sagt Kliniksprecher Bernhard Lunkenheimer. Offiziell darf jedoch sogar jede/r chirurgisch ausgebildete Arzt/Ärztin das Messer im Genitalbereich anlegen. Eine besondere Fortbildung wird nicht gefordert.

6.000 Euro für "Scheidenverjüngung"

Die Preise, die die Patientinnen für die Operationen bezahlen müssen, sind gesalzen: Die G-Flächen-Intensivierung ist bei der Münchner Privatklinik mit einem Preis ab 1000 Euro noch die günstigste Variante. Für eine Scheidenverjüngung durch Gewebe- und Muskelstraffung muss die Kundin dann schon über 6000 Euro locker machen. Und all das für ein hohes Gesundheitsrisiko: "Mir kann niemand erzählen, dass das ein risikoloser Eingriff ist", sagt Petra Bentz vom Feministischen Frauen-Gesundheitszentrum (FFGZ) in Berlin. "Die OP findet schließlich in einem unheimlich nervenreichen Gebiet statt."

Zudem kritisiert sie das Streben nach einem Schönheitsideal. "Viele denken, so ein Eingriff müsste sein", erklärt Bentz. Dabei gebe es eigentlich keine Norm im Intimbereich. "Keine Frau weiß, wie Frau in dem Bereich auszusehen hat. Es gibt so eine große Vielfalt - eine wahnsinnige Bandbreite, die die Natur ausgebreitet hat." Nach Bentz' Meinung wissen die meisten Frauen gar nicht, wie schön sie eigentlich sind. "Stattdessen haben sie das Gefühl, dass das, was sie da zwischen den Beinen haben, ekelig ist."

Besas von Forward-Germany argumentiert in die gleiche Richtung. Außerdem gibt sie zu bedenken: "Sexualität beginnt im Kopf. Und es kommt auch auf die Sensibilität des Partners an. Wenn man in der Beziehung nicht bereit bin, den eigenen Körper und den des Partners zu entdecken, bringt mir die beste G-Punkt-Aufspritzung nichts." (Nadine Michel, dieStandard.at, 4.2.2010)