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HI-Virus, das der Membran eines weißen Blutkörperchens "entspringt": Maßnahmen gegen Aids sind besonders erfolgreich, wenn sie vor oder während möglicher Ansteckungen erfolgen.

Foto: C. Goldsmith / BSIP / Corbis

Der Kampf gegen Aids ist eine lange Geschichte von medizinischen Erfolgsmeldungen, die sich dann doch wieder als nicht so toll herausstellen. Erst im September 2009 jubelten die Weltgesundheitsorganisation WHO und viele Medien nach einer hunderte Millionen Dollar teuren Studie in Thailand, dass eine Impfung das Risiko einer HIV-Ansteckung um 31,2 Prozent gesenkt habe.
Das Ergebnis erwies sich, genauer betrachtet, als wenig sensationell. Erstens war es statistisch nicht besonders signifikant, und zweitens wusste man nicht wirklich, wie das Medikament eigentlich wirken sollte. Bei der laufenden Konferenz "Aids 2010" in Wien wurden die Hoffnung auf eine HIV-Impfungen in absehbarer Zeit indes wieder gedämpft.

Gestern berichteten ForscherInnen in Wien und quasi zeitgleich im US-Fachjournal "Science" vom nächsten möglichen Erfolg bei der Vorbeugung gegen Aids: Ein Vaginalgel, das zu einem Prozent aus Anti-HIV-Wirkstoff Tenofovir besteht, könne die HIV-Übertragung bei heterosexuellem Geschlechtsverkehr um 39 Prozent senken.

HIV-Prävention für Frauen

Auch diesmal zeigte sich die WHO erfreut. Der Unaids-Generaldirektor Michel Sidibe begrüßte die Ergebnisse ebenfalls: "Wir geben Frauen Hoffnung. Zum ersten Mal sehen wir Resultate für eine HIV-Prävention, die von der Frau durchgeführt werden kann."

Angesichts der nun wieder geschürten Hoffnungen ist auch die Euphorie über die neue Studie aus Südafrika, wo 5,7 Millionen Menschen HIV-positiv sind, wieder etwas zu relativieren - auch wenn nach vielen gescheiterten Anläufen nun erstmals eine chemische Vorbeugung mit einem sogenannten Mikrobiozid zu helfen scheint.

Zunächst ein Blick auf die Fakten: An der neuen Studie nahmen 889 südafrikanische Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren teil, die HIV-negativ waren. 444 Frauen erhielten ein Placebo-Gel ohne Wirkstoff, 445 das echte Gel. Nach einem Beobachtungszeitraum von 30 Monaten zeigte sich, dass es bei den Frauen, die das Placebo-Gel anwendeten, zu 60 HIV-Infektionen kam. In der Gruppe mit dem echten Gel waren es nur 38, also minus 39 Prozent. Zudem senkte es die Genital-Herpes-Infektionen um 51 Prozent.

Abgesehen von den (eher geringen) Nebenwirkungen ist die Anwendung des Gels recht aufwändig: Es sollte bis zu zwölf Stunden vor und zwölf Stunden nach dem Geschlechtsverkehr angewendet werden. Zudem müssen die Zahlen, die auf wenige Probanden zurückgehen, erst noch durch größere Studien erhärtet werden. Schließlich ist die Schutzrate dieses "chemischen Kondoms" von rund 40 Prozent im Vergleich zu einem aus Gummi wenig perfekt.

Immerhin scheint das Konzept richtig zu sein, wie US-Forscher Anthony Fauci in seinem Plenarvortrag bei der Aids-Konferenz indirekt bestätigte: Da das HI-Virus eigentlich ineffizient bei der Infektion von Menschen und ganz am Beginn extrem verwundbar sei, seien Vaginalgels dem Prinzip nach ein brauchbarer Ansatz.

Ein Erfolg ist die Studie, die rund 15 Mio. Euro gekostet hat, jedenfalls für die Pharmafirma Gilead Sciences, die das Gel entwickelt. Deren zuletzt unter Druck geratene Aktienkurse sind nach Bekanntgabe der Studie stark gestiegen - obwohl die Firma das Gel, das pro Anwendung rund 20 Cent kostet, gratis abgeben will.

Geld hilft noch mehr

Erfolgreicher als die Mikrobizid-Studie in Südafrika war eine Untersuchung in Malawi, für die 3800 Mädchen und Frauen zwischen 13 und 22 in zwei Gruppen eingeteilt wurden: Die Teilnehmerinnen der einen Gruppe erhielten ein bis fünf Dollar, wenn sie regelmäßig die Schule besuchten, und ihre Eltern vier bis zehn Dollar monatlich. Die anderen jungen Frauen bekamen kein Geld.
Das Ergebnis: Die Neuinfektionsrate bei den Frauen ohne Geldspenden betrug drei Prozent, jene der Frauen mit Geld, nur 1,2 Prozent. Macht eine Erfolgsquote von über 60 Prozent. Die einfache Erklärung: Frauen mit etwas mehr Geld kamen weniger oft in Versuchung, sich mit riskantem Sex Geld zu verdienen.

Diese Studie kostete übrigens bloß 400.000 Dollar. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.7.2010)