Gynäkologin Dr. Bibiana Kalmar und Frauenarzt Dr. Volker Korbei stellten sich den Fragen der dieStandard.at-Redakteurinnen.

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Dr. Kalmar: "Aus meiner Sicht ist eine Frau per se nicht die bessere Gynäkologin. Ich glaube, dass es grundsätzlich egal ist, ob Mann oder Frau. Wenn die Chemie passt, dann sollte das Geschlecht des Arztes/der Ärztin keine Rolle spielen."

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Dr. Korbei: "Bei uns müssen sich Frauen in einer männlichen Medizin mit männlichen Methoden auf männlichem Gebiet gegen Männer durchsetzen. Für mich ist klar, dass die Frauenheilkunde den Frauen gehören soll, weil Frauen Frauen besser verstehen - was nicht heißt, dass Männer nicht auch Frauen verstehen können."

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"Mir ist schon früh aufgefallen, dass die Sprache in der Gynäkologie Frauen gegenüber entwertend ist, dass viele Dinge nicht besonders frauenfreundlich sind."

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"Ich sehe mich wie einen 'weißen Ritter', der die Frauen beschützt vor allem möglichen Unfug, den die Medizin macht - das ist meine Stärke."

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Zu einem Mann oder einer Frau? Auf Kasse oder privat? Die passende Gynäkologin, den idealen Gynäkologen zu finden, ist eine Sache für sich. "Bei einer Frau kann ich mich besser öffnen", sagen viele Patientinnen; manchmal stimmt aber auch bei einer Ärztin "die Chemie nicht". Viele Patientinnen haben auch keine Wahl, weil es, besonders in den Bundesländern, viel zu wenige Ärztinnen mit Kassenvertrag gibt (siehe Wissen: Ärztinnen mit Kassenvertrag).

Sind Frauen oder Männer nun die besseren GynäkologInnen? Spielt das Geschlecht überhaupt eine Rolle? Was hat Gynäkologie mit Sexualität zu tun - auf Patientinnen- ,wie auch auf ÄrztInnen-Seite? dieStandard.at hakte nach - Dr. Bibiana Kalmar, Privatärztin in Wien 6., und Dr. Volker Korbei, Kassenarzt aus Prinzip, stellten sich den Fragen.

dieStandard.at: Frau Dr. Kalmar, Herr Dr. Korbei, was hat Sie dazu bewogen, Gynäkologe/Gynäkologin zu werden?

Dr. Kalmar: Ich wollte eigentlich Psychiaterin werden, habe mich aber dann anders entschieden, weil in der Psychiatrie nur ein kleiner Teil der PatientInnen die Chance hat, wieder gesund zu werden, was mir als Ärztin aber sehr wichtig ist. Als ich während des Studiums schwanger wurde, habe ich gemerkt, dass Gynäkologie eine Marktlücke ist.

Dr. Korbei: Ich habe einen eher ungewöhnlichen Lebenslauf: Alles, was ich eigentlich werden wollte, ist missglückt. Das, was ich absolut nicht werden wollte, war Frauenarzt. Ich habe das Fach zufällig gewählt und in der geringsten Zeit mit den geringsten Schwierigkeiten war ich plötzlich Facharzt. Damals habe ich wenig verstanden, heute liebe ich meinen Beruf.

dieStandard.at: Warum haben Sie sich für eine Kassen,- bzw. Privatordination entschieden?

Dr. Kalmar: Ich habe mich nach meinem Abschluss bei der Ärztekammer um einen Kassenvertrag beworben, weil ich den 'Zugang für alle' gut finde, habe aber immer eher zur Privatpraxis tendiert. Es war ungewiss, ob ich nach drei Jahren 'auf Probe' dann tatsächlich einen Vertrag bekommen würde, und so habe ich mich für die Privatpraxis entschieden.

Dr. Korbei: Für mich war es selbstverständlich, dass ich eine Kassenpraxis möchte, weil alle Frauen denselben Zugang haben sollen - auch eine Frau Minister ist zu mir mit Krankenschein gekommen. Als Privatarzt würde ich sicher in weniger Zeit mehr als das Doppelte netto verdienen, aber das ist gegen mein Prinzip.

dieStandard.at: Dr. Kalmar, wie haben Sie als Frau die vorwiegend männlichen Ausbildner während Ihres Fachstudiums wahrgenommen?

