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Ob die legendären BH-Verbrennungsaktionen in den 60er und 70er Jahren tatsächlich stattgefunden haben oder eine Erfindung der Presse war, um Feministinnen eine Breitseite zu verpassen, ist nicht geklärt. Ein Teil unserer Redaktion findet allerdings, wir sollten uns daran ein Beispiel nehmen, zumindest was das Hinterfragen von körperlicher Selbstbestimmung heute angeht. Ein anderer meint dagegen, dass BHs zwar spießig, aber mitunter tragender Bestandteil dieses Selbstbewusstseins sein können.

Foto: Archiv

+++ Pro

Büstenhalter sind alltagstauglich, mehr noch als frei schwingende Brüste. Paradox, dass ein mitunter bestickter, verdrahteter, berüschter oder ganz aus Spitze gefertigter Unterzieher den Vorzug gegenüber dem Nichts, das Brust selbige einfach und ohne allem sein lässt, erhält? Nur auf den ersten Blick.

Um den geht es aber. Nicht nur um den ersten: Brüste sind ein Blickmagnet. Dagegen kann ich mich abgrenzen, will ich meine private parts auch selbige sein lassen. Spießig und irgendwie auch neurotisch. Aber funktional. Also schätze ich den Brustwams der modernen Art, der mir eine Kontrolle des Blicks ermöglicht. In seiner Vielfalt. In seinen Farben. In vielen unterschiedlichen Materialien. Auch Formen. Wenn frau Lust hat, Brüste mal hochzustapeln, soll sie doch! Will sie kaschieren - sie hat die Möglichkeit. Will sie ihren Brüsten Deckung geben, ebenfalls. Aus Spitzbrust mach kugelrund. Auch kein Problem, genauso wenig wie umgekehrt. Und will sie gar nichts von all diesen Verpackungen, greift sie zu zarten Stoffen, die weder einengen noch sonstwie äußeren Halt geben - nur diese innere Sicherheit, die Spießerinnen so schätzen.

Ob frau nun auf das Spiel mit Erscheinungsformen - abwertend "Mogelpackung" genannt - setzt, kann sie mit sich selbst und den Anderen verhandeln, so wie auch das gefärbte Haar oder die Schuhe mit Absatz oder, oder, oder. "Mogeln" trifft hier nur soweit zu wie frau diese äußerlichen Spielarten als Verschlusssache handhabt - und wieweit sie einer gesellschaftlich beklatschten "Natürlichkeit" Raum gewinnen lässt. Muss sie aber nicht. So wenig, wie sie BHs tragen muss. Sie kann. (mag)

--- Contra

Er zwickt und zwackt, er schneidet an den Schultern ein oder rutscht, hinterlässt Striemen um den Brustkorb, verursacht Kopfweh, Atembeschwerden und Nackenprobleme: Wer so ein Folterinstrument freiwillig trägt, ist selbst schuld. Wenn Feministinnen der 1960er-Jahre BHs verbrannten, um ihrer Forderung nach körperlicher Selbstbestimmung Ausdruck zu verleihen - sollten wir Frauen heute ihn dann nicht wenigstens einfach nicht tragen?

Vielen Frauen dient er ohnehin nicht zum "Halten der Büste", sondern dem Schutz vor gierigen oder gehässigen Blicken beider Geschlechter oder um das zu pushen, was nicht von selbst groß ist. Warum aber wollen wir größer, fülliger, üppiger wirken und die "Mogelpackung" präsentieren – nur, weil das dem Klischee eines schönen Dekolletees entspricht? Und warum w(s)ollen wir andererseits einquetschen, womit die Natur uns so reichlich ausgestattet hat, nur weil der Anblick eines freien Busens bei anderen Befremden oder Begierde auslöst?

Da geht's doch wieder darum, was die Männer denken könnten und ob ihnen gefällt, was sie sehen, damit sie wahrnehmen, worauf sie nicht (gleich) schauen - die Frau als Ganzes. Und darum, dem zu entsprechen, was die Gesellschaft für akzeptabel und schön erklärt. (roh)