Das Missy Magazine nimmt seinen popkulturellen Auftrag ernst, auch in der aktuellen Ausgabe, der ein neuer Look verpasst wurde: Was die Burka im Pop macht und wie es um die Qualität der neuen Sexromane für junge Frauen steht, geht Missy unter anderem auf den Grund.

Foto: Cover Missy Magazine

Eine Masse an glänzenden Magazinen reiht sich im Zeitschriftenhandel Blatt an Blatt. Zwischen "Cosmopolitan", "Brigitte" und dem Fitnessmagazin "Shape" steckt ein Heft, das zwar nicht völlig deplatziert wirkt, dennoch aber nicht so ganz in die Sortierung der ZeitschriftenhändlerInnen passen will. Zwar befindet sich am Cover der aktuellen Ausgabe - wie auf so vielen Frauenzeitschriften - eine junge attraktive Frau, ihr Style wirkt aber weniger glatt und sie ist auch kein Model, sondern es handelt sich um die Musikerin M.I.A. Gänzlich aufgeklärt wird frau schließlich unterhalb des Titels "Missy Magazine", der ja auch noch nicht auf die Inhalte Politik, Kunst, Musik, feministische Theorie oder Alltagskultur pocht, wo sich das Magazin als "Popkultur für Frauen" erklärt.

"Für Frauen" meint in diesem Fall zur Abwechslung mal "feministisch", dennoch wollten die Missy-Macherinnen "nicht unbedingt ein neues feministisches Magazin erfinden, sondern vielmehr die Popkulturberichterstattung feministischer machen", so Sonja Eismann, Mitgründerin und eine der vier Herausgeberinnen (neben Stefanie Lohaus, Chris Köver und Margarita Tsomou), gegenüber dieStandard.at. "Wir haben uns immer sehr für Popkultur interessiert, wurden aber von den existierenden Magazinen als Frauen nicht angesprochen", so Eismann. Dem Übermaß an männlichen Akteuren und Blickwinkeln wollen die Frauen ein Magazin entgegensetzen, das "unsere von Popkultur geprägten Lebensstile mit all ihren Widersprüchen anspricht und ernst nimmt, ein Magazin, das wir selbst gerne lesen wollten", so die Journalistin Eismann.

Keine unrealistischen Körperbilder

Umgesetzt wurde dieser Anspruch mit einem Set an Themen, das mit sämtlichen Klischees von feministisch/politisch interessierten Frauen aufräumt. Fixer Bestandteil in der Missy sind Porträts über KünstlerInnen wie Sandra Hüller oder Kate Nash, Buch-, Musik-, Games- und TV-Rezensionen. Auch Sex kommt in der Missy selten zu kurz: Open Source Pornographie, netzaktive Pornoaktivistinnen oder Polyamorie sind nur einige Themen, die Missy in den letzten beiden Jahren verhandelte. Auch die Modestrecken sind immer dabei, mit denen sich Missy aber von den Modeseiten anderer Zeitschriften unterscheiden will: "Wir versuchen, kein unrealistisches Körperbild zu vermitteln, sondern eine große Bandbreite abzubilden. Im Idealfall erzählen die Strecken auch noch eine subversive, feministische oder subkulturelle Geschichte - wir hatten ja schon Strecken mit weiblichen Nerds oder feministischen Ikonen", erzählt Eismann. Dennoch will Missy sich auch nicht auf eine solche programmatische Linie festschreiben lassen um möglichst offen zu bleiben. Auch vor einer Rundumerneuerung des Layouts hatte man keine Scheu. Die neue Ausgabe (erschienen am 19. August) wurde einem kompletten Relaunch unterzogen, den die Missy-Neuzugänge Daniela Burger (Artdirektorin) und Hedi Lusser (Bildredakteurin) gestaltet haben.

Wie bei den Themen herrscht auch bei den Anzeigen keine homogene Linie vor. Geworben wird natürlich auch für feministisch Einschlägiges, insgesamt zeigt Missy aber weniger Berührungsängste als andere feministische Magazine. So ist etwa für Glätteisen ebenso eine Annonce zu finden, wie für Beate Uhse. Wie lotet das Missy-Team die Grenzen darüber aus, was noch mit den Inhalten des Blattes vereinbar ist? Herausgeberin Chris Köver: "Es gibt einige Bereiche, die wir ganz grundsätzlich und kategorisch ausschließen - wir würden zum Beispiel nie Diätprodukte im Heft bewerben, auch keine Anti-Cellulite-Mittel oder andere Produkte, die versuchen, Frauen etwas zu verkaufen, indem sie ihnen körperliche Unzulänglichkeit unterstellen und ihr Selbstbewusstsein schädigen." Ansonsten entscheiden die Herausgeberinnen von Fall zu Fall. Die Firmenpraxis, die Anzeigenmotive- und Kampagnen müssen sich aber mit den feministischen Grundsätzen der Missy-Macherinnen vereinbaren lassen, "dabei machen wir zugegebenermaßen Kompromisse", so Köver.

