Beauty Ntombizodwa Zibula ist Vizepräsidentin und Gender-Beauftragte von SACTWU.

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Die Juli/August Ausgabe des feministischen Frauenmagazins an.schläge.

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Beauty Ntombizodwa Zibula, Vizepräsidentin und Gender-Beauftragte der Textilgewerkschaft SACTWU*, kam Anfang Mai auf Einladung von Südwind nach Österreich. Sie informierte über die sozialen und arbeitsrechtlichen Herausforderungen, denen TextilarbeiterInnen in Südafrika täglich gegenüberstehen. Katharina Weßels traf die Aktivistin zum Interview.

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an.schläge: Wie wirkt sich das Geschäft mit der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika auf die Textilbranche und insbesondere auf die ArbeiterInnen aus?

Beauty Ntombizodwa Zibula: Wir versuchen, die Regierung dazu zu bringen, die Trikots unseres Nationalteams "Bafana Bafana" in Südafrika herstellen zu lassen. Das würde es uns ermöglichen, mehr ArbeiterInnen anzustellen. Gleichzeitig stellen wir auch sicher, dass die Trikots in Clean-Clothes-Unternehmen angefertigt werden und diese auch den Auflagen unserer Tarifkommission entsprechen. Allerdings fragen wir uns, wie es nach der Fußballweltmeisterschaft weitergehen soll. Was wir als Gewerkschaft befürchten, ist die Arbeitslosigkeit, von der nach der WM besonders Frauen betroffen sein werden. Letzten Monat hat die Regierung jedoch ein Programm verabschiedet, das vorsieht, Unternehmen finanziell zu unterstützen, die diese Arbeitslosen einstellen. Jetzt geht es darum, das Programm entsprechend zu implementieren. Darüber hinaus gewährleisten wir, dass Arbeiterinnen, deren Arbeitsverhältnis nach der Weltmeisterschaft endet, eine entsprechende Abfindung von den Firmen erhalten, auch um diesen Frauen die Chance zu geben, sich selbstständig zu machen. Wir hoffen, dass dieses Programm auch hilft, unsere Branche gegen die Konkurrenz aus China zu schützen, denn allein in den letzten vier Jahren gingen hier 70.000 Arbeitsplätze verloren. Wir haben in Südafrika eine Arbeitslosenquote von 31,2 Prozent, und über 26 Prozent der SüdafrikanerInnen leben von weniger als 9,40 Rand (ca. 0,97 Euro) am Tag.

an.schläge: Wie haben sich die Arbeitsbedingungen für Frauen in der Textilindustrie in den letzten Jahren entwickelt?

Beauty Ntombizodwa Zibula: Sehr gut, denn unsere Tarifkommission konzentriert sich stark auf den Gender-Aspekt. Außerdem sind wir der Meinung, dass es keinen Job gibt, den wir nicht erledigen können. Wenn ein Mann dazu in der Lage ist, dann sind wir es auch. Wir möchten nicht allzu sehr beschützt werden, sondern vielmehr die gleichen Möglichkeiten erhalten wie Männer. Auch was das Thema Schwangerschaft und Karenzzeit betrifft, setzt sich die Tarifkommission sehr ein. Die Maßnahmen beinhalten auch alltägliche Dinge, zum Beispiel wenn ein Kind krank wird, sollten ArbeiterInnen die Möglichkeit haben sich freizunehmen.

an.schläge: Was machen speziell Sie als Gender-Beauftragte der SACTWU?

Beauty Ntombizodwa Zibula: Unsere Aufgabe im Gender-Büro ist es, den Frauen mehr Macht zu geben, gerade wenn es um die Unternehmensführung geht. Heute haben auch innerhalb unserer Organisation Frauen höhere Positionen inne, ganz anders als früher, als man nur Chöre von Männern sehen konnte. Und heute werden auch die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür geschaffen, und Frauen können sogar an den Wahlen innerhalb der Gewerkschaft teilnehmen.
Unsere Ziele sind eher langfristige. Wir vergeben auch Stipendien für Bildung, denn bei der Bekämpfung des Analphabetismus wollen wir uns nicht auf die Regierung allein verlassen.

Weitere zentrale Themen sind die Bekämpfung des Missbrauchs in den Familien und die Beratung und Betreuung von Arbeiterinnen mit HIV und AIDS. Wir beschäftigen auch eigene SozialarbeiterInnen und unterhalten eigene Kliniken. Die Krankheit ist sehr weit verbreitet in Südafrika. Unsere Kliniken sind sehr wichtig, denn sie helfen nicht nur dir als Gewerkschaftsmitglied, sondern deiner ganzen Familie. Ich erwähne das, da ich im Jahr 2003 selbst meine Tochter an AIDS verloren habe. Die Gewerkschaft half mir sehr, man betreute mich, denn gleichzeitig musste ich damals noch erfahren, dass auch meine Enkelin mit HIV infiziert worden war. Heute ist sie elf Jahre, sie ist gesund, und die Organisation erkundigt sich weiterhin, wie es ihr geht. 