Dr. Kalmar: Mit den Kollegen gab es mitunter schon geschlechtsspezifische Konfrontationen. Im Spital war es teilweise eine Gratwanderung, meine Weiblichkeit zu behalten, als Frau wahrgenommen zu werden und dabei weder als 'Superamazone' noch als 'süße Schnecke' zu gelten, sondern einfach als Kollegin. Prinzipiell ist mir schon früh aufgefallen, dass die Sprache in der Gynäkologie Frauen gegenüber entwertend ist, dass viele Dinge nicht besonders frauenfreundlich sind. Das hat mich irritiert und ich habe versucht, die Dinge für mich, im Kleinen zu verändern.

dieStandard.at: Was interessiert insbesonders so viele Männer an dem Fach?

Dr. Korbei: Ich persönlich bin ja durch Zufall Frauenarzt geworden, aber ich glaube, es geht hier sehr viel um Macht über Frauen und um Sexualität. Viele Gynäkologen haben ein gestörtes Frauenbild. Ein Kollege hat einmal gesagt: 'Es gibt viel mehr Frauenhasser, als wir glauben' - ich denke, das stimmt. Die Idee mancher Kollegen, alle Schwangeren müssten mit Kaiserschnitt entbinden, zeugt zum Beispiel davon.

dieStandard.at: Und warum studieren das Fach so wenige Frauen?

Dr. Korbei: Es ist eine männliche Domäne. Lange Zeit hat man Frauen gezielt draußen gehalten. Bei uns müssen sich Frauen in einer männlichen Medizin mit männlichen Methoden auf männlichem Gebiet gegen Männer durchsetzen. Das ist ein fragliches Ausleseverfahren, in dem eher die 'eisernen Ladies' durchkommen. Für mich ist klar, dass die Frauenheilkunde den Frauen gehören soll, weil Frauen Frauen besser verstehen - was nicht heißt, dass Männer nicht auch Frauen verstehen können.

dieStandard.at: Viele Frauenärztinnen und -ärzte raten zur Kontrolluntersuchung zweimal im Jahr. Wie sehen Sie das?

Dr. Korbei: Zweimal pro Jahr ist Unfug - eine jährliche Kontrolle reicht völlig aus. Wenn Sie die Vorsorge für Gebärmutterhalskrebs alle zwei bis drei Jahre gut organisieren, genügt das. In Skandinavien zum Beispiel gibt es wesentlich weniger Konisationen (Anm.: OP am Gebärmutterhals) wie bei uns, sie machen wesentlich weniger Krebsabstriche und haben eine geringere Sterblichkeitsrate. Wir haben in Österreich auch die meisten brustoperierten Frauen der Welt und keine dazugehörige Senkung der an Brustkrebs Verstorbenen. In der Schulmedizin ist das seit Jahren bekannt und wird ignoriert - für mich ist das männliche Macht- und Machermentalität.

Dr. Kalmar: Ich finde auch, dass eine Kontrolle einmal im Jahr ausreicht. Beim Thema Brustkrebsvorsorge halte ich es so, dass ich Frauen dazu auffordere, ihre Brust selbst wahrzunehmen, weg von der Mammographie, der Kontrolle von außen, hin zu einem größeren Selbstverständnis des eigenen Körpers. Das gilt natürlich nicht für Risikopatientinnen. Infobroschüren zur Selbstuntersuchung machen meiner Meinung nach eher Angst vor allem, was die Frauen ertasten. Wenn man Frauen aber dazu auffordert, sich selbst kennenzulernen, wenn sie spüren, dass die Hand ein eigenes Gedächtnis hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich etwas entdecke, wenn sich etwas verändert, groß. Zur Mammographie muss ich sagen, dass ich, selbst wenn es Daten gibt, die ihren Nutzen nicht hundertprozentig belegen, auch selbst alle zwei Jahre gehe.

