An die 100 TeilnehmerInnen zählte die erste Demonstration von VäterrechtlerInnen in Österreich.
Foto: diestandard.at/Freudenschuss
Matthias Loinig, Organisator der Demo am 4.4. klagt die Republik Österreich wegen "verzögertem Besuchsrechtsverfahren".
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"Wenn Väter wollen sollen, müssen sie auch können dürfen" - Griffige Slogans wie diese sollen die angebliche Benachteiligung von Vätern im Sorgerecht veranschaulichen.
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Gegendemo auf der anderen Straßenseite: Mit Lachsäcken machten sich Frauenaktivistinnen über die Forderungen der "Papa-Patriarchen" lustig.
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Sie sprechen von "Scheidungswaisen", ihre Webseiten heißen "trennungsopfer.at" oder "genderwahn.com" und ihr Groll richtet sich gegen Ex-Partnerinnen und Gerichte, deren Willkür sie sich hilflos ausgesetzt fühlen. Schauergeschichten über Mütter, die den Kontakt zum Vater verhindern, das Vater-Kind-Verhältnis via "Gehirnwäsche" zerstören und unleistbare Unterhaltsforderungen stellen reihen sich ein in die Anklage gegenüber dem österreichischen Familienrecht, das parteiisch im Sinne eines "Mutterrechts" umgewandelt worden sei: Nicht die von Frauen- und Familienministerium erwünschten "neuen Väter", sondern jene, die sich in Sorgerechtsfällen vom österreichischen Justizsystem benachteiligt fühlen, organisieren sich immer zahlreicher in einschlägigen Vereinen und Online-Foren, um rechtliche Informationen einzuholen oder einfach nur ihren Frust abzulassen. Einer dieser "entrechteten Väter" heißt Matthias Loinig und sein Ziel ist es, Recht im Fall eines verzögerten Besuchsrechtverfahrens gegen die Republik zu bekommen.

Als einer der Entschlossensten der in den letzten Jahren entstandenen "Väterrechtsbewegung" ist der Vater eines unehelichen Kindes auch Initiator einer Kundgebung, die vergangenen Freitag vor dem Wiener Parlament über die Bühne ging. Geschätzte 100 TeilnehmerInnen demonstrierten dort mit Unterstützung der FPÖ für Änderungen im Familienrecht, welche von Väter-Seite als besonders diskriminiert eingestuft werden. Gefordert werden u.a. Sanktionen bei Besuchsrechtsverletzungen durch den anderen Elternteil, die Einführung der Gemeinsamen Obsorge als gesetzlichen Grundtatbestand sowie die Straffung der Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren.

Antifeministische Tendenzen

Bekannt sind diese Ideen in einer breiteren Öffentlichkeit vor allem durch den FPÖ-Gleichstellungssprecher Karl-Heinz Klement, der sich mit seiner kürzlich gegründeten Plattform "www.trennungsopfer.at" zunehmend als Repräsentant der selbst ausgerufenen "Väterrechtsbewegung" geriert. Auch bei der Demo am Freitag konnte sich Klement über Beifall freuen mit seinen Aussagen über die "Furien im Richter-Talar", den "Radikalfeministen" in den Beratungsstellen wie überhaupt über den ganzen "Gender-Wahn", der dazu führen würde, dass Burschen und Männer - "im Gegensatz zu Tieren" - nicht mehr "artgerecht" leben dürften.

