Die Philosophin Alexa Zellentin: von Oxford nach Graz.

Foto: G. Zellentin

Anfangs sei sie schon etwas desillusioniert gewesen, was sie als Philosophin überhaupt für die Gesellschaft leisten könne, gesteht Alexa Zellentin. Heute ist ihr klar: "Der Beitrag der Philosophie ist es, Begriffe zu klären, aktuelle Debatten verständlich zu machen, Argumente aufzuarbeiten, in die Tiefe zu bohren, zu analysieren, was dahintersteckt."

In ihrem Fachgebiet, der Praktischen Philosophie, blickt Zellentin derzeit hinter die überaus aktuellen Debatten um Klimagerechtigkeit und Klimaflüchtlinge. Gemeinsam mit ihren Kollegen an der Karl-Franzens-Uni in Graz geht sie in einem FWF-Projekt der Frage nach, welche Bedeutung den Emissionen der Industrieländer in der Vergangenheit beigemessen werden soll, nicht zuletzt hinsichtlich der Klimaabkommen, um welche - wie zuletzt in Kopenhagen - gefeilscht wird.

"Dürfen die Entwicklungsländer im Sinne einer Verteilungsgerechtigkeit heute mehr emittieren? Oder sollen sie im Sinne einer kompensatorischen Gerechtigkeit entschädigt werden? Sind wir heute verantwortlich für einen Schaden, den andere vor 200 Jahren angerichtet haben?", schildert Zellentin einige der Ansätze.

Künftig will sich die gebürtige Münchnerin verstärkt der Problematik von Flüchtlingen widmen, die ihre Heimat, etwa kleine Inselstaaten, aufgrund der Klimaerwärmung verlassen müssen. Die 32-Jährige ist selbst viel herumgekommen, freilich freiwillig: Ihren Magister machte sie in Leipzig, wo sie sich eingehend mit den Grundlagen des Liberalismus auseinandersetzte. Außerdem zog sie "das politische Engagement einer ganzen Stadt, die sich die Freiheit gerade erst erkämpft hat", in den Bann und hin zur Politischen Philosophie: "Es war eine große Wachheit spürbar. Auch die Professoren gingen raus aus der Uni in die Öffentlichkeit."

Den Master, den Doktortitel und eine Leidenschaft fürs Rudern holte sie sich anschließend in Oxford - "dort gibt es das weltweit größte Department für Politische Philosophie, und ich hoffte, dass die besten Wissenschafter zumindest einmal zu Besuch kommen würden." Nach vier Jahren Aufenthalt in Oxford wurde es Zeit für einen Tapetenwechsel: "Es ist eine andere Welt, in der man langsam seltsam wird", erzählt Zellentin. "Es gibt unglaublich viele Traditionen, die zwar pompös und erheben sind, aber manchmal auch sehr albern."

Also nahm sie den Rat an, in das Philosophen-Team von Lukas Mayer an der Uni Graz zu wechseln. Erleichtert wurde die Übersiedelung im Herbst letzten Jahres durch ein Grant von Brainpower Austria, einer Initiative des Infrastrukturministeriums zur Vernetzung von Forschern aus dem In- und Ausland. In Graz genießt sie die "großartige Lebensqualität" und die Dynamik beim Aufbau des Forschungsbereichs Praktische Philosophie. Deswegen kann sie sich auch gut vorstellen, abgesehen von kurzfristigen Forschungsaufenthalten im Ausland, längerfristig zu bleiben.

Als berufsmäßige Grüblerin muss sie bewusst abschalten, "sonst besteht die Gefahr, dass die Gedanken durchdrehen", schmunzelt sie. "Manchmal bin ich schon sehr verpeilt." Da genießt sie es so richtig, sich hin und wieder in seichte Vorabendserien zu vertiefen. Ihr aktueller Favorit: "Cinderella's Sister", ein Renner in Südkorea und im Internet zu sehen. Denn: Fernseher hat sie dann doch keinen. (Karin Krichmayr/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.6.2010)