Bree Hodge.

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Das extrem überzeichnete Leben in der steril geleckten Wisteria Lane bietet Intrigen, Mordkomplotte und sonstige Abgründe hinter perfekten Haus- und Gartenfassaden. Von den vier Hauptrollen, der nervigen Susan Mayer, die gerade entdeckt, dass sie noch nie ohne Mann gewesen ist, der Vielfach-Mutti Lynette Scavo und der egoistisch-oberflächlichen-aber-dennoch-mit-Herz-am-rechten-Fleck Gabrielle Solis gerät vor allem Bree Hodge in den Fokus unserer TV-Beobachtungsstelle: Denn sie ist sozusagen ein feministisches Paradoxon.

Parade-Konservative

Bree gibt gerne die Parade-Konservative. Sie spricht ständig von traditionellen Werten und davon, für den Gatten Opfer zu bringen. Gewisse Sex-Praktiken weist sie mit dem Verweis "ich bin Republikanerin" ab. Aber: Mrs. Hodge will in Wirklichkeit keine Sekunde mit den Konsequenzen ihrer traditionellen Wertvorstellungen leben. Immer deutlicher stellt sich raus, dass die gestrenge Bree weder auch nur einen Tag nach ihren offiziellen Regeln leben will, noch, dass sie die bescheidene, rücksichtsvolle und selbstlose Frau ist, die mit ihrem Platz hinter dem Herd glücklich ist. Aber genau an diesem stehend lächelt sie uns energisch vom Cover ihres mega-erfolgreichen Kochbuches im Fünfziger-Jahre-Look entgegen.

Die erste große (unsichtbare) Transformation Brees passierte, als sich ihr Sohn als schwul outete. Zuerst gab es natürlich große Aufregung, mittlerweile aber sind Mutter und Sohn ein eingespieltes Team, er ist in ihrem Catering-Betrieb ein wichtiger Mitarbeiter, seine Homosexualität akzeptiert Bree nicht nur um des lieben Frieden willens, sondern sie ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit.

Werte als Label

Weder ihre eigene ausgewachsene Alkoholsucht passte in Brees Weltbild noch ihr massiver Ehrgeiz, der beim Aufbau ihrer Catering-Firma zu Tage trat. Dies alles legt die Einschätzung nahe, dass Bree Hodge sich ihre traditionellen Werte eher als Label, denn als echte Orientierungshilfen bewahrt. Ein letztes Aufbäumen der echt-konservativen Bree erlebten wir, als sie ihre 16-jährige schwangere Tochter zu Nonnen in die Schweiz schickte, um vorzutäuschen, dass nicht ihre Tochter, sondern sie selbst in anderen Umständen sei. Seitdem ihr aber der Sprössling, für dessen Mutter sie sich ausgab, wieder weggenommen wurde, fallen mehr und mehr die konservativen Hüllen.

Aktuell (ORF-Serienstand) war Bree gerade drauf und dran, Opfer einer emotionalen Erpressung ihres Mannes Orson Hodge zu werden. Orson leidet an Kleptomanie und wirft seiner Frau vor, dass der Klau-Zwang aufgrund seines Minderwertigkeitskomplexes, nur "Mr. Bree Van De Kamp" (für ihre Kochbücher verwendet Bree den Namen ihres ersten Gatten Rex Van De Kamp) zu sein, auftrat. Eine Linderung des Zwangs könne laut Orson nur eintreten, wenn Bree sich wieder völlig Heim und Herd zuwendet. Fast wäre Bree darauf reingefallen, doch jetzt ist sie richtig sauer. Es bleibt spannend, inwieweit Bree nun "ihre" Werte ihrem Handeln anpasst.

Auch bleiben Fragen derart offen, ob die leider nicht nur liberale, sondern auch wirtschaftsliberale Bree mit der "Marke konservativ" Frauen, die genauso autonom ihr Leben gestalten wollen, schadet oder ob diese Figur als eine Parodie von Wertvorstellungen gesehen werden kann, mit denen niemand mehr ernsthaft leben will. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 4.11.2009)