Dr. Korbei: In den österreichischen Ärztezeitungen kommt das Thema, wann man mit der Mammographie beginnen soll, nicht vor. Schon vor Jahren haben führende Kliniker gesagt, dass es keinen Gesundheitsgewinn durch Mammographie für Frauen unter 50 gibt. Das wird in Österreich nicht wahrgenommen. Es gibt auch keine weiteren Studien dazu, die laufen nur mit Frauen zwischen 50 und 70. Warum sollte man das tun, wenn es darunter auch ein erhöhtes Risiko gäbe?

Ich sage den Frauen in meiner Praxis: 'Die Brust darf nicht Ihre Feindin sein.' Misstrauen gegenüber dem eigenen Körper ist nicht gesundheitsfördernd. Dass man das Vertrauen zum eigenen Körper untergräbt, ist auch Teil einer männlichen, negativen Medizin: Angst macht Umsatz. Ich gebe den Frauen sehr umfangreiche Information und dann sollen sie ihrer Intuition folgen und selbst entscheiden, ob sie zur Routinemammographie gehen möchten oder nicht.

dieStandard.at: Was verstehen Sie denn genau unter männlicher und weiblicher Medizin?

Dr. Korbei: Das Männliche ist das 'agens', das Weibliche ist das 'comunio'. Wir brauchen in unserer Gesellschaft mehr Vernetzung, Verständnis, Zuwendung, Geduld und Mitleid. Aber natürlich brauchen wir auch die männlichen Anteile. Die Unfallchirurgie wird vermutlich trotz vieler Fördermaßnahmen für Frauen eine männliche Domäne bleiben, weil da bestimmte Eigenheiten, die Männer haben, gefragt sind.

Auch in der Frauenheilkunde gibt es weite Teile, die in die männliche Medizin gehören, etwa die Chirurgie. Männer operieren in der Gynäkologie viel mehr als Frauen. Das Eingreifen, das Korrigieren, das Machen - das ist alles wichtig, nur das Verhältnis stimmt nicht. Ein Beispiel: Eine weibliche Geburtshilfe ist die Hebammengeburtshilfe, wo auch Studien belegen, dass sie eine besonders erfolgreiche ist. Eine negativ männliche Geburtshilfe war jene in den 80ern, als keine Frau normal entbinden durfte, sondern jede Geburt als eine intensiv behandlungswürdige Krankheit betrachtet wurde.

Dr. Kalmar: Mir fällt noch ein Beispiel ein: Während meiner Zeit im Spital war es völlig normal, einer Frau ab 40 die Gebärmutter zu entfernen, egal was dieser Gebärmutter fehlte, unter der Prämisse: 'Die braucht sie eh nicht mehr'. Das ist heute vorbei. Die organerhaltende Behandlung ist eine sehr weibliche Haltung.

dieStandard.at: Zur medizinischen Praxis: Die Versorgung durch KassengynäkologInnen allgemein wird sehr stark kritisiert. Lange Wartezeiten auf einen Termin und vor Ort gehören meist zur Tagesordnung. Oft wird kritisiert, dass sich die ÄrztInnen kaum Zeit für Fragen nehmen. Wie ließen sich solche Missstände vermeiden? Nehmen die ÄrztInnen zu viele PatientInnen auf?

Dr. Kalmar: Schön, dass dieses Thema zur Sprache kommt. Auch in meiner Privat-Ordination gibt es zum Teil längere Wartezeiten. Dabei ärgert es mich, wenn sich Patientinnen beschweren, wenn sie einmal warten müssen, denn gleichzeitig wollen dieselben Leute bei ihrem Termin ja auch alle ihre Fragen beantwortet wissen. Nur: Die Sekretärin kann nicht vorher klären, was die Patientin im Detail will - nur einen Pap-Abstrich, der nicht länger als 10 Minuten dauert, oder doch vielleicht über die Sexualität der Großmutter und ihre eigene Sexualität im Alter reden. Mein Anspruch ist, dass meine Patientin das Gefühl hat: 'Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, an dem ich die Ordination verlasse.' Das kann man nicht einteilen. Ich sage deshalb auch ganz offen zu meinen Patientinnen: Wartezeit ist nicht meine oberste Priorität.

