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Der Mann - lange Zeit die Norm für alles Menschliche - gerät aus der Mode.

Foto: APA/Marcus Brandt

Stark, unabhängig, durchsetzungsfähig, rational - so ließe sich das Prädikat "männlich" wohl gern umschreiben. Nun scheint es aber, dass sich hierzu noch eine weitere Eigenschaft gesellt - nämlich "diskriminiert". So vermitteln es jedenfalls die vielen Diskussionen in Medien und Politik um den angeblich mehr als prekären Status des Mannes: Die Diskriminierung fängt schon in der Krabbelstube durch den weiblichen Betreuungsapparat an, zieht sich durch die gesamte (Aus-)bildungskarriere in Form von schlechteren Noten, führt u.a. zu einer höheren Delinquenz-Rate bei Männern aber auch zur Bevorzugung von Frauen im Familienrecht und gipfelt in der statistisch am deutlichsten nachweisbaren Diskriminierung von Männern: sie müssen den Löffel um einige Jahre früher als Frauen abgeben!

Radikale Thesen kommen im Mainstream an

Der Mann ist zunehmend das Opfer einer Gesellschaft, die sich nur noch nach den Bedürfnissen von Frauen richtet - so lautet seit vielen Jahren das beleidigte Echo der radikalen Männer- und Väterrechtler. Neu ist, dass ihre Forderungen nun auch von den bürgerlichen Zeitungsblättern und Parteien aufgenommen werden und oftmals als Grundlage zur Beantwortung der Frage herangezogen wird, wo "der Mann" gegenwärtig stehe und was er wolle.

In Deutschland hat sich die neue CDU/FDP-Regierung daran gemacht, hier einiges aufzuholen - an aktiver Jungen- und Männerarbeit wohlgemerkt. Als erster Schritt wurde eine eigene Abteilung im Familienministerium geschaffen. Die frischgebackene 32-jährige Familienministerin Kristina Köhler ließ dann auch gleich durchblicken, wo sie die Schwerpunkte dieser Abteilung sieht, und fragte in einem Interview in der "Welt am Sonntag" ganz unschuldig, ob in der Grundschulpädagogik "vielleicht zu viele Schmetterlinge und zu wenige Ritterburgen" gemalt würden.

Wichtige Einsicht also: die Feminisierung des Jungen tut dem Mann nicht wohl. Ungeniert wird hier ausgesprochen, was lange Zeit nicht (mehr) Common Sense einer geschlechtersensiblen Pädagogik und auch der Politik war: Dass Jungen und Mädchen gänzlich unterschiedliche Dinge für ihre Entwicklung brauchen.

In ein Horn blasen da die sogenannten "Väterrechtler", die die Verantwortung für ihr konfliktreiches, instabiles Familienleben lieber einem Komplott aus Staat und ur-weiblicher Bosheit anlasten anstatt sich an der eigenen Nase zu nehmen. Ihr Credo lautet: Wenn die starke Hand des Vaters vorenthalten wird, dann kann es für den filius ja nur bergab gehen.

Unterschiedliche Männlichkeiten

Paradoxerweise sind es genau solche in der Gesellschaft immer noch dominanten traditionellen Männerbilder, die Buben laut den anklagenden Bildungsstudien so rigoros aus einem erfolgreichen zukünftigen Leben fernhalten: Jungen seien weniger team-fähig, können sich emotional schlechter artikulieren und würden deshalb viel öfter als Mädchen verhaltensauffällig. Verschwiegen wird so nebenbei, dass Jungen trotz schlechterer Noten mehr Aussicht auf Erfolg im Berufsleben haben - davon zeugen die ja leider nicht mehr ganz so breaking-news tauglichen Phänomene wie die Lohnschere, die gläserne Decke oder auch die systematische Entwertung feminisierter Berufsfelder. Dass Mädchen in Bildungsinstitutionen (derzeit) bessere Leistungen erzielen, macht Männer fertig, auch wenn sie es besser wissen müssten: vor jeder Qualifikation zählt schließlich noch immer ihr Geschlecht.

Natürlich gibt es auch weniger ressentimentgeleitete Forderungen in der Diskussion. So hält die kritische Männlichkeitsforschung eben nicht die Wiedereinsetzung traditioneller Männlichkeitsbilder, die mit Autorität, Strenge und voraussetzungsvoller Liebe behaftet sind, in der Jungen-Bildungsmisere für sinnvoll, sondern strebt eine Pluralisierung der Männlichkeitsbilder in der Gesellschaft an, die wiederum politisch forciert werden müsste.

Doch auch hier bleibt der Beigeschmack der Essentialisierung von Männlichkeit. Warum braucht es denn überhaupt das Prinzip der Männlichkeit(en)? Und was soll ein Vater leisten können, das eine Mutter nicht machen kann (und umgekehrt)? Die Frauen- und Geschlechterforschung hat in den vergangenen 40 Jahren zu Genüge gezeigt, dass Essentialisierungen von Weiblichkeit und Männlichkeit einer gerechten Gesellschaft im Wege stehen. Die vielen Frauen, die sich ihr Lebensglück inzwischen lieber über persönlichen Einsatz und eigenen Neigungen erstreiten als über die Schablonen einer vorgegebenen Geschlechteridentität, sind ein gutes Beispiel dafür. Schade, dass der neue Männerdiskurs so gar nicht daran anschließen will.

Aber gut, eine wie auch immer geartete "Emanzipation" von Männern wird im Gegensatz zu der von Frauen nicht mit einem Machtgewinn verbunden sein. Sie kann Männern aber helfen, sich in veränderten Gesellschaftsstrukturen, die nicht nur die Familie, sondern auch die Arbeitswelt betreffen, zurechtzufinden. Die neue Angst der Männer, am kürzeren Ast zu sitzen - es wird sich zeigen, ob dies ein notwendiger Schritt zur weiteren Enthronung patriarchaler Männlichkeit ist oder nur der Gong für eine neue Runde im Kampf um Geschlechtergerechtigkeit. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 22.12.2009)