Im Netz kann für eine Anwärterin gevotet werden.

Foto: Brigitte.de

Andreas Lebert ist seit 2002 Chefredakteur der "Brigitte".

Foto: Andreas Lebert

Seit 1954 erscheint die Frauenzeitschrift "Brigitte" mit Beiträgen über Mode, Schönheit, Beruf, PartnerInnenschaft, Gesundheit oder Politik. Somit beteiligte sie sich als auflagenstärkste deutsche Frauenzeitschrift an der Sozialisation gleich mehrerer Frauen-Generationen. Ende letzten Jahres verkündete die Redaktion, ab Jänner 2010 die Modeseiten gänzlich ohne professionelle Models zu gestalten, eine Reaktion auf die immer dünner werdenden Models, hieß es von Seiten der Redaktion. So sind seit vier Monaten die Mode- und Schönheitsseiten der "Brigitte" modelfreie Zone, ob es sich dabei um eine kleine Revolution oder nur um eine gelungene PR-Strategie handelt wurde intensiv diskutiert (auch dieStandard.at kommentierte die Umsetzung der Aktion: Kommentar: Ohne Models - Mit extra Fetttabelle). "Brigitte" hat aber nicht nur keine Models, sondern seit 2002 auch einen männlichen Chefredakteur. Beate Hausbichler fragte bei Andreas Lebert nach, wie die "Ohne-Models"-Aktion läuft, warum ein Mann eine Frauenzeitschrift leitet und wie feministisch die "Brigitte" sein darf.

                                          *******

dieStandard.at: Wie entwickelt sich die "Ohne-Models"-Aktion, die nun schon seit einigen Monaten läuft?

Andreas Lebert: Die Resonanz war überwältigend, damit hatten wir so nicht gerechnet. Mittlerweile haben sich etwa 30.000 Frauen für eine Fotoproduktion bei uns angemeldet. Insgesamt erhalten wir auf unsere "Ohne-Models"-Initiative sehr gute Rückmeldungen, gleichwohl gibt es auch kritische Stimmen, die finden, die abgebildeten Frauen seien zu schön oder zu jung. Andere meinen, sie seien zu alt oder nicht hübsch oder schlank genug. Wieder andere finden, dass man keinen so großen Unterschied zu den Models von früher sieht. Diese Kritik wundert mich, denn sie geht davon aus, dass alle schönen Frauen auf der Welt Models geworden sind. Natürlich inszenieren wir die Frauen genauso gut wie vorher, die gleich guten Fotografen, perfekte Locations, tolle Mode, professionelles Styling usw. Wir wollen natürlich, dass die Frauen toll aussehen.

dieStandard.at: Wie werden die Frauen ausgewählt?

Lebert: Die Auswahl trifft die Redaktion, jeweils passend zur anstehenden Fotoproduktion. Regelmäßig stellen wir auch Frauen auf der "Brigitte"-Homepage vor und bitten unsere Userinnen um ihre Meinung: Wen wollen sie in der "Brigitte" sehen? Die, für die gevotet wurde, wird dann zur Produktion eingeladen.

dieStandard.at: Vollschlanke Frauen haben es bisher ja nicht in die "Brigitte" geschafft.

Lebert: Eine Konfektionsgröße ist doch nicht das entscheidende Kriterium für Schönheit, weder in die eine noch in die andere Richtung. Wir suchen Frauen, die eine gute Ausstrahlung haben und die attraktiv sind, oft auf ganz unterschiedliche Weise. Die Frauen, die wir fotografieren, sollen keinem einheitlichen Bild entsprechen, weder im Typ, noch im Alter, noch was ihre Figur angeht. In den kommenden Heften wird das noch deutlicher werden. Ein Heft für Übergrößen will "Brigitte" aber nicht sein.

dieStandard.at: Werden die Frauen, die in der "Brigitte" statt den Models fotografiert werden, bezahlt?

Lebert: Natürlich, sie bekommen ein vergleichbares Honorar wie früher unsere Models.

dieStandard.at: Dass ein Frauenmagazin einen männlichen Chefredakteur hat, ist nicht alltäglich. Wie ist es dazu gekommen?

Lebert: Seit etwa einem Jahr haben wir bei der "Brigitte" eine Doppelspitze, mit mir bildet Brigitte Huber die Chefredaktion. Das war zwar keine politische Entscheidung, aber man muss doch klarstellen, dass inzwischen nicht mehr ein Mann an der Spitze ist, sondern ein Mann und eine Frau.

Ich hatte schon in den 80ern für "Brigitte" gearbeitet. Als 2002 jemand gesucht wurde und man mich ansprach, habe ich nur unter der Voraussetzung "Ja" gesagt, dass der Redaktionsbeirat zustimmt. In diesen Gesprächen mit den sieben bis acht Redakteurinnen des Beirats haben wir über alles geredet, was das Blatt betrifft, nur nicht darüber, dass ich ein Mann bin. Das war kein Thema. Zehn Jahre davor wäre es aus politischen Gründen wahrscheinlich noch ausgeschlossen gewesen, an der "Brigitte"-Spitze stand bis dato eine Frau. Jetzt sagen die Kolleginnen oft, ich sei "eine von ihnen", das ist natürlich ein schönes Kompliment.

dieStandard.at: Gesamtgesellschaftlich gesehen ist es aber noch nicht egal, ob ein Mann oder eine Frau eine Führungsposition bekommt, oder?