Kassenärztinnen haben es da noch schwieriger, weil noch mehr Patientinnen. Die meisten Leute wissen auch nicht, was die Krankenkasse für eine Sitzung bezahlt - 30 Euro! Damit kann ich mir keine Stunde für eine Patientin Zeit nehmen. In meiner Praxis sind für eine Patientin 20 Minuten eingeplant. Als Vertretung bei einer Kassengynäkologin habe ich in einer Stunde schon 20 Patientinnen gesehen.

Dr. Korbei: Eine gynäkologische Praxis inklusive der Angestellten und Geräte zu betreiben kostet 50 Euro in der Stunde. Natürlich würde es das System entlasten, wenn die Kassen mehr bezahlen würden, aber das ist eine eigene, große Diskussion. In meiner Praxis sehe ich vier Patientinnen pro Stunde.

dieStandard.at: Was halten sie von der neuen Initiative des Gesundheitsministeriums, Frauen bei der Vergabe von Kassenpraxen zu bevorzugen, um eine flächendeckende Versorgung mit Kassengynäkologinnen zu gewährleisten?

Dr. Kalmar: Obwohl es gegen mein eigenes Interesse ist, bin ich völlig dafür. Ich will nicht sagen, dass Frauen bessere Gynäkologinnen als Männer sind, aber die Patientinnen haben eben ein Bedürfnis nach Ärztinnen und das können sie derzeit nur unzureichend befriedigen und oft nicht auf Krankenschein. Aus meiner Sicht ist diese Maßnahme also wirklich notwendig.

Dr. Korbei: Selbstverständlich bin ich auch dafür. Im Einzelfall können sie es nie sagen, aber meistens ist es so, dass Frauen mehr Verständnis für Frauen aufbringen und zweitens brauchen wir, wie gesagt, generell in unserer Medizin mehr weibliche Anteile. Es nützt nichts, wenn wir die Eisernen Ladies fördern.

dieStandard.at: Viele Frauen sprechen davon, dass die Begegnung mit einer Gynäkologin vertrauensvoller sei als mit einem Mann. Was meinen Sie dazu?

Dr. Kalmar: Aus meiner Sicht ist eine Frau per se nicht die bessere Gynäkologin. Ich glaube, dass es grundsätzlich egal ist, ob Mann oder Frau. Beziehung ist Beziehung. Wenn die Chemie passt, dann sollte das Geschlecht des Arztes/der Ärztin eigentlich keine Rolle spielen. Aber man muss es Frauen auch zugestehen, wenn sie sich leichter gegenüber einer Frau öffnen können. Allerdings gibt es auch Gegenbeispiele, eine Frau hat mir einmal gesagt, dass sie sich 'nieee' von einer Frau angreifen lassen würde.

dieStandard.at: Inwieweit spielt die eigene Erfahrung eine Rolle im Arzt/ÄrztIn-PatientIn-Verhältnis?

Dr. Kalmar: In meinem Berufsleben hat das eine große Rolle gespielt! Ich habe während meiner Zeit im Spital durchgesetzt, dass Frühaborte nicht kürettiert werden, und zwar deshalb, weil ich als junge Frau selbst einen Frühabort hatte und nachkürettiert wurde. Als Gynäkologin wurde mir bewusst, dass dieser Eingriff damals vollkommen sinnlos war. Das regelt die Natur nämlich ganz hervorragend von selbst. Mein nicht-interventioneller Zugang wurde interessanterweise vor allem von den ganz alten Gynäkologen gefördert, weil die das früher auch so gemacht haben, aber in den 70er-, 80er-Jahren kam dieser Ansatz dann aus der Mode.

Dr. Korbei: Ich denke, in dieser Frage kann ich mich auch als sehr männlicher Mann einbringen. Ich sehe mich wie einen 'weißen Ritter', der die Frauen beschützt vor allem möglichen Unfug, den die Medizin macht - das ist meine Stärke. In diesem Fall heißt männliches Agieren dann Theoretisieren. Die Logik sagt mir: Es kann gar nicht sein, dass ein Abortus jedes Mal kürettiert werden muss, denn sonst wäre die Menschheit nicht lebensfähig.

dieStandard.at: Spielen sexuelle Einwände eine Rolle? Die Angst vor der sexuellen Objektivierung durch den männlichen Arzt etwa?

