Die Grazer Beratungsstelle "Courage", sieht nach einem sechsmonatigen Beobachtungszeitraum einer ungewissen Zukunft entgegen. Die vom Familienministerium anerkannte Einrichtung mit dem Schwerpunkt der Information und Beratung von homo- und bisexuellen Männern und Frauen, Transgender Personen und deren Angehörigen, öffnete im September 2009 ihre Pforten. Hier arbeiten professionelle, spezifisch geschulte BeraterInnen mit profundem Wissen über die Lebenswelten von Gleichgeschlechtlich Liebenden und mit dem notwendigen "FairStändnis".

Bewusstseinbildung und Aufklärung

Ende Februar wird darüber entschieden, ob die Arbeit weiter gehen kann. Bedarf sehen die MitarbeiterInnen und der Leiter, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung Johannes Wahala, jedenfalls gegeben. Auch die Grüne Gemeinderätin Daniela Grabe forderte die finanzielle Absicherung von Courage: "Eine solche Verantwortung hat die öffentliche Hand nicht nur für jene fünf bis zehn Prozent, die das unmittelbar betrifft, sondern generell für alle BürgerInnen - im Sinne von Menschenrechtssensibilisierung, Bewusstseinsbildung und Aufklärung."

Homophobie ist Alltag

Warum "Courage" so wichtig ist, ließ die gleichnamige Anlaufstelle nun von ExpertInnen aus Politik und Beratung erläutern. Wahala subsummierte den Tenor der Wissenschaft, dass Homo- und Bisexualität "gleichwertige Ausdrucksformen einer vielgestaltigen menschlichen Sexualität" seien. "Krankheitswertig" und veränderungsbedürftig seien hingegen antihomosexuelle Vorurteile und Zerrbilder. Er verwies auf eine deutsche Studie (Bochow 1993), die bei einem Drittel der Bevölkerung Aversion und massive "Homophobie" feststellte. Männer äußerten sich deutlich negativer als Frauen.

Beratungsbedarf durch Eingetragene Partnerschaft erhöht

Von psychischen und sozialen Belastungen berichtete Jette Musger, Koordinatorin von Courage Graz, aus ihrer beraterischen Praxis. Der Bedarf an zielgruppenspezifischen Info- und Beratungsangeboten sei in der Steiermark groß und werde durch die Möglichkeit der "Eingetragenen Partnerschaft" noch deutlich erhöht. "Im Zeitraum von September bis Dezember 09 haben 37 KlientInnen - 16 Männer, 21 Frauen - mit uns Kontakt aufgenommen", so Musger.

Das Spektrum der KlientInnen-Anfragen sei breit gestreut, die Resonanz positiv: "Männer und Frauen aus ländlichen Regionen suchen und erhalten von uns Adressen und Kontaktmöglichkeiten, um Gleichgesinnte kennen zu lernen. Pädagoginnen suchen und finden Rat, wenn ein Knabe wegen seines 'weiblichen" Verhaltens' von den Mitschülern verspottet wird. Eltern suchen und finden Information und Unterstützung auf dem Weg zur Akzeptanz der sexuellen Orientierung ihrer Kinder, was wiederum ihre Söhne und Töchter entlastet." 

Schwierigstes Problem: Konfikte nach Outing

134 Beratungsgespräche haben in diesem Zeitraum stattgefunden, am Telefon oder im Beratungsraum, berichtet Musger weiter. 54 Prozent der KlientInnen stammten aus Graz, 13,5 Prozent aus Kärnten, der Rest aus den steirischen Regionen. 67,5 Prozent aller KlientInnen leben in einer aufrechten PartnerInnenschaft. Paarkonflikte sind ein häufiges Thema (26 Prozent), aber auch Transgender (7,5 Prozent aller KlientInnen) oder sexuelle Probleme (9 Prozent).

Antihomosexuelle Werthaltungen

Thema Nummer 1 sind laut Musger jedoch Konflikte mit Familie und Umwelt nach dem Outing und innerpsychische Konflikte, die sich durch eine "internalisierte Homophobie" ergeben. Das treffe auf sechs von zehn KlientInnen zu. "Schwule sind eklig, triebhaft und nicht beziehungsfähig!" oder "Lesben sind aggressive Mann-Weiber!" seien gängige antihomosexuelle Werthaltungen, deren Präsenz von Kindesbeinen an führt zur Verinnerlichung führt. "Eine Kette von alltäglich erlebten kindlichen Minitraumata mündet in Gefühlen von Angst, Verwirrung, Einsamkeit, Heimatlosigkeit und Fremd-Sein in der eigenen Familie. Und macht das Bewusstwerden, Akzeptieren und schließlich Outing der eigenen sexuellen Orientierung zu einem langwierigen, schmerzhaften und von massiven Ängsten begleitenden Prozess", so Musger.

Suizidgefährdeter

Laut einer Studie der Universität Salzburg aus dem Jahr 2004 liegt die Suizidversuchsrate von Homosexuellen fast sieben Mal höher als bei Heterossexuellen. Beinahe jeder dritte Suizidversuch in Österreich wird von einem gleichgeschlechtlich orientierten Menschen begangen. Über 90 Pprozent aller Suizidversuche geschehen im Alter zwischen 15 und 27 Jahren, also während des Coming-out-Prozesses. Auch das Risiko an einer Depression zu erkranken, ist deutlich höher.

Hauptursache sind laut Expertin die geringe soziale Unterstützung - vor allem auch durch die eigenen Eltern. Ein weiterer wesentlicher Grund ist die Angst vor Diskriminierung und Ausgrenzung. In Familie, Schule und Arbeitswelt sind Schwule und Lesben in hohem Maß von Diskriminierungen betroffen. Ein Drittel der in einer Salzburger Studie (2005) befragten österreichischen schwulen Jugendlichen berichtet von erlebter Diskriminierung in der Schule, ohne dass PädagogInnen darauf reagieren. (red)