Mit den Laura-Bassi-Zentren liegt die genderparitätische Besetzung von Führungspositionen in der Forschung auf der Waagschale - und die Frage, was das für die wissenschaftliche Diversität bedeutet.

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"Kinder sind kein Markt!" Mehr als einmal bekam die Unfallchirurgin Annelie Weinberg diesen Satz zu hören, wenn sie mit den Herstellern von Implantaten verhandelte. Die Entwicklung von Materialien, die sich nach der Heilung gebrochener Kinderknochen im Körper einfach auflösen, habe noch bis vor kurzem als so unattraktiv gegolten wie die Erforschung von Impfstoffen gegen eine Form der Erblindung, die ohnehin nur in Entwicklungsländern vorkommt. Letzteres "Randgruppenproblem", das mehr als 500 Millionen Menschen betrifft, beschäftigt die Augenmedizinerin Talin Barisani-Asenbauer.

Die beiden Forscherinnen werden ihre Vorhaben nun dennoch realisieren. Als sie sich am 16. November im Haus der Forschung in Wien gegenübersaßen und den sechs anderen Chefinnen der Laura-Bassi-Zentren vom Fortschritt ihrer Projekte berichteten, konnte eines bereits evaluiert werden: wie steinig der Weg war vor der offiziellen Eröffnung dieser acht Forschungszentren, die nun allesamt von Frauen geleitet werden.

Den berüchtigten gläsernen Plafond galt es zu zerschlagen, der nur Ausdruck dafür ist, dass diese Frauen zwar schon bisher exzellent forschten, aber an einem gar nicht so gläsernen - um nicht zu sagen: intransparenten - männlich dominierten Netzwerk scheiterten. Vor allem der Zugang zur Industrie, die nicht unmittelbar verwertbare Innovationen vorderhand oft einmal negiert, wurde einhellig als die größte Hürde beschrieben.

Grundlagen ohne Mainstream

Nun mag man sich die Frage stellen - und die acht Forscherinnnen taten das auch -, was denn so gendersensibel an einer Förderung für Grundlagenforschung ist, die sich in erster Linie dadurch definiert, dass sie ergebnisorientierte Projekte jenseits des wirtschaftlichen Mainstreams umfasst. Immerhin geht es während der siebenjährigen Laufzeit der Laura-Bassi-Zentren, die voraussichtlich ein nicht wiederholtes Projekt bleiben werden, um eine Gesamtfördersumme von 15 Millionen Euro, die vom Wirtschaftsministerium über die Forschungsförderungsgesellschaft zur Verfügung gestellt wird. Die klare Antwort der Frauen: Freilich hätten sie auch gerne ein Christian-Doppler-Labor geleitet, das einen ähnlichen Forschungsansatz verfolgt, allerdings orteten sie hier ähnliche Netzwerke, die bereits eine Einreichung als wenig aussichtsreich erscheinen ließen. Umso mehr empfinden es die Frauen nun aber als wissenschaftliches Privileg, während der siebenjährigen Projektzeit Förderungen nicht im Jahresabstand nachrennen zu müssen. Das gewährleiste eine atypische Kontinuität für die Forschung und bei der Ausbildung der Nachwuchsforscherinnen.

Für Frauen in Führungsposition eines Laura-Bassi-Zentrums gibt es aber dennoch eine genderspezifische "Mehrbelastung": Bei gleicher wissenschaftlicher Qualifikation haben sie Exzellenzkriterien zu erfüllen, die sich zusätzlich durch interdisziplinäre Ansätze und ein transparentes Forschungsmanagement definieren. Dass es keine Selbstverständlichkeit ist, in einer naturwissenschaftlichen Forscherinnenbiografie Genderfragen zu thematisieren, gaben die meisten Frauen übrigens auch an. Dabei wurde als wertvolle Bedingung für die Leitung eines Laura-Bassi-Zentrums die eingeforderte eigene Karrierenentwicklung hervorgehoben - und die Verpflichtung, eine maßgebliche Anzahl weiblicher Mitglieder des Forschungsteams auf ihre Potenziale abzuklopfen.

Die zentralen Forschungsfragen der acht Zentren in den Bereichen Medizin, Biologie, Genetik, Nanotechnik und Informatik sind dabei vorwiegend gender-unspezifisch. Wenn nun die Informatikerin Silvia Miksch als Chefin eines Laura-Bassi-Zentrums unübersichtliche Datenmengen komprimiert und in bewegte Bilder fasst - um damit Verborgenes sichtbar zu machen -, beantwortet sie wohl auch indirekt eine der zentralen Genderfrage in der wissenschaftlichen Community: Um Innovationen als Diversität der Forschung und der Forschenden zu sehen, müssen Frauen vermehrt von oben durch den Glasplafond schauen können. (Sascha Aumüller, DER STANDARD, Print, 18.11.2009)