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Wirklich Neues findet frau/man in der vor kurzem erschienenen Ratgeberin mit dem Untertitel "Aufklärung, Beratung, Therapie" nicht. Trotzdem lohnt es sich dieses Büchlein zu lesen, weil es das umfassende Thema Essstörungen auf das Wesentliche zusammenfasst und darüber hinaus zwei Punkte beinhaltet, die in der herkömmlichen Literatur zumeist außer Acht gelassen werden. Das betrifft den geschichtlichen Hintergrund von Essstörungen und die Tatsache, dass immer mehr Burschen und Männer daran erkranken.

Krankheitsbilder mit Geschichte

Autorin Sonja Schuch geht bei ihrer historischen Betrachtung bis ins Alte Ägypten zurück, wo sie die ersten Versuche von Frauen, ihren Körper schlanker und straffer zu machen, ortet und spannt einen sehr interessanten Bogen bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in dem der schlanke Körper zu einem Kultsymbol geworden ist. In diesem großen Zeitraum werden Fastenheilige, Wundermädchen und Hungerkünstler genauso beschrieben wie Hysterie, Auszehrung und der sich etablierende Kampf gegen die Fettleibigkeit.

Mediale unnatürliche Vorbilder

Angesichts der vergleichenden Betrachtung von Covergirls der letzten fünfzig Jahre wird die krankmachende Propagierung eines idealen Frauenkörpers deutlich: Sie wurden immer dünner, immer größer und immer androgyner. Noch vor 25 Jahren wogen Fotomodelle um ungefähr acht Prozent weniger als die damalige Durchschnittsfrau, heute wiegen sie im Schnitt 23 Prozent weniger. Dazu kommt die mittels Computer mögliche Modellierung und Retouschierung, die Beine verlängert, Hüften schmälert und Haut straffer wirken lässt. Es werden also optische Ideale vermittelt, die immer seltener erreicht werden können.

Problem "Frauenkrankheit"

Obwohl Essstörungen nach wie vor als "Frauenleiden" behandelt werden, steigt die Zahl der daran erkrankten Burschen und Männer kontinuierlich an. Etwa zehn Prozent der Magersüchtigen und fünfzehn Prozent der BulimikerInnen sind männlich. Auch sie sehen sich mit unrealistischen Schönheitsidealen und widersprüchlichen Rollenerwartungen konfrontiert. Anders als bei Mädchen, die zumeist in der Pubertät erkranken, liegt die durchschnittliche Erkrankung beim männlichen Geschlecht zwischen dem 17. und 24. Lebensjahr. Sie sei jedoch auch schwerer zu fassen. Das liege zum einen daran, dass beim männlichen Geschlecht die Störung aufgrund eines zumeist verstärkten Körpertrainings - "Anorexia Athletica" - länger übersehen wird, Burschen sich dafür schämten, an einer "Frauenkrankheit" zu leiden und folglich das Aufsuchen diverser Beratungsstellen scheuten. Letztlich liege es jedoch ebenso am mangelndem Angebot für diese Gruppe, meint die Autorin.

Aufklärung und Hilfe

Jenseits der altbekannten Zuweisung, Essstörungen als Reaktion auf die pervertierten Schönheitsideale zu erklären, weist Sonja Schuch darauf hin, dass diese nur einen, wenn auch stark Enfluss nehmenden Faktor, ausmachen und führt in der Folge eine Menge anderer Faktoren wie Persönlichkeitsmerkmale, familiäre Situation, Sozialisation etc. an.

Desweiteren bietet das Buch genaue Defintionen der Krankheitsbilder, beschreibt, woran Essstörungen zu erkennen sind, welche Behandlungsmöglichkeiten bestehen und endet mit einer Übersicht über die österreichischen Beratungsstellen. (dabu/dieStandard.at, 25.02.2010)