Von rechts und anti-feministisch weht also der Wind bei den Vätern, die bisher die größte Aufmerksamkeit für ihre Anliegen in den Medien bekommen haben. Nur was fordern die Väter, die mit Bannern wie "Wenn Väter wollen sollen, müssen sie auch können dürfen" auf die Straße gehen, wirklich? Britta Schönhart, Familienrechtsexpertin und Anwältin von Matthias Loinig, sieht getrennte Väter hauptsächlich im Bereich der Kontaktausübung mit dem Kind benachteiligt. Im Gespräch mit dieStandard.at erläutert sie: "Unsere Motivation richtet sich gegen die richterliche Willkür, die in diesem Bereich herrscht. Auch im Straßenverkehr oder Strafrecht, ja sogar bei Verletzung der Unterhaltspflicht gibt es klare Sanktionen, warum nicht auch für denjenigen Elternteil, der den Kontakt des Kindes zum anderen Elternteil verweigert?"
Angesprochen auf ihre Vortragstätigkeit bei einer FPÖ-Veranstaltung im Jänner 2008 betont Schönhart, dass sie genau wie ihr Mandant Matthias Loinig politisch "völlig unabhängig" agiert.

Als vorbildlich für eine gerechte Obsorgeregelung führt Schönhart das französische Modell an, wonach automatisch gemeinsame Obsorge für beide Elternteile unabhängig vom Familienstand besteht, wenn das Kind innerhalb eines Jahres vor Gericht anerkannt wird.

Besuchsrecht

Wenngleich VertreterInnen der Väterrechtsbewegung noch nie von einem Vater gehört haben wollen, der freiwillig auf seine Besuchsrechte verzichtet oder gar von sich aus den Kontakt zu den Kindern abgebrochen habe, betont die Österreichische Plattform für Alleinerziehende (ÖPA), dass sie in ihrer täglichen Arbeit genau das Gegenteil erfahren: "Frauen beklagen sich, dass Väter ihre Besuchsrechte nicht ausschöpfen, dass Kinder enttäuscht sind, weil sich der Vater zurückzieht", so die Vorsitzende Ingrid Piringer im Gespräch mit dieStandard.at .

Durch die Einführung der gemeinsamen Obsorge (siehe Hintergrund) sei die hohe Zahl an Kontaktabbrüchen von Seiten des getrennten Elternteils (ca. 40 Prozent der Kinder waren drei Jahre nach der Scheidung davon betroffen) eklatant vermindert worden, wie aus einer vom Justizministerium in Auftrag gegebenen Studie zumindest für die ersten Monate nach der Scheidung hervorgeht (siehe "Obsorge beider Elternteile" - Zusammenfassung der Evaluationsstudie von 2005). Zwar sei es bekannt, dass Mütter in Einzelfällen das Besuchsrecht missbrauchen, doch könne dieser Umstand keinesfalls die Mehrheit der Kontaktabbrüche erklären, betont Piringer.

Unterhalt

Der Streit um die Höhe des Unterhalts ist ebenfalls ein wesentliches Thema der Väterrechtler. Aus dem Zahlen von Unterhalten sollen auch Rechte entspringen lautet die Forderung, die auf dem Podium am Freitag dann auch gleich in die Frage mündete: "Warum zahlen, wenn ich keinen Kontakt zu meinem Kind haben kann?"

"Armutsfalle Alimente" lautet dann auch das Argument von Klement, der für seine Klientel eine Neuberechnung der Unterhaltszahlungen zur Entlastung der Vätereinkommen fordert. Auch Schönhart macht sich für eine "Rechnungslegung" beim Unterhalt stark, der Klarheit darüber schaffen soll, wofür die Alimente ausgegeben werden.

Die Schilderungen von Vätern, die sich von der gerichtlichen Verfolgung wegen unterlassener Unterhaltszahlungen "bis aufs Hemd ausgezogen" fühlen, deckt sich mit der Forderung des Familienrechtsexperten Günter Tews, der kritisiert, dass Unterhaltspflichtige von Rechts wegen bis auf 75 Prozent des Existenzminimums gepfändet werden können. Zwar hat sich Tews bereits im Vorfeld von der Demonstration distanziert und die Vereinahmung der Väterrechte durch die FPÖ kritisiert, doch auch er sieht mit seinem Verein "Dialog für Kinder" ähnliche Mängel wie die FPÖ: "Überlange Gutachtensdauern" in Sorgerechtsfällen und die "mangelnde Umsetzung von Entscheidungen im Besuchsrecht".

