Monique Justl: "Das soziale Geschlecht soll als Kriterium für die volle rechtliche Anerkennung von Transpersonen gelten."

Foto: Monique dumont ® Lifestyle OG/Michael

Sie fordert damit auch eine Ausweitung der persönlichen Freiheiten für alle StaatsbürgerInnen.

Monique Justl kämpft dagegen, dass erwachsene Personen ihren Namen nicht selbst aussuchen dürfen. So banal dies klingt, so groß sind die Hürden, die einem solchen Vorhaben in Österreich im Weg stehen: Sie ist als Mann geboren und bekennt sich zu ihrer "Trans-Identität", also dem Bedürfnis, sich der gegengeschlechtlichen Identität – in ihrem Fall einer Frau – anzugleichen. Den Kampf mit den Behörden hat sie bisher erfolglos geführt. Grund der verneinenden Haltung in der Verwaltung: Monique Justl fehlt die "geschlechtsanpassende Operation", die die Verwaltungsbehörden aufgrund eines Erlasses des Innenministeriums zur Anerkennung als Frau verlangen. Als Frau mit einem "kleinen Geheimnis" steht es ihr nicht zu, einen weiblichen ersten Vornamen zu führen, so der ideologische Hintergrund. So heißt sie offiziell immer noch Toni Monique Justl.

Aus diesem Grund hat die Juristin nun zwei Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof vorgelegt: Eine in Bezug auf das Namensrecht und die andere bezüglich des Geburtenbucheintrags. Im Gespräch mit dieStandard.at äußert sich die Angestellte des Verteidigungsministeriums fest davon überzeugt, dass sie Recht bekommt, denn die Regelungen entsprechen nicht der internationalen Klassifikation von Transsexualismus und sie sind außerdem verfassungswidrig, so die ehemalige Berufsoffizierin. Zeit, sich die rechtliche und soziale Situation von Transsexuellen in Österreich genauer anzusehen.

Definition und Regelung

Transsexualität wird international als Krankheit definiert (ICD 10 F64.0), wobei Schätzungen zufolge bis zu einem Prozent der Gesamtbevölkerung an einer solchen "Persönlichkeitsstörung" leidet. Neben der Bezeichnung "Transsexualismus" ist den meisten Transpersonen oder Transidenten auch die Kategorisierung ihrer Bedürfnisse als Krankheit ein Dorn im Auge: "Die Klassifikation ist krank, aber nicht die Person, die zum Gegengeschlecht tendiert", so Justl. Betroffene in Österreich müssen ein streng definiertes medizinisches und psychotherapeutisches Programm befolgen, wenn sie einen Wechsel ins Gegengeschlecht anstreben. Vor dem letzten Schritt, der Operation, gilt es einen Alltagstest zu bestehen, in dem der/die Betroffene bereits ein bis zwei Jahre im Wunschgeschlecht lebt – wohlgemerkt ohne Namensänderung. Zur vollständigen Anerkennung braucht es dann noch die geschlechtsanpassende Operation, die gleichzeitig auch die Voraussetzung für die Personenstands- und Namensänderungen ist.

"Verstümmelung"

In diesen Operationen werden bei Frau zu Mann Transpersonen Gebärmutter und Eileiter entfernt, die Formung eines Penoids ist jedoch nicht unbedingt gefordert. Bei Mann zu Frau Transpersonen wird hingegen die Entfernung des Penis, der Hoden und der Samenleiter sowie das Einsetzen einer Neovagina gefordert. Abgesehen von der Ungleichbehandlung bei den unterschiedlichen Operationen sind es die "verstümmelnden" Aspekte dieser OPs, die Justl kritisiert: "Der Eingriff ist brutal und hat höchstes Komplikationspotential. Oftmals kommt es dabei zur Verkürzung der Harnwege, und dann bleibt fraglich, wie es um die Orgasmusfähigkeit bestellt ist." Hinzu kommt die Sterilisation, die die OP bewirkt. Doch diese Eingriffe müssten nicht sein, wenn es politisch erlaubt wäre, auch mit den primären Geschlechtsorganen des Gegengeschlechts als Frau oder als Mann rechtlich anerkannt zu werden.

Erster Erlass bereits aufgehoben

Bizarrer Hintergrund von Justls Beschwerde ist, dass bereits 2006 erfolgreich Beschwerde gegen den "Transsexuellen-Erlass" beim Verfassungsgerichtshof geführt wurde. Das Gericht entschied damals, dass der Erlass, der ebenso den Zwang zur OP vorschrieb, u.a. wegen Formfehlern aufgehoben werden müsse, schließlich handelte es sich bei dem verwaltungsinternen "Erlass" in Wirklichkeit um eine Verordnung. Der Unterschied besteht darin, dass eine Verordnung alle BürgerInnen betrifft und deshalb auch "gehörig kundgemacht werden muss", wie das Gesetz vorschreibt. Wenige Monate nach Aufhebung des Erlasses verabschiedete der damalige Innenminister Günther Platter im Jänner 2007 jedoch wieder einen Erlass, der den Behörden erneut vorschreibt, eine Geburtenbuchänderung nur dann durchzuführen, wenn von den Betroffenen geschlechtsanpassende Operationen nachgewiesen werden können. Ganz offensichtlich war es also der politische Wille der damals Verantwortlichen, Transpersonen stark einschränkende Grenzen aufzuerlegen, wohl wissend, dass das eigene Handeln nicht verfassungskonform ist.

