Andrea Burri, Prisca Hintermann: "So zarte Lippen, so weiche Haut - Frauen erzählen von ihrem ersten erotischen Erlebnis mit einer Frau". Schwarzkopf & Schwarzkopf 2010, 208 Seiten, EUR 9,90, ISBN: 978-3896029638

Foto: Buchcover SO ZARTE LIPPEN, SO WEICHE HAUT/Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag

"Ich war im siebten Himmel, die ganze Nacht, den ganzen darauf folgenden Tag. Ich wollte nur noch eins: endlos mit ihr verschmelzen."

"Ich fühlte mich, als hätte sie mir etwas weggenommen, eine Erfahrung, die ich so gerne auf positivere Art und Weise gemacht hätte."

"Ich spürte eine sinnliche Gier, die ich mit Männern so nie wahrgenommen hatte. Irgendwas war anders."

"Ich wollte sie! Was ich jedoch bekam, war harter Sex."

"Mein erstes Mal mit einer Frau hat mein ganzes Leben verändert. Es war ein Schritt in eine neue Zukunft. In eine ganz andere Welt."

Wie sich ihr erstes erotisches Erlebnis mit einer Frau anfühlte, welche Gedanken sie dabei begleiteten, wie sich das Vorher und Nachher gestaltete, beschreiben zwölf Frauen unterschiedlicher Generationen und sexueller Neigungen in "So zarte Lippen, so weiche Haut". Vom einmaligen Ereignis bis zur großen Liebe, aber auch bitteren Enttäuschung reicht die Palette ihrer Erfahrungen, die sie in zwölf autobiografischen Berichten schildern. Da ist Yolanda, die nach Jahren glücklicher Ehe mit einem Mann in ihrer besten Freundin die ideale Lebenspartnerin findet. Diana, die sich zum ersten Mal traut, ihre homoerotischen BDSM-Fantasien auszuleben. Carla findet als Teenager mit ihrer Basketball -Trainerin den "siebten Himmel", für Rebecca ist Sex mit Frauen seither "fixer Bestandteil meines Lebens".

Interviewt wurden die Frauen von Co-Autorin Prisca Hintermann, Sexualforscherin Andrea Burri fasste die Aussagen dann für das Buch zusammen. Alle zwölf gehören zum erweiterten Freundes- und Bekanntenkreis der Autorinnen. "Uns ist aufgefallen, dass es etliche Bücher zum 'heterosexuellen' ersten Mal gibt, aber keines, das die Homoerotik thematisiert", beschreibt Burri im Gespräch mit dem Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf ihre Motivation, die Geschichten der Frauen zu sammeln. "Dabei war es uns ein besonderes Anliegen, mit 'So zarte Lippen, so weiche Haut' nicht nur zu unterhalten, sondern auch ein Thema aufzugreifen, das in der heutigen Zeit - obwohl weit verbreitet und stark präsent - leider noch immer tabuisiert ist: die gleichgeschlechtliche Liebe."

Authentisch bleiben

Besonderen Wert hätten sie darauf gelegt, "die Frauen so authentisch wie möglich zu zeigen und weder enttäuschende Erlebnisse zu beschönigen, noch das Hadern und die Skepsis der Beteiligten zu verdecken", so die Autorinnen. "Einige Frauen lassen sich auf ein sexuelles Abenteuer mit einer anderen Frau ein, weil die Situation es gerade hergibt und sie einfach neugierig sind - und belassen es dann bei diesem einen Erlebnis", schildert Burri Erfahrungen aus den Interviews. "Andere wiederum verlieben sich unerwartet in die Frau, in diesen Fällen zieht das homosexuelle Erlebnis natürlich weitreichende Konsequenzen nach sich."

Manche Frauen berichten im Porträt auch allgemein über ihre sexuelle Neigung, ihre damit verbundenen Bedürfnisse, Zweifel und Sehnsüchte, über ihre Erfahrungen in Kindheit und Jugend, andere beschränken sich auf die Erlebnisse rund um das "erste Mal". Dabei verraten sie durchaus auch erotische Details: "Die Frauen hatten sehr unterschiedliche Gründe, ihre persönliche Geschichte zu erzählen", sagt Andrea Burri. "Die einen haben gern über ihr erstes sexuelles Erlebnis mit einer anderen Frau berichtet, anderen ist es eher schwer gefallen. Es ist wohl auch abhängig davon, ob das Erlebnis ein positives Ende genommen oder die Frauen eher negativ geprägt hat."

Dass Sex zwischen zwei Frauen von Haus aus zärtlicher und/oder einfühlsamer sei, habe sich in den Berichten der Frauen nicht unbedingt bestätigt, sagt Sexualforscherin Burri: "Die Geschichten in unserem Buch zeigen, dass Sex zwischen zwei Frauen wunderschön sein kann, dass es aber eben auch Situationen gibt - genau wie bei heterosexuellem Geschlechtsverkehr -, in denen die Partner nicht harmonieren."

Berührungsängste nehmen

Mit den Porträts wollen die Autorinnen interessierte Frauen auch zum Nachahmen inspirieren und ermutigen, das Buch richte sich an eine breite LeserInnenschaft, sagt Burri. „Sicher ist es besonders für Frauen, die sexuell offen sind oder sich schon immer ganz spezifisch mit der Thematik auseinandergesetzt haben, besonders spannend. Für einige bietet es vielleicht sogar eine Identifikationsplattform. Anderen wiederum nimmt es hoffentlich die Berührungsängste und die Vorurteile". (isa/dieStandard.at, 12.8.2010)