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Frauendemonstration gegen die Tabuisierung und Marginalisierung sexueller Gewalt in Südafrika: Anzeigen sind selten, verurteilt wird kaum. Auf den T-Shirts der Demonstrantinnen steht zu lesen: "Solidarity with the Women who speak out!"

Foto: APA/EPA/EPA/KIM LUDBROOK

Wien/Johannesburg – Sexuelle Gewalt dürfte in Südafrika noch weiter verbreitet sein, als MenschenrechtsaktivistInnen und Frauenorganisationen seit langem beklagen.

Der britische Guardian berichtet von einer Studie des südafrikanischen Medizinischen Forschungsrates, der zufolge fast jeder dritte Mann zugibt, bereits vergewaltigt zu haben. Viele Männer bekannten sich dazu, sich öfter an anderen Menschen vergangen zu haben. Im Zuge der Studie wurden 1738 Männer in zwei Provinzen befragt. Die Männer wurden dabei aufgefordert, ihre Antworten in einen Palm-Taschencomputer zu tippen. Die dadurch garantierte Anonymität dürfte mit dazu beigetragen haben, dass die Studie sogar für südafrikanische Verhältnisse erschreckende Ergebnisse liefert: Das Land gilt als Hochburg sexueller Gewalt – nur ein Bruchteil der Vergewaltigungen wird überhaupt angezeigt. Und wiederum nur ein Bruchteil der Anzeigen führt zu einer Verurteilung.

Wie weit verbreitet Vergewaltigungen und Missbrauch allem Anschein nach in der Bevölkerung sind, erschüttert auch die StudienautorInnen: 28 Prozent der Befragten gaben an, schon Frauen oder Mädchen vergewaltigt zu haben. Drei Prozent bekannten sich zu Vergewaltigungen von Buben oder Männern. Fast die Hälfte aller Bekenner, zitiert der Guardian die Studie, gab zu, Mehrfachtäter zu sein. Jeder Fünfte bekannte sich dazu, sich im Laufe der letzten zwölf Monate an einem anderen Menschen vergangen zu haben. Drei Viertel der Täter will den ersten sexuellen Übergriff vor dem eigenen 20. Geburtstag begangen haben.

So zynisch es klingt: Je jünger die Täter sind, umso geringer ist das Risiko der Opfer, mit HIV infiziert zu werden. Denn, so ein begleitendes Studienergebnis, von den über 25-jährigen Vergewaltigern ist jeder Vierte HIV-positiv. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mann, der Frauen Gewalt antut, das HI-Virus in sich trägt, ist im Übrigen doppelt so hoch wie bei Nichtvergewaltigern. Gewalttätige Männer neigen auch eher dazu, für Sex zu bezahlen – und dabei keine Kondome zu verwenden.

Tabuisierung

Auch der sexuelle Missbrauch von Männern wurde in der Umfrage thematisiert: Jeder zehnte Mann gab an, schon zu Sex mit anderen Männern gezwungen worden zu sein. Diese Übergriffe anzuzeigen wagt kaum jemand – dafür sorge die totale Tabuisierung von Homosexualität in vielen regionalen Kulturen, so die Studie.

Die Weigerung, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen, beschert Südafrikas Regierung seit Jahren massive internationale Kritik: Nur rund sieben Prozent aller angezeigten Vergewaltigungen führen zu Verurteilungen. Als symptomatisch für die immer noch gängige Täter-Opfer-Umkehr in Südafrika dürfte der Prozess gelten, in dem Südafrikas nunmehriger Präsident Jacob Zuma wegen der Vergewaltigung einer Bekannten vor Gericht stand: Vor dem Gerichtsgebäude versammelten sich Zumas Anhänger und riefen: "Verbrennt die Hure! Verbrennt die Hure!" Zuma wurde freigesprochen – und gewann die Wahlen.

Studienautorin Rachel Jewkes nimmt deshalb im Guardian die Politik in die Pflicht: "Es ist an der Regierung, durch politische Maßnahmen eine Haltungsänderung zu bewirken." (Thomas Rottenberg/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.6. 2009)