Auf Anregung von Justizministerin Bandion-Ortner wird derzeit eine Verschärfung der Obsorgeregelung diskutiert und am 24. Juni findet dazu eine parlamentarische Enquete unter dem Titel "Konflikten konstruktiv begegnen - Aktuelle Herausforderungen im Familienrecht (Obsorge und Unterhalt) statt.

Auch wenn Details dazu noch unklar sind, mahnen die drei Opferschutzeinrichtungen Kinderschutzzentrum, Tiroler Frauenhaus und Gewaltschutzzentrum zur Vorsicht.

Eine Verschärfung der Obsorgeregelung im Sinne einer verpflichtenden gemeinsamen Obsorge für verheiratete, aber auch nicht verheiratete Paare sei unter Berücksichtigung des Aspekts von häuslicher Gewalt untragbar und höchst gefährlich für die Opfer, betonen die Einrichtungen: "Und diese sind im Bereich der häuslichen, familiären Gewalt überwiegend und statistisch nachweisbar Frauen und Kinder."

Kinder als Zielscheibe und ZeugInnen von Gewalt

Gewalt gegen Frauen gehe sehr oft mit Kindesmisshandlung einher: "In 70 Prozent der Fälle, in denen die Frauen misshandelt wurden, werden die Kinder auch direkt körperlich, psychisch und oder sexuell misshandelt." 100 Prozent der Kinder, die in einem Frauenhaus leben, seien von indirekter, beobachteter Gewalt betroffen, indem sie zu ZeugInnen der Gewaltanwendungen an ihrer Mutter wurden. Sie mussten mit anhören oder mit ansehen wie ihre Mutter gedemütigt, beschimpft, beleidigt, geschlagen, getreten, mit Waffen verletzt, vergewaltigt und zu nicht gewollten sexuellen Handlungen genötigt wurde.

Im Tiroler Gewaltschutzzentrum wurden im Jahr 2009 947 (mit)betroffene Kinder als ZeugInnen bzw. Opfer häuslicher Gewalt statistisch erfasst. Im Tiroler Kinderschutz fanden im Jahr 2009 allein 1.851 Beratungskontexte zur sexuellen Gewalt an Kindern und Jugendlichen statt. Auch dabei sind Kinder von mehreren Gewaltformen betroffen.

Unversehrtheit vor Väterrechten

Die Zeit der Trennung und danach sei die gefährlichste Zeit für Frauen und Kinder: "Das geht aus zahlreichen Untersuchungen hervor", erklären die Einrichtungen, "es darf daher aus Sicherheitsgründen keine automatische gemeinsame Obsorge geben."

Die Einrichtungen vertreten den Standpunkt, dass eine automatische gemeinsame Obsorge für gewalttätige Väter niemals im Sinne Kindeswohls sein könne und urgieren gegen die Ausweitung von Rechten ohne Ausgleich der Pflichten: "Täter degradieren sich auch als Väter. Auch wenn er - und das wird oft als Argument gebracht -'nur' seine Frau misshandelt hat. Das Wohl des Kindes muss Vorrang haben vor dem Recht des Vaters auf das Kind."

Beibehaltung der jetzigen Regelung

Zu den gerichtlichen Kriterien bei Obsorgeentscheidungen zähle auch der Grundsatz der gewaltfreien Erziehung und die Erziehungsfähigkeit: "Wir fordern die Beibehaltung der derzeitigen Obsorgeregelung, die sehr praktikabel und gut bewährt ist." In Familien, wo keine Gewaltdynamik vorhanden wäre, entschieden sich ohnehin 80 Prozent der Betroffenen zur gemeinsamen Obsorge. (red)