Lebert: Nein. Das ist auch etwas, was die "Brigitte" immer wieder thematisiert. Ich persönlich wäre auch für Quoten in den Unternehmensspitzen. Es gibt so viele Untersuchungen, die zeigen, dass Unternehmen wirtschaftlich erfolgreicher sind, wenn sie Frauen an den Spitzen haben, in den Vorständen und den Aufsichtsräten - nicht immer nur in der zweiten Ebene. Dass es an der Spitze immer noch einen Club der Männer gibt, ist ein beklagenswerter Zustand.

dieStandard.at: Das Wort "Feminismus" wird in Frauenzeitschriften ja tunlichst vermieden. Wie feministisch darf denn die "Brigitte" sein? Hat sie überhaupt einen solchen Anspruch?

Lebert: Die "Brigitte" versteht sich als ein Blatt für Frauen wie sie sind und nicht, wie manche sie gern hätten - mit Respekt vor jedem Lebensentwurf. Insofern versteht sie sich auch als Frauenrechtlerin.

Als ich in den 80ern in der "Brigitte"-Redaktion arbeitete, präsentierten wir die Ergebnisse einer repräsentativen Untersuchung zum Thema "Kind und Beruf" auf einem Kongress in Hamburg. Die damals wichtigsten Politikerinnen waren da und etwa 2.500 ZuschauerInnen. Eines der Ergebnisse lautete: Frauen wünschen sich mehr Teilzeit und die Möglichkeit, in unterschiedlichen Lebensphasen die Arbeitszeiten zu variieren. Das führte zu zwei Arten von Protesten. Die einen meinten: "Ihr - 'Brigitte' - zementiert mit diesem Ergebnis, dass Frauen in der Berufswelt zweite Klasse bleiben. Das ist eine politische Kampfansage gegen den Feminismus!" Und der Hausfrauenbund, der damals noch mächtig war, hat unter Protest den Saal verlassen und gesagt: "Ihr - 'Brigitte' - sagt den Frauen, dass sie arbeiten gehen sollen, dabei können Frauen auch glücklich sein, wenn sie es nicht tun."

Wir haben schon immer gesagt, man kann feministisch sein und gern kochen, man kann feministisch sein und High-Heels anziehen. Diese scheinbare Widersprüchlichkeit wird übrigens Männern nie vorgeworfen. Wenn einer eine Motorsportzeitschrift in der Hand hat, wird dennoch nicht angezweifelt, dass er auch Vorstandsvorsitzender werden kann. Bei Frauen wurde das immer auf eine Art und Weise diskutiert, aus der sich die "Brigitte" herausgehalten hat, obwohl sie die politischen Themen auch befördert hat. Ich behaupte, dafür, dass der Feminismus in den Dörfern angekommen ist, hat sie mehr getan, als manch andere Zeitschrift in den 70er und 80ern.

dieStandard.at: Aber muss aus feministischer Perspektive nicht tatsächlich genauer nachgefragt werden, warum es diesen Wunsch von Frauen nach Teilzeit gab und gibt?

Lebert: Wir haben in unserer Redaktion fast jedes erdenkliche Arbeitsmodell. Der Versuch, in der männlichen Welt die Berufstätigkeit der Frauen durchzusetzen und damit unter Umständen die männliche Welt zu verändern - so würde ich das politische Ziel der "Brigitte" sehen.

dieStandard.at: Es gibt Studien, die schlechte Stimmung nach der Lektüre von Frauenzeitschriften (dieStandard.at berichtete: Man kann sich nur als Verliererin fühlen) nachweisen. Was sagen Sie dazu?

Lebert: Ich kenne diese These, glaube aber nicht daran, sonst gäbe es Frauenzeitschriften schon längst nicht mehr. Eine Frauenzeitschrift zu lesen, heißt, ich möchte mich entspannen, ich möchte mich erholen und möchte nicht an meinen äußeren und inneren Stress denken - das ist die Hauptmotivation beim Kauf. Wenn die These stimmen würde, würden die Zeitschriften nicht mehr gekauft werden und "Brigitte" wird seit dem Start unserer "Ohne Models"-Initiative im Schnitt sogar noch häufiger am Kiosk verkauft als früher.

dieStandard.at: Wo liegen für Sie die Grenzen in der Berichterstattung über Schönheitspraktiken? In manchen Frauenzeitschriften wird etwa ästhetische Genitalchirurgie bereits als völlig gängige kosmetische Möglichkeit präsentiert.

Lebert: Da muss man eine klare Haltung beziehen. Dieses Thema würde ich nur mit einer klaren Haltung dagegen ins Blatt nehmen.

dieStandard.at: Wo sehen Sie neue Herausforderungen für Frauenzeitschriften wie die "Brigitte"?

Lebert: In einer Medienlandschaft, die sich immer mehr um klassische Frauenthemen dreht, einen Weg zu finden, privater zu sein. Das heißt, Frauen nicht im öffentlichen, sondern im privaten Raum anzusprechen und danach auch die Themen auszurichten. Welcher Aspekt ist interessant, der eben nicht im "Stern" oder "Spiegel" besprochen wird. Gesellschaftspolitisch kommt es darauf an, dass Frauenzeitschriften eine Haltung bei den Themen einnehmen, die für Frauen wichtig sind. Eines dieser Themen ist Schönheit. Frauen möchten gut aussehen, aber: Hier wecken alle möglichen Industrien beständig neue und manchmal kaum erreichbare Wünsche. Für Frauenzeitschriften ist es wichtig eine Haltung zu finden, die sie für Frauen klar unterscheidbar macht. Ein Beispiel ist unsere "Ohne Models"-Initiative, da schwingt eine Begeisterung dafür mit, dass ein großes Medium zu etwas "Nein" sagt. Dass ein Beruf, in dem Frauen immer dünner werden, praktisch verschwinden, auch verschwinden soll. Dieses "Nein" war offensichtlich attraktiv. Eine klare Haltung, eine Positionierung, wird immer wichtiger und eine neue Herausforderung für Frauenmedien werden. (Die Fragen stellte Beate Hausbichler, dieStandard.at, 9.5.2010)