Liebesleid, Trennungsschmerz, Sehnsucht: Martha Gellhorn, als Journalistin bekannt, als Autorin noch zu entdecken.

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Es scheint der Fluch Martha Gellhorns zu sein, dass ihr fast 90 Jahre währendes Leben ein Mensch überschattet, mit dem sie gerade einmal vier Jahre - und diese nicht einmal am Stück - verheiratet war. Ernest Hemingway hatte sie 1936 in einer Bar auf Key West kennengelernt. Ein Jahr später gingen sie beide - getrennt - nach Spanien. Als Hemingway 1940 geschieden wurde, heirateten sie postwendend. Die Hochzeitsreise führte sie - getrennt - nach China. Vier Jahre später war die Ehe der scharfzüngigen, intelligenten, witzigen, viele in Bann schlagenden, grazilen Schönheit und Reporterin mit dem Autor und vitalistischen Macho am Ende. Hemingway hatte der unentwegt herumreisenden und von den europäischen Kriegsfronten berichtenden Gellhorn ein knappes Telegramm gesandt, das nur die Frage enthielt: "Bist Du eine Kriegsberichterstatterin oder meine Frau im Bett?" Die sie verletzende Trennungswunde verheilte wohl ihr ganzes Leben nicht.

Es scheint der zweite Fluch Martha Gellhorns zu sein, dass die einen in ihr nur die so brillante wie mutige Kriegsreporterin sahen, das "desaster girl", das für manchen Text vom Magazin Collier's fürstliche Honorare erhielt, welche ihr ermöglichten, monatelang zu recherchieren und unterwegs zu sein. Und dass andere ausschließlich die einfühlsame Autorin von fünf Romanen, vierzehn Novellen und zwei Bänden mit Kurzgeschichten wahrnahmen, die in ihrer melancholischen Tonlage und der Schilderung von Liebesunglück, Liebesverheerung und Liebesunfähigkeit so gar nicht zur energischen Journalistin passen wollten.

1930 hatte sich die am 8. November 1908 geborene Martha Gellhorn nach Paris aufgemacht. Ihr gesamtes Gepäck passte in einen Koffer, ihre Barschaft bestand aus exakt 75 US-Dollar. Ihr Ziel: Auslandskorrespondentin. Und das wollte sie "in ein paar Wochen" werden. Was folgte, waren 58 Jahre Schreiben. Sie berichtete 1931 von einem Lynchmord aus dem US-Bundesstaat Mississippi und später vom Fall der Tschechoslowakei. In den folgenden Jahrzehnten schrieb sie über Kriegswaisen in Italien und die Befreiung des KZ Dachau, über die antikommunistische Geisterjagd Joseph McCarthys in den USA und den Staat Israel, über den Eichmann-Prozess und den Vietnamkrieg, sie verfasste Reportagen über den Tod Francos 1976 und den Bürgerkrieg in El Salvador 1984. Ihr Stil war scharf, ihre Meinungen waren zumeist unerbittlich und ihre Einschätzungen häufig treffend. Erst beim Krieg im zerfallenden Jugoslawien winkte sie aus Altersgründen ab. Am 15. Februar 1998 setzte die schwer kranke, fast gänzlich erblindete Martha Gellhorn in London ihrem Leben ein Ende.

Literarisches Werk

Ihr Leben prägten nicht nur ihre journalistischen Arbeiten, sondern auch zahlreiche Freundschaften, Liebesaffären, eine zweite, sie schnell langweilende Ehe im London der 1950er-Jahre, ein freiwilliges Exil in Afrika und schließlich in den Siebzigerjahren eine erneut einsetzende hohe Wertschätzung durch eine jüngere Generation von AutorInnen, ReporterInnen und Zeitschriftenherausgebern. Und immer wieder erneut Leid: Liebesleid, Trennungsschmerz, Sehnsucht, Enttäuschung, Schwäche, Zurückweisung. Diese Bandbreite an Emotionen findet sich vor allem in den zwei herausragenden, ergreifenden Erzählungen "In Gesundheit und Krankheit" und "Bis der Tod uns scheide", ihrem literarischen Denkmal für den engen Freund und Kriegsfotografen Robert Capa, der im Koreakrieg umkam.

Schärfe und Ironie, Spott und Bitterkeit, ja grelle Karikaturen und ätzenden Hohn enthalten die drei "munteren Geschichten". Es verwundert nicht, dass dieser Band 1965 sehr gemischt aufgenommen wurde. Geht doch keine Erzählung gut aus. Und ist doch Gellhorn an keiner Stelle bereit, moralischem Rigorismus zugunsten literarischer Sentimentalität abzuschwören. Ein Schulrektor ruiniert durch eine unsittliche Affäre im sittlichen England der 50er-Jahre seine Karriere und endet kompromittiert und als Trinker in Ghana. Ein ehrgeiziger sozialer Aufsteiger, der exakt sein Leben plant und kontrolliert, gerät an eine Betrügerin, die ihn finanziell hintergeht, emotional aussaugt und einen Scherbenhaufen an Lügen hinterlässt. Und in der dramaturgisch etwas ausfransenden Schlusserzählung bricht Mrs. Hapgood, deren Mann sie jahrzehntelang betrog, auf ins Freie, findet sich zum Leben befreit durch eine eigene Affäre, fühlt sich später davon erstickt und flieht weiter zu neuen Ufern.

Die psychischen Schwächen sind auf alle Charaktere verteilt. Die Bitternis auch. Und die anthropologische Erkenntnis, dass Leben nicht nur darin besteht zu leben, sondern auch zu leiden. Jenseits jeder Konventionen. Manchmal auch wegen der Konventionen. (Alexander Kluy, DER STANDARD, Album, 16./17.8.2008)