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Anna Paquin als Sookie Stackhouse: "I'm a waitress." Das auch, und viel mehr.

Foto: APA/HBO, John P. Johnson

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Wer herrscht, wer dient, und muss das so sein? Die VampirInnen Pam, Eric, Bill und Ginger, die Barfrau der Untotenbar "Fangtasia", die über den Überresten eines gepfählten Vampirs kniet.

Foto: APA/13th Street, HBO, Gupta, Prasha

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HBO hat am Sonntag das Finale der dritten Staffel präsentiert, auf das deutschsprachige ZuseherInnen noch länger warten müssen.

Foto: APA/13th Street, HBO

"I wanna do real bad things with you": Wenn in Allan Balls jüngster, mittlerweile drei Staffeln starker Serie "True Blood" die VampirInnen im Mainstream ankommen, macht das den Menschen nicht nur im Bible Belt der Vereinigten Staaten Angst. Schlimme Dinge, wirklich schlimme Dinge, werden passieren, warnen Fernsehprediger die Menschenwelt vor den Plänen, den Untoten per Verfassungszusatz gleiche Rechte zu garantieren. 

Balls Fernsehadaption von Charlaine Harris' Romanen um "Sookie Stackhouse" ist im fiktiven Südstaaten-Kaff Bon Temps, Louisana, angesiedelt; im Sumpf, wo Ungleichbehandlung der Anderen lange Tradition hat. Und auch Sookie (Anna Paquin) ist anders, sie hat nur noch nicht erkannt, wie speziell sie eigentlich ist. Was sie aber weiß, ist, dass sie zuviel weiß, von Dingen, die sie lieber nicht wüsste: Als Telepathin, die als Kellnerin in Merlotte's gut besuchter Bar arbeitet, kann sie sich den oft verletzenden, sexistischen Gedanken der Gäste über sie als Frau und "Mindfreak" nicht entziehen.

Noch härter als Sookie treffen die Vorurteile und Verurteilungen sicher die VampirInnen: Nach den  Schwarzen sind es sie nun, die für ihre Rechte kämpfen, wenn auch von einer ungleich machtvolleren Position aus. Jahrtausende über haben sie im Dunkeln Menschen gejagt, unterworfen, versklavt, getötet. Wie auch Menschen einander.

Aus dem Fernen Osten kommt das Mittel zur potenziellen Revolution: Das japanische Blutimitat "Tru Blood", für jeden Geschmack in allen Blutgruppen erhältlich, ist für jene VampirInnen, die mit den Menschen koexistieren wollen, Verheißung einer neu entworfenen Gesellschaftsordnung; für die anderen ist es Fusel, der nicht so gut schmeckt wie echter Stoff und dazu noch den Spaß an all den lange kultivierten schlimmen Dingen, die in der Vampirgesellschaft bislang nicht sanktioniert wurden, verdirbt.

Das Verlangen nach Blut bleibt in "True Blood" aber kein einseitiges: Auch Vampirblut ("V") hat sich in der Menschenwelt als vielseitige Droge herumgesprochen. V macht stark, heilt selbst tödliche Verletzungen, macht Sex so richtig umwerfend und nimmt die UserInnen in die vergessenen, verdrängten, unentdeckten Winkel des Unterbewusstseins mit. Für die integeren VampirInnen ist es ein Sakrileg, ihr Blut zu verkaufen, nicht zuletzt, weil sie verhindern wollen, dass sie von JägerInnen zu Gejagten werden - aber auch Menschen nehmen sich das, was sie wollen, auch mit Gewalt.

Das spürt Bill Compton (Steven Moyer) am eigenen untoten Leib, als er eines Nachts in Merlotte's Bar auftaucht und prompt an V(ampirblut)-Junkies/Dealer gerät, die ihn ausbluten wollen; in dieser Nacht rettet ihn Sookie, die sich auf Anhieb zu dem stummen Vampir, dessen Gedanken sie nicht hören kann, bei dem sie endlich Ruhe findet, hingezogen fühlt: Sie lässt ihn von sich trinken. Als Bill sich kurz darauf revanchieren muss und die schwerverletzte Sookie an sich saugen lässt, ist eine Verbindung hergestellt, die bis in den Tod währt. Er kann sie jederzeit orten und spüren, wenn sie in Gefahr ist; das Motiv des starken - und sind VampirInnen stark! - Beschützers wird früh lanciert.

Doch "True Blood" ist nicht "Twilight", das in stereotypen Geschlechtermustern verharrt und einen "True Love Waits"-Eiertanz ums große Etwas Sexualität zelebriert: In "True Blood" geht es um den kleinen und großen Tod und die Entwicklungen dazwischen. So viel gestorben wurde zuletzt bei Alan Balls letztem Superwurf "Six Feet Under", und soviel anschaulich gefickt in keiner Fernsehserie aus den USA: Somebody always needs to get down on somebody's Johnson! Bei der Umsetzung kennt man keine nach TV-Maßstäben verschämte Inszenierung und auch keine Geschlechter- bzw. