ZUR PERSON: Claudia von Werlhof (66) ist Professorin für Frauenforschung an der Uni Innsbruck. Sie gilt als Mitbegründerin der Frauenforschung in der BRD und zusammen mit Maria Mies und Veronika Bennholdt-Thomsen als Begründerin des Ökofeminismus.

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Standard: Als Ausweg aus der Krise gilt weiteres Wirtschaftswachstum. Sie gehen von anderen Notwendigkeiten aus, richtig?

Werlhof: Wachstum ist das Gegenteil dessen, was hilft. Mein Ausgangspunkt ist Westend, das Ende der westlichen Moderne, ihrer Zivilisation und Versprechen. Das waren immer Lügen.

Standard: Wohlstand für alle schien in den 1960er- und 1970er-Jahren erreichbar, zumindest in den reichen Teilen der Welt. War das eine Illusion?

Werlhof: Auf die Dauer ja, weil das Projekt der Moderne ein Weltzerstörungsprojekt ist: die Produktionsweise, die Technik, die Politik. Man muss sich fragen, was geschah, sodass jetzt sogar das Klima, ein planetarisches Phänomen, als Ergebnis der Industrialisierung global verändert wurde.

Standard: Was ist denn geschehen?

Werlhof: Begonnen hat es im 17. und 18. Jahrhundert mit dem Entstehen der modernen Naturwissenschaft. Sie versprach eine schöne, neue, reiche Welt - und dass der Reichtum Allen zugute kommen und auf demokratische Weise verteilt würde. Das war und ist Propaganda.

Standard: Die Gegensätze zwischen Arm und Reich haben sich aber vor allem seit 1989 verschärft, dafür wird vielfach der Neoliberalismus verantwortlich gemacht. Sehen Sie das anders?

Werlhof: Der Neoliberalismus versucht, das liberale Programm, das es seit dem 18. und 19. Jahrhundert gibt, fortzusetzen - aber nicht mehr für viele, sondern für eine ganz kleine Gruppe von Konzernen. Die Rohstoffreserven gehen zu Ende, also eignet man sich die Reste auf kriegerische Art an - und macht gleichzeitig auf spekulative Weise noch schnell viel Geld. Der Sozialstaat wird ausgeplündert, ganze Länder ebenso, denken Sie etwa an Island oder Griechenland. Begonnen hat das mit der Abkehr vom Goldstandard in der Geldpolitik unter US-Präsident Richard Nixon in den 1970er-Jahren. So konnte sich das Kapital als Finanzkapital verselbstständigen. Das Resultat sind all die bunten Blasen, die seither geplatzt sind.

Standard: Es wird aber auch viel Reichtum auf der Welt angehäuft. Geht es nicht um dessen gerechtere Verteilung?

Werlhof: Das war und ist ein falsches Versprechen. Denn das Problem, das dabei von Gewerkschaften und Linken nicht bedacht wurde, war, dass schon die Erwirtschaftung dieser angeblichen Reichtümer eine Zerstörung ist. Wir müssen den Kapitalismus als Zerstörungsweise sehen. Die Umwandlung der natürlichen Dinge in Waren, Geld, Maschinerie, Hierarchie und schlussendlich in Kapital geht mit Kaputtmachen einher. Diese Zerstörungspolitik tritt jetzt in Form von Naturkatastrophen aller Art in Erscheinung.

Standard: Somit waren der Marxismus und die Arbeiterbewegung, sind die Linken Teil des Problems und nicht Teil der Lösung?

Werlhof: Marx hat noch nachgedacht. Aber er, die Arbeiterbewegung und die Linken gehören mit zur Moderne, die auf der Maschine und der Fabrik beruht, die wiederum auf der Zerstörung der Naturstoffe und ihrer Umwandlung in Totes, in Waren beruhen. Daher wollen auch die heutigen Linken immer nochnichts mit der Natur- und der Frauenfrage zu tun haben.

Standard: Also hat das Problem keineswegs erst mit der Industrialisierung angefangen?

Werlhof: Nein, sondern geistig gesehen schon viel früher, mit der Entstehung des Patriarchats vor 5000 bis 7000 Jahren. Damals hat sich die Idee einer "Schöpfung aus Zerstörung" durchgesetzt. Im Gegensatz zum realen Lauf der Dinge, wo weibliche Gestalten Ursprung des Lebens sind, haben die Männer begonnen, sich als Schöpfer des Lebens, des Reichtums, des Wohlstands zu definieren. Ich nenne das das alchemistische Prinzip. Nach seinem Scheitern in Antike und Mittelalter - es wurde ja kein Gold oder neues Leben produziert - tritt das alchemistische Prinzip in der Neuzeit als neue Naturwissenschaft in Erscheinung, als weltweites Schöpfung-aus-Zerstörung-Programm.

Standard: Warum Zerstörung?

Werlhof: Weil man die Natur nicht künstlich nachmachen kann. Also nimmt man sie in Form ihrer Gestalten auseinander, und setzt sie neu zusammen. Das nennt man Mortifikation - von mors, der Tod: im Grunde ein mechanistisches Vorgehen, das dem aus Zyklen des Werdens und Vergehens bestehen Naturprinzip nicht entspricht.

Standard: Auseinandernehmen und wieder zusammensetzen ist eine Grundlage analytischen Denkens. Wo setzen Sie erkenntnistheoretisch an?

Werlhof: Ich habe mich immer auch mit vormodernen, indigenen, matriarchalen Anschauungen beschäftigt. Irgendwann kam das mit meinen anderen Erkenntniswegen zusammen: in der Frage, warum alles kaputtgeht.

Standard: In der heutigen Zeit kritisieren Sie dieses Kaputtgehen am Beispiel des GATS-Abkommens. Warum?

Werlhof: Im Rahmen von GATS soll etwa das Wasser privatisiert werden. Tut man das, werden viele Menschen verdursten.Und der empfindliche Kreislauf des Wassers auf der Erde wird zerstört, weil man Wasser nicht unbegrenzt transportieren kann. Daher haben auch alle Experimente mit Bewässerung in der Wüste in die Versalzung geführt. Es funktioniert nur kurz, denn man kann die Natur nicht hintergehen.

Standard: Wo liegt die Alternative?

Werlhof: In der Subsistenzproduktion, die auf dezentrale Selbstversorgung abzielt. Sie ist die einzige Alternative zur kapitalistischen Warenproduktion. Nur, Vorsicht: Dezentralisierung kann auch in der Logik des herrschenden Systems gedacht werden, etwa in der EU in Gestalt von Kleinstaaten wie Lettland und Litauen oder am Balkan. Im Gegensatz dazu wollen etwa die Zapatisten im Mexiko nicht mit dem Zentralstaat zusammenarbeiten, sondern die Wirtschaft von unten aufbauen. Zuerst als Subsistenzwirtschaft, und wenn es Überschüsse gibt, werden diese nicht, wie in den Ausbeutungssystemen, abgezogen, sondern an die Nachbarn verteilt oder getauscht. Das ist eine Ökonomie wie in der vorkolonialen Zeit. In Mexiko und in Bolivien kommt das derzeit wieder hoch.

Standard: Kann das auch im zentralisierten Europa funktionieren?

Werlhof: In Europa muss man es historisch angehen - und am Naturverständnis arbeiten. Deutschland etwa war lange föderalistisch organisiert, und hat sich dem Nationalstaat verweigert. Vor allem während der Bauernkriege, am Beginn der Neuzeit, wurden Ausstiege versucht. Sie wurden mit Gewalt verhindert, die Leute in Arbeitshäuser, Zwangsanstalten, Fabriken gequetscht, sodass sie überhaupt keine Produktionsmittel mehr besaßen, sondern vom Lohn und vom Geld leben mussten - so wie es auch heute ist. Was die Natur angeht, muss uns klarwerden, dass wir von ihren Zyklen und Rhythmen derzeit nur wenig wissen. Also müssen wir die vormodernen Anschauungen studieren - hier gibt es ja bereits Arbeiten der neuen Biologie und Physik. Auf dass eine neue Ethik, einneues Mitleiden entstehen. Damit nicht weiter das passiert, was etwa in Haiti geschehen ist.

Standard: Sie meinen das Erdbeben?

Werlhof: Ja, dass es ein künstlich produziertes Erdbeben gewesen sein könnte.

Standard: Wie das?

Werlhof: Im Projekt HAARP, einem Militärforschungszentrum in Alaska, wurden auf Grundlage der Tesla-Technologie (Nikola Tesla, kroatisch-amerikanischer Erfinder unter anderem den Wechselstroms entwickelte) Earthquake Machines hergestellt, die künstliche Erdbeben hervorrufen. Sie werden benutzt, um Erdölreserven aufzuspüren. Zwischen Haiti und Kuba soll es große Ölreserven geben, also könnte das Erdbeben in Haiti maschinell erzeugt worden sein, um die militärische Besetzung des Landes durch US-Truppen zu ermöglichen. Als Nebeneffekt werden unbotmäßige Regierungen wie etwa jene von Hugo Chavez in Venezuela unter Druck gesetzt.

Standard: Glauben Sie das wirklich? Das klingt nach Verschwörungstheorie.

Werlhof: Ich glaube gar nichts, aber Fakt ist, dass es die Technologie für künstliche Erdbeben gibt. Und von meiner Theorie her entspricht das genau der These von der patriarchalen Schöpfung aus Zerstörung. Außerdem: Öffentlich wird so etwas überhaupt nicht diskutiert.

Standard: Ein blinder Fleck, ein Tabu ?

Werlhof: So ist es - und nicht nur hier. Auch die Wirtschaftskrise wird ja nicht zum Anlass genommen, um etwas anders zu machen, sondern es wird mit allem Mitteln aufrechterhalten, wie es bisher läuft. (Irene Brickner, DER STANDARD/Printausgabe 13.2./14.2.2010)