Nicht vereinbar mit Klassifikation

Nicht nur aufgrund der bereits einmal erfolgreichen Beschwerde ist Justl wegen ihrer Unternehmung vor Gericht zuversichtlich. Mit ihrer Beschwerde will sie auch aufzeigen, dass die Verwaltungspraxis nicht der internationalen Definition zu Transsexualität entspricht: "Darin wird zwar festgehalten, dass Transsexuelle 'in der Regel' auch körperanpassende Maßnahmen zur Erreichung ihres Ziels anwenden, aber es ist erstens nicht von einer Operation die Rede und zweitens wird sie als freie Entscheidung definiert." Vor allem letzteres ist der Aktivistin ein großes Anliegen: "Ich spreche mich natürlich nicht grundsätzlich gegen die Operation aus, denn für viele Betroffene ist die anpassende OP tatsächlich eine Erlösung. Wogegen ich mich aber wehre, ist der OP-Zwang für Transidente, wenn sie in ihrer neuen Identität volle rechtliche Anerkennung anstreben."

Anhand der Regelung für Transsexuelle wird deutlich, wie biologistisch in diesem Bereich Geschlecht definiert wird. Doch wie Justl betont, macht auch eine geschlechtsanpassende Operation aus ihr noch lange keine "biologische Frau": "Es fehlen weiterhin Gebärmutter, Uterus, Keimdrüsen. Insofern ist es auch ein Mythos von Geschlechtsumwandlung zu sprechen – die gibt es ganz einfach nicht." Wofür Justl kämpft ist die Anerkennung des "sozialen Geschlechts" als ausschlaggebendes Kriterium für den Geburtenbuchvermerk. Eine Annäherung an das soziale Geschlecht könne weiterhin durch psychotherapeutische Befunde nachgewiesen werden, betont Justl – auch zum Schutz der Betroffenen selbst.

Namen mit Geschlecht

Wo sie jedoch jegliche Regulierung ablehnt, ist der Bereich des Namensrechts. Hier ist derzeit vorgeschrieben, dass Vornamen nur nach Geschlechtszugehörigkeit (welche wiederum im Geburtenbuch vermerkt ist) vergeben werden können. Die Argumentation von Justls Beschwerde lautet hier, dass die Zuordnung von Vornamen nach Geschlecht zeitlichen und örtlichen Gepflogenheiten unterworfen ist, und deshalb keine eindeutige Verbindung zwischen Namen und Geschlecht behauptet werden kann: "Der Name Andrea ist im deutschsprachigen Raum weiblich besetzt, im Italienischen männlich. Welches Geschlecht hat der Name also?" Mit ihrer Beschwerde will sie erreichen, dass alle Individuen ihre Namen ohne Einschränkung selbst wählen können und dass darüber hinaus die Änderung des Vornamens nicht nur einmal in zehn Jahren erlaubt ist.

Justl will ihre rechtlichen Anliegen, die etwa auch von der Interessensgemeinschaft für Transpersonen "transX" geteilt werden, in einem größeren politischen Kontext verstanden wissen. Tatsächlich würde es viele unüberprüfte Annahmen über Transpersonen und deren Bedürfnisse geben. Dazu gehört auch der Wunsch nach einer Operation. Laut Justl, die auch als Lebens- und Sozialberaterin vor allem für transidente Personen tätig ist, leben etwa 50 Prozent der Betroffenen ohne Operation. Der Drang mancher Transpersonen zur OP resultiert für sie auch aus dem starken gesellschaftlichen Druck, dem Betroffene ausgesetzt sind. Eine Operation markiert in diesem Kontext den Zeitpunkt, an dem Betroffene eindeutig entweder dem einen oder dem anderen Geschlecht zugeordnet werden. Diese eindeutige Zuordnung würde aber vor allem von der Gesellschaft und vorläufig auch noch von der Politik verlangt.

Trans-Avantgarde

In ihrer beraterischen Tätigkeit versucht Justl Betroffene auf einer individuellen Ebene zu stärken. Vor allem die oftmals stark vorhandene "Fremdbild-Abhängigkeit" bei Transpersonen sieht sie als Hindernis für Betroffene an, in einer transphoben Gesellschaft zu bestehen. Transpersonen sind der Gesellschaft suspekt, weil sie die herrschende Geschlechterordnung in Frage stellen. Justl dazu: "Wenn sich gemäß der Bundesverfassung Bund, Länder und Gemeinden zur Gleichstellung von Mann und Frau bekennen, wovor hat man dann solche Angst, eine Frau mit Penis oder einen Mann ohne einen solchen zu akzeptieren?" In ihrer therapeutischen wie auch aktivistischen Tätigkeit geht sie von dieser Gleichheitsperspektive aus. Und sie geht konform mit dem deutschen Psychotherapeuten Udo Rauchfleisch, für den transidente Personen auch "eine Avantgarde für freiere individuellere Lebensgestaltung" sind. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 8.12.2008)