Hauptfigur Addison (rechts im Bild mit einer Patientin) ist liberal, im Gegensatz zur Fertilitätsspezialistin Naomi, deren Prinzipien nun auf eine Probe gestellt wurden.

Foto: American Broadcasting Companies Inc

Da wir es in Serien vorwiegend mit heterosexuellen Verhältnissen zu tun haben, ist auch eine mögliche Folge davon nicht weit. Und weil Soaps oder Dramaserien nichts fürs Mittelmaß übrig haben, ist das meist eine ungewollte, oder um jeden Preis gewollte Schwangerschaft.

In der kalifornischen "Private Practice" (Montag ORF 1, 21.55 Uhr) ist beides regelmäßig anzutreffen, auch die differenten Meinungen zwischen den dort ansässigen Ärztinnen sind immer wieder Thema.

Hauptprotagonistin Addison vertritt die Position, dass menschliches Leben dann beginnt, wenn es den Mutterleib verlässt. "Bis zur 24. Schwangerschaftswoche entscheidest du allein - dein Körper, deine Entscheidung", erklärt die Gynäkologin - Prädikat pädagogisch wertvoll - ihrer 15-jährigen schwangeren Patientin Maya die gesetzliche Lage in Kalifornien. Deren Mutter Naomi ist nicht nur Fertilitätsspezialistin, sondern auch passionierte Abtreibungsgegnerin. Zwischen ihr und den Kolleginnen Addison und Violet (Psychologin in der Gemeinschaftspraxis), beide haben schon eine Abtreibung hinter sich, gab es schon hitzige Diskussion deswegen. Die katholische Medizinerin hätte nun einem Weltbild gerecht werden können, in dem es nur eine Möglichkeit für eine Schwangere, die es nicht sein will, gibt. Daraus wurde allerdings nichts, denn für ihre eigene Tochter wünschte sie sich alle erdenklichen Möglichkeiten und keine Teenagerschwangerschaft.

Wir kennen die Antwort schon

Kommt in einer Serie eine ungewollte Schwangerschaft vor, scheinen sich die folgenden Skriptseiten fast von allein zu schreiben: Wann und wen über die Umstände informieren? Wie konnte das - und mit wem - passieren? Was wird er sagen? Und natürlich: Was tun? Diese Frage wird allerdings in den seltensten Fällen in den Klartext "Abbruch oder nicht?" übersetzt. Serienaffine FernseherInnen kennen die Antwort auf diese Frage bereits, denn: In TV-Serien wird so gut wie nie abgetrieben. Es gibt Schwangerschaften, die gar keine waren, sehr oft dramatische Fehlgeburten und Treppenstürze, aber es gibt keine Abtreibungen.

Nicht, dass Schwangerschaftsabbrüche als Möglichkeit erst gar nicht vorkämen. Sehr wohl haben es in Serien Freundinnen mal vor Jahren getan, auch Hauptdarstellerinnen selbst - aber nur in Zeiten, in denen frau jung, ohne Geld und Mann oder mitten in der Ausbildung war. So hatten etwa die "Sex and the City"-Ladies mit einer Ausnahme alle Abtreibungen. Kommt es aber dann in der gezeigten Lebensphase zur ungewollten Schwangerschaft, darf es keine plausiblen Gründe mehr geben, sich gegen eine Schwangerschaft zu entscheiden. Selbst wenn das Heim mit Kindern schon randvoll ist, die Nerven am Ende und das Bankkonto leer. Es wird gelitten, geweint und mit dem "Schicksal" gehadert.

Zu egoistisch

So gesehen beispielsweise bei den Desparate Housewives, wo Lynette Scavo mit vier Kindern und Beruf den Gedanken nicht einmal fassen durfte, ohne von ihrem Mann verurteilt zu werden. Zwar könnte man bei Malcolm mittendrin noch verstehen, dass sich eine Sitcom mit diesem Stoff nicht auseinandersetzt, andere ernsthafte Themen schaffen es aber dennoch auf originelle Weise in die Serie, das Thema Abtreibung bleibt ein Tabu.

Zudem wird frau das Gefühl nicht los, dass ungewollte Schwangerschaften eine probates Mittel sind um Figuren Einhalt zu gebieten, die zu sind: Zu egoistisch, zu fixiert auf den Beruf, zu gebildet, zu selbstständig. So traf es etwa in Sex and the City die Harvard-Absolventin Miranda, jene Figur, die ihren Freundinnen von Zeit zu Zeit Nachhilfe in Sachen Unabhängigkeit gab. Am Ende der erfolgreichen Serie, musste Miranda nicht nur ihr Kind, sondern auch die demente Mutter ihres Gatten betreuen, um so zu lernen "was Liebe ist".

Und wie sieht es nun in der Private Practice aus, in der man sich bisher zumindest diskursiv schon etwas mehr traute? Auch hier will die 15-jährige Maya ein Kind, den Vater will sie ehelichen. Vielleicht liegt es daran, dass ungewollte Schwangerschaften besser für weiteren Serienstoff sorgen (siehe Treppenstürze, Vaterschaftstests usw.), vielleicht gilt aber jene Weltanschauung noch immer als der kleinste gemeinsame Nenner, in der Frauen dank ihrer Körper die Grenzen von zu viel Entscheidungsfreiheiten zu spüren bekommen sollen. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 13.7.2010)