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Eine Frau auf der Messe "Beauty World" in Frankfurt/Main.

"Zu keiner Zeit ist der Körper in seinem natürlichen Zustand belassen worden", postulierte der Philosoph Konrad Paul Liessmann in seinem Festvortrag "Über die Formbarkeit des Menschen" beim Kongress "Der gemachte Körper" im Wiener Rathaus. In einem Streifzug durch die Geschichte führte er aus, dass der Körper von jeher "Träger sozialer, erotischer und ästhetischer Botschaften" gewesen ist: "er wurde geschmückt und mit Ornamenten versehen, geformt, trainiert und verändert, verhüllt und enthüllt, in Szene gesetzt, dann wieder verborgen und nicht zuletzt operativen Eingriffen ausgesetzt".

Und obwohl die Vorstellungen der Körperformung nach Kultur und Epoche sehr variieren, würden sie nicht nur über ästhetische Normen Auskunft geben, sondern mehr noch über soziale Differenzen, Geschlechterordnungen und die Regeln des Begehrens. Übermittelt werde diese Normvorstellung vom idealen Körper heute naturgemäß durch die moderne allerorts anzutreffende Bebilderung. War der Mensch des Mittelalters in seiner bildlichen Vorstellung noch auf den eigenen Umkreis seiner Mitmenschen und Kunstwerke, auf denen auch Hässliche und Durchschnittliche dargestellt sind, begrenzt, findet er sich heute mit einer Bilderflut des "perfekten Körpers" konfrontiert, nach der er /sie sich selbst nicht anders als "defizitär" empfinden könne.

Der "Schönheit", so Liessmann, werde mehr denn je - beziehungs- arbeits- und markttechnisch - der höchste Stellenwert zuerkannt. Damit wirke die platonische Gleichung, wonach das Schöne auch das Gute sei, leider ungebrochen.

Möglichkeiten der Prävention

Was kann also getan werden, um der steigenden und gesellschaftlich konstruierten Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper Einhalt zu gebieten - oder noch besser - sie erst gar nicht entstehen zu lassen? Auf der Suche nach Möglichkeiten der Prävention waren sich die Vortragenden beim Kongress einig, dass die gesellschaftlichen Wertigkeiten geändert werden müssen. Eine Verlagerung von Außen nach Innen, weg von der Oberflächlichkeit der optischen Erscheinung hin zum Wohlfühlen und zur Gesundheit.

Greta Noordenbos drückte es in ihrem Vortrag "The construction of Thinness Mania: How to prevent the negative Consequences?" folgenderweise aus: "Es muss wichtiger werden, welche Gefühle wir haben als wie wir aussehen". Zuallererst müssten die kulturellen Körperideale auf ein realistisches Maß geändert werden, der gesellschaftliche Druck, abzunehmen, reduziert und gesund aussehende Models aller Altersklassen und aller Ethnien eingesetzt werden. Besonders den Mädchen sollte schon früh ein natürlicher Umgang mit Nahrung, Gewicht und Bewegung beigebracht werden. Außerdem sollte ihnen gesagt werden, dass die Model-Bilder fototechnisch verfälscht sind und auch Models von Natur aus nie so toll aussehen.

Die niederländische Essstörungsexpertin will außerdem Präventionsprogramme an Schulen entwickeln. Gemeinsam mit den Eltern sollen Diskussionen über die Wirkung von Modemagazinen, gesunde Mahlzeiten, genug Bewegung und ein positives Selbstbild geführt werden.

Konstruktion und Dekonstruktion

"Das Körperbild ist konstruiert" und das sollte allen bewusst gemacht werden, meinte Linda Smolak. Es entstehe immer im Kontext von Medien, Eltern und FreundInnen. Daher sei die positive Botschaft - "sei stolz auf deinen Körper" - bereits in jungen Jahren wichtig. Zur Prävention sei es unerlässlich, dass Schule, Familie und die Vermittlung feministischer Grundsätze zusammen wirken.

Susie Orbach, ebenso der Meinung, das gesellschaftliche Körperideal dringend dekonstruieren zu müssen und realistischer anzugehen, schließt bei präventiven Optionen auch gerichtliche Schritte gegen die Schönheitsindustrien nicht aus. Doch auch relativ harmlose Parameter wie der Body-Mass-Index, der in den vergangenen Jahren mehr und mehr reduziert worden sei, so dass ein BMI über 30 heute als Signum für Fettleibigkeit gelte - "übrigens hat George Cloony einen solchen Wert und man sieht es ihm nicht an", so Orbach - müssten geändert werden. Maßgeblich sei jedoch, die Mütter soweit zu sensibilisieren, damit sie ihre oft übertriebenen Ideale nicht an die Töchter weiter leiten. Ihnen müsse auch eindrücklich vermittelt werden, wie gefährlich Essstörungen und Schönheits-OPs sind und dass man/frau daran sterben kann.

Sterben - und nicht "unsterblich" werden, wie dies der moderne Mythos von ewiger Jugend und Schönheit zu suggerieren sucht. Es ist ernster, als wir denken. (dabu/dieStandard.at, 17.12.2008)