Rom - Nach massiver Kritik von Homosexuellenverbänden aus Italien, Chile und Detuschland sowie der französischen Regierung an Äußerungen von Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone über einen Zusammenhang von Homosexualität und Pädophilie hat sich der Vatikan dazu geäußert.

Vage Distanzierung

"Kirchliche Würdenträger betrachten es nicht als Teil ihrer Verantwortung, allgemeine Aussagen psychologischer oder medizinischer Art zu machen", hieß es in einer am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung.

"Das ist die Wahrheit"

Bertone, die Nummer zwei der katholischen Kirche und rechte Hand von Papst Benedikt XVI., hatte bei einem Besuch in Chile einen Zusammenhang zwischen der Ehelosigkeit der Priester - dem Zölibat - und Pädophilie verneint. Dann sprach er nach Angaben von Radio Vatikan über Studien, die aber durchaus einen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Pädophilie sähen: "Das ist die Wahrheit, und das ist das Problem". Die Pädophilie sei in allen Teilen der Bevölkerung zu finden - das gelte auch für Priester. Der Missbrauch von Kindern durch Priester sei "sehr schwerwiegend und skandalös".

Daraufhin warf der Präsident der italienischen Organisation Arcigay, Franco Grillini, dem Kardinalstaatssekretär am Mittwoch vor, der vatikanische "Premierminister" sage Schändliches und lüge wissentlich. Es sei wissenschaftlich absurd, Homosexualität und Pädophilie so in einen Zusammenhang zu bringen, erklärte Grillini, der auch Abgeordneter der Partei "Italien der Werte" ist. Die Kirche sei wegen des Skandals um sexuellen Missbrauch unter Druck und versuche die Aufmerksamkeit von sich abzulenken. Er kündigte eine Protestkundgebung beim Vatikan an. 

Entschuldigung vor aller Welt gefordert

Auch die italienische Homosexuellenorganisation GayLib, die politisch konservativ ausgerichtet ist, und PolitikerInnen der größten linken Oppositionspartei PD (Demokratische Partei) verurteilten Bertones Äußerungen. "Der Vatikan sollte sich auf der UN-Generalversammlung vor der Welt und der Geschichte entschuldigen", erklärte GayLib.

Neben Lesben und Schwulen aus Italien und Chile protestierten auch französische Homosexuelle gegen Bertones Vergleich. Im Zuge des sexuellen Missbrauchsskandals in Deutschland war zwar von Verteidigern der Kirche auch auf Homosexualität gezeigt worden, bisher allerdings nicht von hoher vatikanischer Stelle aus, hieß es.

Frankreich reagiert

Auch die französische Regierung verurteilte diese "inakzeptable Vermischung". Frankreich ist damit der erste Staat, der offiziell auf die Äußerungen Bertones reagiert. "Frankreich erinnert an sein entschiedenes Engagement im Kampf gegen Diskriminierungen und Vorurteile in Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung und der sexuellen Identität", sagte Außenamtssprecher Bernard Valero am Mittwoch in Paris.

"Unentschuldbar"

Von Seiten des deutschen Lesben- und Schwulenverbandes LSVD hieß es, der Vergleich sei "der Gipfel der Verlogenheit": "Statt die Verantwortung für die jahrzehntelange Vertuschung des sexuellen Missbrauchs zu übernehmen und den Weg der Aufklärung zu gehen, versucht Bertone eine andere Gruppe für schuldig zu sprechen - die Wahl fiel auf die Homosexuellen. Ist das der Marschbefehl für eine neue Hexenjagd?", meinte Sprecher Axel Hochrein, Sprecher des (LSVD). Die Katholische Kirche mache sich damit mitschuldig an den Menschenrechtsverletzungen an Lesben und Schwulen: "Das ist unentschuldbar." (APA/dpa/red)