Stillfreundliche Krankenhäuser sind eine Initiative von WHO und UNICEF: Indem das Stillen schon in den Entbindungsstationen gefördert, Mütter dabei angeleitet und informiert werden, soll die Stillrate erhöht und so die Gesundheit und Entwicklung von Müttern und Kindern weltweit langfristig verbessert werden.

Foto: www.stillbuch.at

1991 haben die Weltgesundheitsbehörde (WHO) und UNICEF die Initiative "Stillfreundliches Krankenhaus" ("Babyfriendly Hospital") ins Leben gerufen: Indem das Stillen schon in den Entbindungsstationen gefördert, Mütter dabei angeleitet und informiert werden, soll die Stillrate erhöht und so die Gesundheit und Entwicklung von Müttern und Kindern durch die positiven Effekte des Stillens weltweit langfristig verbessert werden.

Derzeit gibt es rund 17.000 Stillfreundliche Krankenhäuser in 132 Ländern. In Österreich machte 1995 das Krankenhaus Oberndorf in Salzburg den Anfang, insgesamt wurden bisher 16 heimische Spitäler zertifiziert. "Mit der Zertifizierung zum Stillfreundlichen Krankenhaus verpflichten sich die Einrichtungen, still-, Mütter- und Baby-freundliche Bedingungen zu schaffen", sagt Anne-Marie Kern, Stillberaterin und Koordinatorin der Initiative Stillfreundliches Krankenhaus in Österreich. "In Krankenhäusern werden oft sehr widersprüchliche Angaben zum Stillen gemacht, die Mütter verwirren oder verunsichern - durch die Zertifizierung werden die Richtlinien vereinheitlicht und die verpflichtende interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ärztinnen und Ärzten, Hebammen und Pflegepersonal damit vereinfacht." Die zertifizierten Krankenhäuser zeichneten sich zudem dadurch aus, dass die Frauen bereits in der Schwangerschaft über das Stillen informiert werden, Mutter und Kind 24 Stunden am Tag zusammenbleiben können. Auch Frauen, die nicht stillen möchten, werden hier adäquat beraten.

Globale Kriterien zur Bewertung

Die Bewertungskriterien sind in allen Ländern gleich: Als Grundlage dienen die von WHO und UNICEF als Empfehlung für Gesundheitsorganisationen publizierten "Zehn Schritte zum erfolgreichen Stillen" sowie der „Internationale Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten", der unter anderem Werbung für sowie Geschenkannahmen von Herstellerfirmen (z.B. auch Probepackungen) untersagt. Das Zertifikat wird vom Österreichischen Komitee von UNICEF in Zusammenarbeit mit heimischen Berufsverbänden wie jenem der Still- und Laktationsberaterinnen (VSLÖ) vergeben; alle drei bis fünf Jahre erfolgt eine Kontrolle und Rezertifizierung. In der Zeit dazwischen sind die Krankenhäuser momentan jedoch selbst für die Einhaltung der Standards verantwortlich, denn: "Leider ist es noch nicht gelungen, die Initiative an eine Institution wie das Gesundheitsministerium oder den Fonds Gesundes Österreich anzubinden", bedauert Anne-Marie Kern. „Der VSLÖ fordert schon lange, dass alle Geburtenabteilungen in Österreich die Standards der Stillfreundlichen Krankenhäuser anstreben und dies auf gesundheitspolitischer Ebene auch institutionalisiert unterstützt wird."

Auch Primar Gerhard Sliutz, medizinischer Leiter der geburtshilflichen und gynäkologischen Abteilung der Wiener Krankenanstalt Rudolfstiftung, die derzeit eine Zertifizierung anpeilt, hält mehr Unterstützung für notwendig: "Wünschenswert wäre, dass möglichst alle Geburtsabteilungen und neonatologischen Stationen die Standards des Stillfreundlichen Krankenhauses umsetzen. Das kann nicht von oben verordnet werden und braucht einen schrittweisen Überzeugungsprozess. Allerdings sollte die Informationsarbeit über die Vorteile durch die öffentliche Hand finanziell massiv unterstützt werden."