Zahlungsmoral der Väter

Das von der FPÖ gezeichnete Opferbild von Vätern, die sich gegen Unterhaltsforderungen und Exekutionen nicht erwähren können, kontrastiert sich allerdings durch einen Blick in die Familienstatistik und Erhebungen des Justizministeriums, wonach im Jahr 2006 ganze 20,4 Prozent der 219.400 Kinder von Alleinerziehenden BezieherInnen des staatlichen Unterhaltsvorschusses waren. Dieser wird an jene Alleinerziehenden ausbezahlt, bei denen sich der Staat erwartet, die vorgestreckten Unterhaltszahlungen in der Zukunft einfordern zu können. Die Zahl beinhaltet also nicht einmal jene Fälle, an die weder Alimente noch Unterhaltsvorschuss entrichtet werden. Letztere belaufen sich laut einer Umfrage der ÖPA auf weitere 17 Prozent. Solche Zahlen sind mit ein Grund, warum die Interessensgemeinschaft die Plattform "Recht des Kindes auf Unterhalt" gemeinsam mit anderen Kinder- und Frauenorganisationen ins Leben gerufen hat.

Im Justizministerium hält man sich vorerst bedeckt gegenüber den Forderungen der Väterrechtler. Die Familienrechtsabteilung spricht sich zwar gegen höhere Strafen im Besuchsrecht aus, weil sie nicht im Sinne des Kindeswohl seien, doch müsse man auch zugeben, dass im österreichischen Familienrecht die oder derjenige, bei der/dem das Kind ist, "etwas von dessen Schutz abbekommt."

Konservatives Familienbild

Was das Engagement von Väterrechtlern für kritische Stimmen suspekt erscheinen lässt, ist nicht zuletzt die weltanschauliche Einbettung dieser Forderungen. Auf trennungsopfer.at macht sich Klement gegen eine "Scheidungsindustrie" und die "Entmachtung der Familien" sowie der "Mütter" im gesellschaftlichen Kontext stark. Es wird ein Bild gezeichnet von einer urtümlichen, also biologisch bestimmten Geschlechteridentität, die Jungen wie Mädchen in Familien weitervermittelt werden soll. Selbstredend, dass weder alternative Familienformen noch die Elternschaft von homosexuellen Paaren ein Thema sind.

Anregungen, wie die neue Väterrechtsbewegung eingeordnet werden kann, liefert auch die Soziologie. Die Männlichkeitsforschung unterscheidet bei Männerbewegungen zwischen fortschrittlichen Ansätzen, die Männer auch immer im Kontext patriarchaler Strukturen beschreiben, und revanchistischen Strängen, die am ehesten dadurch gekennzeichnet werden können, dass sie die herrschende Geschlechterungleichheit ignorieren bzw. eine Umkehrung der Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern postulieren. Bei der Bewegung, die sich vergangenen Freitag erstmals öffentlich in einer Demonstration manifestierte, handele es sich eindeutig um zweitere, wie der Männlichkeitsforscher Paul Scheibelhofer im Gespräch mit dieStandard.at betont. "Was hier behauptet und gefordert wird, entspringt ganz klar einer konservativ-patriarchalen Agenda."

Eine progressive Väterbewegung würde es hingegen schaffen, ihre Interessen patriarchatskritisch zu reflektieren, so Scheibelhofer. Für diese gelte, "die Referenzrahmen der bürgerlich-heterosexuellen Familie als Normvorstellung zu überwinden", was schließlich zu einer breiten Diskussion über unterschiedliche Familienformen und den damit einhergehenden Verantwortlichkeiten für alle Beteiligten führen könne.

Letzteres dürfte die Politik im Zuge der Diskussion um eine "aktive Vaterschaft" sicherlich noch länger beschäftigen. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 6.4.2008)