Virginie Despentes: "Man muss sich mal klarmachen, was eine Frau sich alles anhören muss, sobald sie nur ein kleines bisschen den Mund aufmacht."

Bild: Cover "King Kong Theorie"

"Ich schreibe aus der Ecke der Hässlichen" beginnt Virginie Despentes ihr aktuelles Buch "King Kong Theorie". Die "Ecke" aus der Despentes schreibt, ist aber auch die der Sexarbeiterin, der Vergewaltigten, der Feministin, der Schriftstellerin, der Arbeiterin, der Regisseurin und vor allem die der wütenden Frauen. Vor einem autobiographischen Hintergrund behandelt sie in ihren feministischen Essays Vergewaltigung, Sexarbeit, "Schönsein" oder was es heißt, es nicht zu sein, Geld und Sexualität. Den roten Faden für diese Themen liefert Despentes Leben: Mit siebzehn von drei Männern vergewaltigt, worüber sie lange schwieg. Ihr Leben als Sexarbeiterin und schließlich als "Skandalautorin" und öffentliche Person. Ihr Debütroman "Baise-moi - Fick mich" (1994) wurde 2000 verfilmt. Despentes selbst führte Regie bei dem Film, der in Österreich im Programmkino lief und in Frankreich nur im Pornokino gezeigt werden durfte. Begleitet von expliziter Sprache und Sexszenen morden sich darin die Hauptfiguren Manu und Nadin sexhungrig, kaltblütig und grausam durch den Film.

Nicht lange abwägen

Auch in ihrem Buch "King Kong Theorie" hält sich Despentes nicht damit auf, Begriffe abzuwägen und Vorsicht bei Themen wie Vergewaltigung oder Sexarbeit walten zu lassen. In einem Interview mit Tim Stüttgen meinte Despentes, sie wollte eine Sprache finden, die direkt ansprechen soll. Beim Lesen der Essays erscheint es aber schier unmöglich, dass es überhaupt eine andere Sprache für Despentes "King Kong Theorie" geben kann. Die feministischen Anliegen Despentes sind zwar nicht neu, die Geschichten, mit denen sie aber den Status quo beschreibt, machen eine derart sauer, dass sich auch ihre schnörkellose Sprache ("keine Leuchte", "dumme Nuss") genau als die Richtige erweist. So berichtet "King Kong Theorie" etwa von einer Journalistin, die ein Buch über eine Vergewaltigung wegen ihrer "würdevollen Wortwahl" lobt. Die Journalistin wollte damit einen Vergleich mit Despentes lauter, gewalttätiger filmischer Abrechnung in "Baise-moi" ziehen. "Ich komme als Opfer eben nicht unauffällig genug rüber", so Despentes Reaktion auf die Anspielung  der Journalistin, wie frau als Opfer sein sollte.

"Mehr Frau sein"

So unerschrocken Virginie Despentes meist daherkam, in ihren Essays erfahren wir, dass selbst sie irgendwann mehr "wie eine Frau sein wollte". Für Despentes bedeutet das: "Ein Kind haben wollen. Alles so wie die anderen machen. Nach dem Filmskandal. Etwas mehr in den Kulissen verschwinden. Erst einmal abwarten. Zu trinken aufhören." Oder: "Nicht mit jedem x-Beliebigen in die Kiste steigen. Meinem Nebenmann den Arm um die Schulter legen, Lärm machen, zu laut lachen." All das, was sie auch "Zwangsmaskeraden" nennt. Maskeraden, denen sie auch Männer ausgesetzt sieht, Mitleid gibt es aber dennoch keines: "Jeder dahergelaufene Schwachkopf, vor lauter Alkohol rot angelaufen, glatzköpfig, Fettwanst und ungepflegtes Äußeres, darf sich über das Aussehen von Frauen alle möglichen Bemerkungen herausnehmen, äußerst unangenehme Bemerkungen, wenn er sie nicht sexy genug findet, oder völlig widerliche Bemerkungen, sofern er unzufrieden ist, weil er sie nicht in die Kiste kriegt."

Um ihre Essays auch theoretisch zu verorten, leitet sie sie mit kurzen Textabschnitten berühmter Feministinnen ein: Simone de Beauvoir, Annie Sprinkle, Angela Davis oder Virginia Woolf. Den Rat von Woolf nahm sich Despentes besonders zu Herzen: "Die oberste Pflicht einer Schriftstellerin ist es, die Hausmütterchenseele in ihr zu töten." (beaha, dieStandard.at, 24.2.2009)