Mütter sind zufrieden

Umfragen zur Zufriedenheit unter den Müttern an Stillfreundlichen Krankenhäusern würden die Sinnhaftigkeit dieser Forderungen bestätigen, sagt Anne-Marie Kern. So habe eine Befragung von rund 900 Müttern an neun Stillfreundlichen Krankenhäusern in Österreich im Zusammenhang mit der Rezertifizierung von Geburtskliniken zwischen 2001 und 2004* ergeben, dass das Angebot den Erwartungen und Wünschen der Mütter entspricht. Die Ergebnisse würden auch bestätigen, dass in Stillfreundlichen Krankenhäusern sehr hohe Stillraten erreicht werden - Studien aus verschiedenen Ländern würden laut VSLÖ zudem zeigen, dass nicht nur die anfängliche Stillrate an solchen Spitälern deutlich höher ist und dass die entstandenen Stillbeziehungen länger andauern. Von allen an der Umfrage beteiligten Müttern stillten 87 Prozent bei Entlassung aus dem Krankenhaus voll, sieben Prozent teilweise und sechs Prozent nicht. „Keine der befragten Mütter war insgesamt unzufrieden", zitiert Kern. Auch die nicht oder nur teilweise stillenden Mütter fühlten sich laut Ergebnis ihren Bedürfnissen entsprechend optimal betreut." Die gelegentlich geäußerte Befürchtung, dass in Stillfreundlichen Krankenhäusern ein "gewisser Druck oder gar Zwang zum Stillen ausgeübt wurde", habe sich laut Ergebnis als unbegründet erwiesen.

Der Stillberatung an Stillfreundlichen Krankenhäusern wurde von den Müttern ebenfalls ein gutes Zeugnis ausgestellt: Die Informationen und die Anleitungen zum Stillen wurden von 82 Prozent als "sehr hilfreich" beurteilt, 96 Prozent fanden sie "ausreichend", für ein Prozent war sie "zu viel". 86 Prozent bezeichneten die Information als "einheitlich", 13 Prozent als "teilweise widersprüchlich" und 95 Prozent der Mütter gaben an, vom Krankenhaus über Beratungsmöglichkeiten bei Stillproblemen nach der Entlassung informiert worden zu sein.

Qualitätsmanagement

Im seit fast zehn Jahren als stillfreundlich zertifizierten Mostviertelklinikum Amstetten wird im Rahmen des internen Qualitätsmanagements regelmäßig auf die Einhaltung der Kriterien und Standards geachtet: "Alle MitarbeiterInnen müssen verpflichtend die Richtlinien von WHO und UNICEF kennen", sagt die Leiterin der Geburtenstation, Annemarie Mitterlehner. "Hebammen, Kinderärztinnen und Ärzte, GynäkologInnen und Pflegepersonal versuchen gemeinsam, eine stillfreundliche Umgebung zu schaffen. Als Stationsleiterin führe ich täglich schriftlich eine Qualitätskontrolle durch; alle zwei bis drei Monate gibt es Sitzungen, in denen die Ergebnisse ausgewertet und Verbesserungsvorschläge gemacht werden." Für die MitarbeiterInnen bedeute die Zertifizierung kaum Mehraufwand in der täglichen Arbeit, aber: "Wir müssen immer up-to-date sein, uns weiterbilden, um alle am selben Wissensstand zu sein. Gerade für die Schwestern ist das jedoch eine Entlastung im Alltag, da sie selbstsicherer handeln und beraten können, wenn sie im Hintergrund klare Standards haben."

Krankenhäuser, die sich gegen eine Zertifizierung entscheiden, würden häufig die Strukturveränderungen scheuen, die diese mit sich bringt, so Mitterlehner: „Oft hört man Aussagen wie 'Wir haben es bis jetzt ja auch nicht schlecht gemacht'. Dass es in Österreich nicht nötig ist, nach Standards zu arbeiten, auch wenn es die gibt, finde ich sehr irritierend." (isa/dieStandard.at, 14.5.2009)