Dr. Korbei: Mir ist etwas aufgefallen: Ich gehe selbst auf die 70 zu und betreue zum Großteil eher junge Frauen um die 40. Das ist so, weil Frauen so ab 55 plötzlich nicht mehr zu mir gekommen sind. Eine Patientin erklärte mir dann: 'Sie bleiben immer so jung, ich werde aber alt. Ich schäm‘ mich jetzt und mag nicht mehr zu ihnen kommen.' Sie hat damit gemeint, dass sie für mich nicht mehr attraktiv ist. Auch andere Patientinnen haben mir das bestätigt, dass sie nicht unzufrieden mit mir sind, aber aufgrund ihres Alters nicht mehr zu mir kommen wollen. Es ging wohl auch um den Vergleich mit den anderen, jüngeren Patientinnen.

dieStandard.at: Die älteren Patientinnen kommen dann alle zu Ihnen, Frau Dr. Kalmar?

Dr. Kalmar (lacht): Also, ich habe schon auch sehr viele junge Patientinnen. Aber von den neuen Patientinnen sind tatsächlich viele Frauen im Wechselalter. Ich glaube, in Zeiten, in der die Identität in der Krise ist, gar nicht negativ gemeint, stellen Frauen ihre bisherigen Zugänge in Frage. Vielleicht denken sie sich auch: 'Ist es für mich okay, mit diesem Problem zu einem Mann zu gehen?' Mir haben ältere Patientinnen auch schon bestätigt, dass sie sich vor einem Mann schämen würden.

dieStandard.at: Das hat dann aber doch wohl sehr viel mit Sexualität zu tun?!

Dr. Kalmar: Natürlich! Jeder Arzt, der sagt, Gynäkologie habe nichts mit Sexualität zu tun, sagt damit in etwa: Brot hat nichts mit Ernährung zu tun.

Dr. Korbei (lacht): Es gibt tatsächlich Ärzte, die das behaupten. Aber das sagt sehr viel über deren Persönlichkeitsstruktur aus.

dieStandard.at: Ist sexueller Missbrauch ein Problem in der gynäkologischen Praxis?

Dr. Kalmar: Wenn es tatsächlich gröbere Übergriffe gibt, würde das heute relativ schnell beendet werden. Sie können den Gynäkologen wechseln, sich beschweren, usw. Manchmal handelt es sich auch um ein Kommunikationsproblem. Ein Beispiel: Im Allgemeinen berühre ich Patientinnen vor der eigentlichen Untersuchung am Knie oder am Bein, um eine Kommunikation im Raum, um Vertrauen herzustellen. Eine Kollegin von mir findet dieses Vorgehen aber ganz schrecklich. Was ich sagen will: Das ist eine sehr situative, individuelle Sache.

dieStandard.at: Wie sieht es mit der Sexualität der GynäkologInnen aus. Hat die gynäkologische Praxis Einfluss auf die eigene Sexualität? Thematisieren GynäkologInnen das untereinander?

Dr. Korbei: Darüber sprechen FrauenärztInnen eigentlich nicht miteinander. Ich denke, es ist falsch, Nacktsein mit Erotik gleichzusetzen. Für mich ist auch Erotik ohne Beziehung schwer vorstellbar. Ich bekomme oft das Feedback, dass sich meine Patientinnen von mir respektiert fühlen - das hat auch damit zu tun, dass ich sie attraktiv finde. Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn mir die Patientinnen als Frau nicht mehr gefallen, dann höre ich mit meiner Praxis auf. Wenn mir als Mann die Frauen nicht gefallen, dann ist das sehr gefährlich.

Dr. Kalmar: Ich hatte einmal ein interessantes Erlebnis. Als ich das erste Mal damit konfrontiert war, dass sich eine Patientin mir gegenüber als homosexuell outete, hat das in der Behandlung für mich einen kurzen Moment einen Unterschied gemacht, weil ich ja in dem Fall ein potenzielles Objekt ihrer Begierde bin, was sonst ja nicht der Fall ist. Heute ist mir das egal. (Die Fragen stellten Ina Freudenschuß und Isabella Lechner/dieStandard.at, 25.4.2010)