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Marianne Hainisch
Geboren 1839 in Baden bei Wien Gestorben 1936 in Wien
Foto: Archiv

Der aussichtslosen finanziellen Situation ihrer Freundin ist es zu verdanken, dass die aus einer wohlhabenden Fabrikantinnenfamilie stammende Marianne Hainisch (geb. Perger) in ihrem politischen Bewusstsein aufgerüttelt worden ist. Denn für die Freundin, deren kranker Mann die Familie nicht ernähren konnte, war - obwohl sie mehrere Sprachen sprach - keine Erwerbsmöglichkeit zu finden: "Unsere Arbeiterinnen konnten sich und ihre Kinder ernähren (...) Warum konnten wir Bürgerlichen nichts erwerben? (...) Nun wurde mir plötzlich klar, dass bürgerliche Mädchen für den Erwerb vorbereitet werden müssten. Ich war tief ergriffen und wurde an diesem Tag zur Frauen-Vorkämpferin".

Initiatorin der gymnasialen Mädchenbildung

Sie verfasste eine Rede mit dem Titel "Zur Frage des Frauenunterrichts", die sie am 12. März 1870 bei der Generalversammlung des Wiener Frauenerwerbsvereins "bebend", wie sie später sagte, vortrug. Darin forderte sie die Errichtung von Mädchenklassen in einem Wiener Realgymnasium bzw. eines eigenen Mädchengymnasiums. Das Auditorium jubelte und Marianne Hainisch wurde zum Ehrenmitglied ernannt. Doch wie der Großteil der (männlichen) Bevölkerung waren die Entscheidungsträger davon überzeugt, dass Mädchen einen der "Fraueneigenart" angepassten Unterricht erhalten müssten. Da sich die meisten bekannten Professoren gegen die Zulassung der Frauen zum Studium aussprachen, waren sie auch gegen die Vorbedingung Gymnasium.

Leitfigur der Frauenbewegung

Hainisch ließ sich nicht entmutigen. Um die Einwände der Gegner zu widerlegen, hielt sie 1875 den Vortrag "Die Brotfrage der Frau". Das Weiterkämpfen von Hainisch führte zur Ausbreitung der Bewegung. Nach und nach wurden Frauenvereine gegründet, beispielsweise der 1888 von Maria Boßhardt gegründete "Verein für erweiterte Frauenbildung" und der von Auguste Fickert, Marie Lang und Rosa Mayreder geleitete "Allgemeine Frauenverein", mit denen Marianne Hainisch aufs Engste zusammenarbeitete. Erst 1892, also ganze 22 Jahre (!) nach dem ersten Antrag Marianne Hainischs, öffnete das erste Gymnasium für Mädchen in der Rahlgasse des sechsten Wiener Gemeindebezirkes seine Pforten.

Gründerin der Österreichischen Frauenpartei

Obwohl sie ihr wichtigstes Ziel, die Mädchenbildung voranzutreiben, erreicht hatte, kämpfte sie für die Rechte der Frauen, vor allem für das Stimmrecht, weiter. Noch im selben Jahr (1892) schloss sie die meisten Frauenvereine zum "Bund österreichischer Frauenvereine" zusammen. Bereits 90-jährig gründete sie im Dezember 1929 eine eigene Frauenpartei (ÖFP), die sich als "Friedenspartei" verstand. In den Grundsätzen werden die konservativen Werthaltungen der bürgerlichen Frauen sichtbar. Unter dem "Natur der Frau"-Konstrukt von "Mütterlichkeit", "Friedfertigkeit" und "Sittlichkeit" sollten Frauen als Friedensträgerinnen fungieren. Andererseits wurden auch progressive Forderungen - Streichung des Abtreibungsparagrafen 144, Reformierung des Eherechtes und Aufhebung des Zölibats für Lehrerinnen gestellt - die sich mit jenen der Sozialdemokratinnen deckten. Die ÖFP wurde im Zuge der Parteizwangsauflösungen von 1935 zum politisch unwirksamen Verein "Österreichische Frauenschaft" umgebildet.

Marianne Hainisch starb am 5. Mai 1936 in Wien. (dabu/dieStandard.at, 22.05.2008)