Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: REUTERS/Andrea Comas

Barcelona/Wien - Viele MigrantInnen und Flüchtlinge aus Subsahara-Afrika erfahren in ihren Herkunftsländern oder auf ihrem Weg nach Europa sexuelle Gewalt. Aus ihrer Heimat fliehen sie vor Konflikten, Zwangsehen oder häuslicher Gewalt. Doch auch auf ihrer Reise nach Norden und in Marokko werden sie Opfer von Missbrauch und sexueller Gewalt oder zur Prostitution gezwungen,  berichtet die Internationale Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF). Die wenigsten von ihnen trauen sich, offen über ihre leidvollen Erfahrungen zu sprechen. MSF fordert nun die marokkanischen Behörden und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auf, sich mit der Problematik zu befassen.

Traumatischer Weg nach Europa

"Die marokkanische Regierung muss Migranten aus Subsahara-Afrika, die auf marokkanischem Boden Opfer sexueller Gewalt geworden sind, besser versorgen", sagt Alfonos Verdù, Projektkoordinator von Ärzte ohne Grenzen. "Die EU muss sich über die Konsequenzen ihrer immer restriktiveren Einwanderungs- und Asylpolitik im Klaren sein. Für die Gesundheit und Sicherheit der Migranten, insbesondere für Frauen und junge Mädchen, sind diese erheblich."

Zwischen Mai 2009 und Januar 2010 gab eine von drei der von Ärzte ohne Grenzen in Rabat und Casablanca behandelten Frauen an, mindestens einmal Opfer sexueller Gewalt geworden zu sein - entweder in ihrem Herkunftsland oder in Marokko. Die von Ärzte ohne Grenzen erstellten Berichte von 63 Patientinnen - 21 Prozent davon minderjährig - illustrieren, wie schutzlos diese Frauen auf ihrer Reise sind. Eine 26-jährige Kongolesin berichtete, wie sie nach mehrfachen Vergewaltigungen aus ihrem Heimatland floh. Da sie keinen Pass hat, ließ sie sich von einem Lastwagenfahrer von Mauretanien nach Marokko schmuggeln. Mitten in der Wüste wurde sie vom Fahrer und seinem Freund geschlagen und sexuell missbraucht.

Nächtliche Ausweisungen

Die Grenze zwischen Manghnia in Algerien und Oujda in Marokko ist besonders gefährlich. 59 Prozent der befragten Frauen berichteten Ärzte ohne Grenzen, dass sie dort Opfer sexueller Übergriffe geworden sind. Obwohl die Grenze offiziell geschlossen ist, bringen marokkanische Sicherheitskräfte hier noch immer MigrantInnen außer Landes. Die Ausweisungen finden meistens nachts statt, was das Risiko von Übergriffen erhöht.

Umfassender Ansatz von Nöten

Die restriktive Migrations- und Asylpolitik der EU führt dazu, dass immer mehr MigrantInnen in Marokko festsitzen, weder nach Europa gelangen noch in ihre Herkunftsländer zurückkehren können. Da sie keinen legalen Status haben, sind sie erst recht schutzlos, was besonders Frauen betrifft. Ein Drittel der von Ärzte ohne Grenzen befragten MigrantInnen ist auf marokkanischem Boden sexuell missbraucht worden - Oujda ausgenommen. "Wir können vor dem Schicksal dieser Frauen nicht die Augen verschließen", sagt Alfonso Verdù. "Wir brauchen einen umfassenden Ansatz, der soziale, medizinische, psychologische und rechtliche Unterstützung einschließt." (red)