Das 'glamouröse' Potenzial von Feminismus

Alles andere als homogen - so stellen sich die Herausgeberinnen ihre LeserInnen vor und wollen 60-jährige Städterinnen genauso wie 15-jährige Mädchen vom Land ansprechen, ebenso "männliche Leser, die sich für unsere Themen interessieren - auch wenn sie nicht in erster Linie angesprochen werden. Uns erreichen auch immer wieder Briefe von LeserInnen, die vermuten lassen, dass das alles irgendwie gelingt." Die Kerngruppe der Missy-LeserInnen vermutet Eismann aber im Alter von Mitte 20 bis Mitte 30, akademisch gebildet, an feministischen und Theorie-Diskursen genauso interessiert wie an Musik und DIY, Menschen, "die sich des 'glamourösen' Potenzials von Feminismus wohl bewusst sind." 

Das Missy Magazine erscheint in einer Auflage von 20.000 Stück in der Schweiz, Österreich und in Deutschland, wo vermutlich jedeR mit Feminismus die Zeitschrift Emma in Verbindung bringt. Gerade von Feministinnen aus Deutschland wird immer wieder Bewunderung und auch Erstaunen laut, dass es im doch so viel kleineren Österreich verhältnismäßig viele feministische Publikationen gibt ([sic!], an.schläge, fiber, AUF). Auch Chris Köver spricht von auffällig wenig Konkurrenz für die Emma, allerdings gab es "in Deutschland die legendäre und mittlerweile leider fast völlig in Vergessenheit geratene Berliner Frauenzeitschrift Courage, das Sprachrohr der autonomen links-feministischen Szene und viel radikaler als die Emma. Heute gibt es noch die Gazelle, ein multikulturelles Frauenmagazin aus Berlin, das sich ebenfalls als feministisch versteht. Oder auch ein neues feministisches Magazin aus Leipzig, Outside the Box.

Die ollen Kulturarbeitsverhältnisse

Mit anderen politisch engagierten und feministischen Zeitschriften in Österreich wie in Deutschland hat Missy vor allem gemeinsam, praktisch nichts damit zu verdienen. Zwar sind die Missy-Macherinnen Eismann, Köver, Lohaus und Tsomou schon froh allen anderen etwas zahlen zu können, "wenn auch mit unseren Honoraren sicherlich erst mal niemand reich wird". Die Herausgeberinnen selbst arbeiten neben Missy als freie Journalistinnen, Lehrbeauftragte oder Beraterinnen. Wie sich das alles ausgeht? "Zeitlich sind wir alle sehr eingespannt und stets am rotieren, aber das ist in selbstausbeuterischen Kulturarbeitsverhältnissen ja leider eher der Normalfall." 

Auf die Frage, welche Themen feministische Publikationen und Feministinnen künftig beschäftigen werden, rückt Köver  vor allem zwei Problemlagen in den Vordergrund: Familie und Kinder sowie die Frage, wie eine gemeinsame Basis für feministische Solidarität und politische Handlungsfähigkeit gefunden werden kann. Junge Frauen würden die Erfahrungen machen, dass ihnen eigentlich alle Wege offen stehen und denken, in puncto Gleichberechtigung sei alles erreicht. "Erst wenn dann Kinder ins Spiel kommen, merken viele, dass dem nicht so ist. Unserer Meinung nach braucht es da nicht nur strukturelle Änderungen - bessere und professionalisierte Kinderbetreuung -, sondern auch ein neues Mutterbild. In Deutschland ist der Muttermythos immer noch besonders stark", so Köver.

Auch in Sachen feministische Solidarität, die "über Bildungs-, Einkommens-, ethnische, religiöse und andere Grenzen hinausgehen soll", dürfte die Arbeit der vier Herausgeberinnen nicht so schnell langweilig werden lassen. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 26.8.2080)