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Der Quadratmeter hat in Paris eine andere Dimension. 

Foto: EPA/HORACIO VILLALOBOS

Die Maison des Femmes de Paris ist im 12. arrondissement, westlich der Gare de Lyon beheimatet, im Erdgeschoß einer so genannten cité - einer großen Wohnhausanlage als Stadt in der Stadt. Und es ist ein Quartier, in dem der hohe Grad an Prekarisierung deutlicher ins Auge sticht als charme, chic oder savoir-vivre.

Die Fülle an Ereignissen, die in dieser Maison des Femmes stattfinden, und die Vielzahl an autonomen feministischen Gruppen, die hier tagen, lassen ein Haus zumindest in der Größe des Wiener FrauenLesbenMädchenzentrums erwarten: Tatsächlich - der Quadratmeter hat in Paris eine andere Dimension - ist das Lokal vielleicht 200m2 groß. Mit großzügigen fixen Öffnungszeiten, einem durchgehenden Empfang für Begrüßung, Beratung, Information bestückt, mit frei zugänglicher Dusche, Küche, Waschmaschine, Bibliothek und Internet ausgerüstet, ist die Maison des Femmes ein nicht-gemischter feministischer Ort in der Tradition der Zweiten Frauenbewegung (‚Un espace Féministe non Mixte'), ein Ort der Information, des Austauschs, der Debatten und des Zusammlebens, der ‚convivialité' - und ein Ort, der dem gesprochenen und gebärdeten Wort, dem Zuhören und Sehen gewidmet ist. 

Zu Wort kommen

In diesem Sinne werden Veranstaltungen der Maison des Femmes selbst einerseits als offene Gruppen (es sind derzeit Gruppen zu Gewalt, Vereinzelung, lesbischem Leben, Arbeitslosigkeit/Arbeitssuche, Handicaps, Gesundheit und auch einige Ateliers/Gruppen zu Medien, Theater, Gesang aktiv) angeboten bzw. organisiert, wo jede gleichermaßen zu Wort kommen kann, andererseits als öffentliche Debatten zu einem aktuellen Thema, ohne großer Publicity in Bezug auf geladene Expertinnen. Neben diesen Aktivitäten der Trägerorganisation tagen abends in der Maison verschiedene gleichermaßen autonom-feministische Vereinigungen, die aber nicht alltäglich allgemein zugänglich sind: Im Monat November waren dies etwa eine Vereinigung von Frauen aus Mali, die Vereinigung der Frauen der Île-de-France, Aktivistinnen, die für die Rechte von immigrierten Frauen und Flüchtlingen kämpfen, und eine Forschungs- und Archivgruppe lesbischer Kultur. (Beschreibungen der einzelnen Gruppen finden sich auf der Homepage). Es sind insgesamt dreizehn Gruppen, die die Maison für ihre Debatten und die Vorbereitung von Aktionen momentan regelmäßig nutzen - es kann also gesagt werden, die Maison des Femmes de Paris ist ein (für Touristinnen) vielleicht etwas vom Trampelpfad abgelegener, dafür aber äußerst lebendiger und best genutzter öffentlicher Ort, ein Raum von und für Frauen, der, von der Stadt Paris finanziell gestützt, wie nicht anders zu erwarten weitreichend auch von ehrenamtlicher Arbeit getragen wird.

Die Nähe der feministischen Kultur in Bezug auf Themen, Organisationsform, Duktus und Habitus zwischen der Pariser Maison des Femmes und vergleichbaren österreichischen Projekten ist einerseits verblüffend und (für ‚Insiderinnen') teilweise auch hochamüsant; die Differenzen andererseits in Hinblick auf den Respekt und die Selbstverständlichkeit in der Auseinandersetzung und Zusammenarbeit von Frauen mit verschiedensten Herkünften, Orientierungen, Problemlagen, Handicaps... ist beeindruckend, lehrreich. (Edith Futscher, dieStandard.at, 19.2.2010)