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Couragiert war Inge Meysel nicht nur in ihren Rollen: "Widersprecht, geht raus, lebt!"

Foto: APA/AP/Roland Weihrauch

Hamburg - Forsche Kämpferin und resolute Kratzbürste, begnadete Selbstdarstellerin und deutsche "Mutter der Nation": Die Attribute für Inge Meysel sind vielfältig und oft auch widersprüchlich. "Ich bin doch überhaupt kein mütterlicher Typ", pflegte Deutschlands populärste Volksschauspielerin über ihr Image zu sagen.

Da hatten sie längst Millionen Menschen als Käthe Scholz in der Fernsehserie "Die Unverbesserlichen" oder als Londoner Putzfrau Ada Harris in ihr Herz geschlossen. "Sie hatte jene Unmittelbarkeit, die die Menschen anspricht", sagte Regisseur Dieter Wedel über die Schauspielerin, die am 30. Mai 100 Jahre alt geworden wäre.

"Abwehr in mir hochgezüchtet"

Das Licht der Welt erblickte "die Meysel" in Berlin, als Tochter eines jüdischen Tabakhändlers und einer Dänin. Ihre Theaterkarriere begann 1930 in Zwickau, Berlin und Leipzig, wurde mit der Machtergreifung der Nazis jedoch abrupt unterbrochen. Bei einem Engagement in Leipzig lernte die Schauspielerin ihren ersten Mann Helmut Rudolph kennen, der ihr während des zwölfjährigen Berufsverbots seelischen Halt und Schutz bot. "Ich bin immer in Kampf- und Abwehrstellung, weil ich mit 23 wegen der Nazis nicht mehr arbeiten durfte. So habe ich eine Abwehr in mir hochgezüchtet, damit mich niemand mehr verletzen kann", sagte sie einmal über sich.

1959 kam der große Erfolg

Am Hamburger Thalia Theater lernte sie 1945 den acht Jahre jüngeren jüdischen Regisseur John Olden kennen, ein englischer Theateroffizier. Er war die große Liebe ihres Lebens: "John Olden war für mich die absolute Erfüllung", sagte Meysel in einem Interview zehn Jahre nach seinem Tod. "Es hat alles gestimmt zwischen uns, vom Aufstehen bis zum Ins-Bett-Gehen." Zusammen mit ihm näherte sie sich dem Charakterfach in Stücken von John Priestley, Tennessee Williams oder Gerhart Hauptmann. Mit "Das Fenster zum Flur" von Curth Flatow kam 1959 der große Bühnen- und Fernseherfolg. Nach Oldens überraschendem Tod 1965 lebte Inge Meysel fortan allein in ihrer Villa in Bullenhausen am Elbdeich bei Hamburg.

Spaß am Kampf

Couragiert war Meysel nicht nur in ihren Rollen. Ende der 1970er lief sie zusammen mit der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer Sturm gegen die Vermarktung der Frau als Sexualobjekt im Magazin "Stern". Die kinderlose Künstlerin engagierte sich in der "Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben" und wandte sich gegen die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Beziehungen. Spaß am Leben habe sie "solange, wie es Spaß am Kampf für mich gibt", sagte sie einmal. Viel zu wenig Menschen hätten im Dritten Reich den Mund aufgemacht - und das sei so geblieben. "Ich bin da eine Ausnahme. Ich mache immer den Mund auf - wenn auch manchmal zu viel."

"Widersprecht, geht raus, lebt!"

"Ihre Empfindsamkeit versteckte sie hinter kratzbürstigem Humor", meinte Regisseur Dieter Wedel bei der Trauerfeier, als Inge Meysel im Juli 2004 im Alter von 94 Jahren starb. "Widersprecht, geht raus, lebt!", das war ihre Parole. Ingeborg Wölffer, mit der Inge Meysel mehr als 50 Jahre befreundet war, schilderte die beliebte Schauspielerin bei der Trauerfeier als einen humorvollen Menschen: "Wenn Du zu meiner Beerdigung gehst, hatte sie einmal gesagt, dann zieh einen roten Hut auf. Wie Du siehst, Inge, habe ich das nicht gemacht, weil ich den Mut dazu nicht hatte. Du hättest den Mut gehabt." (APA)