Univ. Prof. Dr. Astrid Deixler-Hübner: Nichteheliche Lebensgemeinschaften werden zum Problem, wenn Kinder daraus hervorgehen.  Frauen, auf denen nach wie vor die Hauptverantwortung der Kindererziehung lastet, kann sie diese Lebensform aus rechtlicher Sicht nicht empfehlen.

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Viel Getöse gab es um die Novelle des Familienrechts, das die ehemaligen Regierungsparteien SPÖ und ÖVP noch diesen Sommer im Ministerrat beschließen wollten. Ausnahmsweise schienen sich die großen Verhandlungsparteien halbwegs einig, doch nun kommen die Neuwahlen dazwischen: Ob das Paket zur gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft, den Änderungen im Ehegüterrecht, den Patchwork-Familien und dem Unterhaltsvorschuss doch noch im Sommerministerrat im August beschlossen wird, bleibt fraglich. Familienrechtsexpertin Astrid Deixler-Hübner sieht mit der Novelle vor allem die Chance auf eine Angleichung von unehelichen Partnerschaftsregelungen an "neue Lebenswirklichkeiten" vertan.

Homosexuelle Partnerschaft

Den größten Einschnitt hätte das Gesetz für gleichgeschlechtliche Paar bedeutet: Ihre Forderung nach einer Gleichstellung mit dem heterosexuellen Eherecht würde nun endlich - in den meisten anderen EU-Ländern gibt es längst entsprechende Regelungen - stattgegeben: Das "Lebenspartnerschaftsgesetz", das zukünftig nur homosexuellen Paaren zur Verfügung stehen sollte, hat fast alle Teile des Eherechts übernommen, was zahlreiche Anpassungen in Nebengesetzen nötig macht. Große Ausnahme stellen die Bestimmungen zu Kindern dar: Die Adoption eines Kindes durch die LebenspartnerInnen (Fremdkindadoption) wäre ebenso unzulässig gewesen wie die Adoption von Kindern der/des LebenspartnerIn.

Mit dieser Regelung im Kinderbereich befindet sich Österreich im großen Mittelfeld der EU-Mitgliedsländer: Nur in den Niederlanden, Belgien, Schweden, Großbritannien und Spanien herrschen auch im Adoptionsrecht und bei der Frage des gemeinsamen Sorgerechts für Kinder einer/s PartnerIn annähernd gleiche Rechte und Pflichten wie in der Ehe.

Einschnitte, wenngleich kleinere, hätte das Familienrechtspaket aber auch für klassische Eheleute gebracht. Vorgesehen sind zukünftig verpflichtende Beratungen bei Scheidung, um vor allem den ökonomisch schwächeren Teil, in der Regel Frauen, vor unvorteilhaften Vereinbarungen zu bewahren.

Patchwork-Familien

Für Patchwork-Familien sieht die Novelle im Gegensatz zu den Ankündigungen der Parteien nur kleine Änderungen vor, etwa was die "Beistandsverpflichtung" betrifft, also die Pflicht des/der neuen EhepartnerIn (und der/des LebenspartnerIn), den Kindern der neuen PartnerIn beizustehen, sowie eine rechtliche Vertretungsbefugnis in Bereichen des täglichen Lebens (medizinische Behandlung, schulische Fragen).

Nicht neu bewertet wurde die rechtliche Situation von Eltern unehelicher Kinder, die allerdings einen Großteil der sogenannten "Patchworkfamilien" ausmachen. Das gemeinsame Obsorgerecht wird es auch in Zukunft nur auf Antrag der Eltern geben.

Astrid Deixler-Hübner, Professorin für Familienrecht an der Universität Linz, kritisiert an der Novelle, dass kaum auf die wachsende Lebensrealität von unverheirateten Paaren eingegangen worden sei. Für diese Bevölkerungsgruppe, die im Gegensatz zu den Ehewilligen im Steigen ist, gäbe es weiterhin keine Legaldefinition oder einen gesetzlichen Rahmen, der diesen Namen verdient.

Unterhaltsanspruch für unverheiratete Elternteile

Aus Sicht von unverheirateten Paaren mit Kindern seien im Trennungsfall gesetzliche Regelungen zum Unterhaltsanspruch des/der haushaltsführenden LebenspartnerIn und auch für gegenseitige Erbansprüche dringend nötig, so die juristische Expertin. In Deutschland haben unverheiratete Mütter etwa Anspruch auf Betreuungsunterhalt vom Kindsvater vier Monate vor und bis drei Jahre nach der Geburt des Kindes. Im Fall des Ablebens des/der PartnerIn sollten LebensgefährtInnen außerdem das Wohnrecht an der gemeinsam benützten Wohnung zugesprochen bekommen. Diskriminierung besteht außerdem in der Haftungsentlassung bei gemeinsam aufgenommenen Krediten nach der Trennung.

In dem vorliegenden Entwurf sollte lediglich der Angehörigenbegriff in einzelnen Bestimmungen, wie etwa im Exekutions-, Urheber, Privatstiftungs- oder Anfechtungsrecht - für LebensgefährtInnen erweitert werden. Weiterhin würde eine legale Definition der "nichtehelichen Lebensgemeinschaft" fehlen.

Allerdings steht Deixler-Hübner, die am Dienstag die Neuauflage ihres Fachbuches "Scheidung, Ehe und Lebensgemeinschaft" in Wien präsentierte, nicht für eine "Ehe-Light" ein. Ein "eigenes Rechtsinstitut" für Unverheiratete stelle demnach eine "Zwangsbeglückung durch die Hintertür" dar. Unverheirateten Paaren rate sie weiterhin zu einem Partnerschaftsvertrag, um im Fall einer Trennung möglichen Streitigkeiten über Unterhalt, Miteigentum, Wohnrecht oder die Abgeltung von verschiedenen Tätigkeiten zu entgehen.

Auch die verbindliche Beratung von Scheidungswilligen steht Deixler-Hübner skeptisch gegenüber. Zwar sei auf jeden Fall Aufmerksamkeit bei Scheidungsverfahren geboten, doch: "Ich bezweifle die Durchführbarkeit und auch die Qualität einer verpflichtenden Beratung", so die Expertin gegenüber dieStandard.at.

Bleibt abzuwarten, ob sich die Regierung doch noch auf eine Beschlussfassung im Sommerministerrat einigt. Im Justizministerium hat man zumindest für das Familienrechtspaket noch nicht jegliche Hoffnung aufgegeben. (freu, dieStandard.at, 23.7.2008)