Unser Ziel ist es, dass sich die ganze Branche Tests unterzieht, um über ihren Status informiert zu sein. Die Tests laufen gerade an, aber wir sollten für eine so große Branche noch mehr Leute anstellen, als wir jetzt haben, die sich um die sterbenskranken Menschen kümmern.

an.schläge: Welchen Stellenwert haben denn genderspezifische Fragestellungen in der aktuellen Regierung?

Beauty Ntombizodwa Zibula: Es ist hier zu einigen Veränderungen gekommen. Es gibt nun viele Frauen, die auch höhere Ämter einnehmen, als Ministerinnen, Delegierte, als Bürgermeisterinnen oder als Ratsmitglieder. Die Regierung setzt sich sehr für Gender-Angelegenheiten ein, schult Frauen, um sie zu ermächtigen. Daneben gibt es finanzielle Zuschüsse für arme Frauen oder auch Wohnbeihilfen. Es gibt auch eine eigene Gender-Abteilung, zu der wir gute Kontakte haben.

an.schläge: Sie waren bereits im Kampf gegen das Apartheid-Regime aktiv. In welcher Form haben Sie sich damals engagiert?

Beauty Ntombizodwa Zibula: Ein spezielles Anliegen damals, ich ging da noch zur Schule, war zum Beispiel, nicht dazu gezwungen zu werden, in Afrikaans zu lernen, denn das ist nicht unsere Muttersprache. Wir sahen uns schon überall versagen, weil wir diese Sprache nicht gut genug beherrschten. Es ging außerdem um unsere politischen Anführer und deren Befreiung aus dem Gefängnis. Und es war ein Hauptanliegen, unsere Version der Geschichte zu erzählen. Wir wollten, dass unser Land antirassistisch wird, dass es keine Diskriminierung, auch keine religiöse, mehr gibt.

an.schläge: In welcher Weise beeinflusst die Erfahrung mit dem Kampf gegen die Apartheid Ihr Engagement für mehr Arbeiterinnenrechte?

Beauty Ntombizodwa Zibula: Ja, da gibt es eine Verbindung. Meine Mutter arbeitete zum Beispiel auf einer Farm und war ihr Leben lang Analphabetin. Ich denke, dass unser Gender-Büro heute die Möglichkeit hat, die Leute aus solchen Situationen herauszuholen. Früher wurden Menschen wie meine Mutter dafür verachtet und diskriminiert, wie sie lebten bzw. leben mussten, denn sie hatten gleichzeitig gar keine Chance, ihr Leben zu verändern oder sich Bildung anzueignen. Die Unterdrückung wurde vom Apartheid-Regime mit "kulturellen Unterschieden" begründet.

Dass ich heute hier mit Ihnen so offen darüber reden kann, liegt daran, dass ich beim Kampf gegen die Apartheid dabei war, aber was ist mit den Menschen, die es nicht waren? Die denken vielfach, dass die Bestimmungen von damals besser waren. Unser Job ist es, diesen Leuten zu erklären, was richtig und was falsch ist. Es liegt dann allerdings an ihnen, wie sie weitermachen wollen.

an.schläge: Sie waren ja nun einige Tage in Österreich. Welche Eindrücke nehmen Sie von Ihrem Besuch mit?

Beauty Ntombizodwa Zibula: In Graz war ich sehr beeindruckt, als ich von den ModestudentInnen erfuhr, dass die Idee der "Clean Clothes" Teil ihres Stundenplans ist. (1) Sie sind sehr gut informiert. Ich werde überlegen, was wir in Südafrika in dieser Hinsicht unternehmen können, denn wir haben es der Regierung überlassen, wie sie die Stundenpläne gestaltet, und unsere Anliegen als Textil- und Bekleidungsindustrie bislang nicht hineinformuliert. Wir müssen unsere Gesellschaft über die Clean-Clothes-Kampagne aufklären. Schließlich wird jemand, der nicht weiß, ob ein Produkt gut oder schlecht ist, es kaufen, weil es billig ist, ohne dabei zu bedenken, dass das unsere Branche zerstört. 

Was mich auch beschäftigt, ist die Sache mit den Designerklamotten. Ein Unternehmen kommt hierher nach Europa, kauft ein bestimmtes Label, nimmt es mit nach Südafrika, repliziert es und gibt ihm einen neuen Namen - was bedeutet, dass die Person, die dieses Design eigentlich kreiert hat, unsichtbar wird. Meiner Meinung nach ist das Betrug, und es zerstört unseren Industriezweig. Es wird dazu führen, dass unsere jungen Talente sich letztlich von der Textilbranche abwenden, denn wenn die Unternehmen weiter so vorgehen, wer kauft dann dein Label? Die Leute werden sagen: "Das Design gibt's auch in Südafrika, nur billiger." Wir haben gerade erst wieder neue DesignerInnen rekrutiert, und man hört bereits ihre Beschwerden. Es ist einfach nicht richtig, dass du fünf Jahre auf eine Modeschule gehst, um am Ende gesagt zu bekommen "Kopier das mal." 

Unsere Branche muss geschützt werden - auch in dem Wissen, dass besonders viele Frauen für diesen Industriezweig arbeiten. Ohne uns wären doch alle nackt. (Katharina Weßels**, dieStandard.at, Datum??)