Mit der "Silent Witnesses"-Kampagne gedenken die Autonomen Frauenhäuser Frauen, die von ihren Partnern oder ehemaligen Partnern ermordet wurden. Jede Figur steht stellvertretend für eine Frau, die in den vergangenen Jahren in Österreich umgebracht wurde. Die roten Figuren sind mit einigen Lebensgeschichten dieser Frauen versehen. Ab Dienstag, 24. November, ist die Installation im Steinsaal des Bundeskanzleramts in Wien zu sehen (bis 27. November).

Foto: AÖF

Ein aufsehenerregender, weil besonders tragischer Fall von "häuslicher Gewalt" ist derzeit in den Medien präsent: Ein 65-jähriger Pensionist steht in St. Pölten vor Gericht, weil er im Juni vergangenen Jahres seine von ihm getrennt lebende Ehefrau mit einem Halsschuss getötet haben soll. Die vierfache Mutter hatte nach einem jahrzehntelangen Martyrium von Schlägen und Drohungen gegen sie und die Kinder einen Schlussstrich gezogen - ein Schritt, den sie mit dem Tod bezahlte. Der Verteidiger spricht heute von "einer Art kranken Liebe", die den Verlassenen drei Jahre nach der Trennung zu dieser Tat trieb.

Geschichten wie diese finden sich für gewöhnlich nicht auf dieStandard.at. Wir berichten über Gewalt an Frauen umfangreich in Form von Statistiken über Auslastungen von Frauenhäusern und den jährlichen Wegweisungen; aber die persönlichen Geschichten, die zu diesen Zahlen führen, sind dann in der Chronik und nicht auf unseren Seiten zu lesen.

Keine Einzelfälle

Das Schlimme ist: Verbrechen wie das oben erwähnte wiederholen sich immer wieder. Dies macht es auch so problematisch, sie in einem feministischen Medium auszusparen, auch wenn sie chronikal sind. Es war ein langer Weg, wie aus solchen "Einzelschicksalen", "Familiendramen" oder auch "Verzweiflungstaten" von Männern eine Systematik erkennbar wurde. Dafür brauchte es die Autonomen Frauenhäuser und diverse andere Einrichtungen, die auf die Ähnlichkeiten in den Motiven und den Tathergängen hinwiesen, und "Gewalt an Frauen" als strukturelle Kategorie in unserer Gesellschaft erkennbar machten.

Dabei wäre es interessant zu wissen, wie viele Frauen es eigentlich sind, die in Österreich jährlich von ihren Ehemännern, Freunden oder Ex-Partnern ermordet werden. Die Bundeskriminalstatistik wies für 2008 insgesamt 105 Morde aus, in 37 Fällen waren die Opfer weiblich, in 68 männlich. Bei 18 Mordfällen an Frauen lebten Opfer und TäterIn in einem Haushalt, in neun Fällen gab es eine familiäre Beziehung ohne Hausgemeinschaft, wie es in dem Papier heißt. Weiters interessant: keine einzige Frau wurde in diesem Jahr von einem ihr komplett Unbekannten oder einer Zufallsbekanntschaft umgebracht. Die Auskunft über das Geschlecht des/der Täterin oder das genaue familiäre Verhältnis fehlt aber leider.

Familiäre Bande zwischen weiblichen Opfern und TäterInnen

Bei den Männern haben "nur" neun Opfer mit dem/der TäterIn unter einem Dach gelebt und sieben hatten eine familiäre Beziehung ohne Hausgemeinschaft. Mit Sicherheit sagen lässt sich aufgrund dieser Datenauswertung also lediglich, dass Männer öfter Mordopfer wurden und Frauen öfter (73 Prozent) mit ihrem Täter/ihrer Täterin familiär verbunden waren als die männlichen Opfer (24 Prozent). Auf die Frage, wie viele Frauen tatsächlich von ihren Partnern und Ehemännern umgebracht wurden, gibt sie allerdings keine Antwort.

ExpertInnen auf dem Gebiet des Gewaltschutzes kritisieren diesen Missstand schon länger. Das CEDAW-Kommittee der UNO hat Österreich in ihren Empfehlungen zu den Länderberichten schon mehrmals empfohlen, geschlechtsspezifische Daten zu Gewalt an Frauen zur Verfügung zu stellen. Bis heute wird vom Innenministerium nicht ausgegeben, wieviele Frauen jährlich durch die Hand des (Ex-)Partners sterben. Wie gefährlich "kranke Liebe", "rasende Eifersucht" oder "gekränkte Eitelkeit" Frauen tatsächlich werden kann, bleibt damit also weiterhin im Dunkeln. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 24.11.2009)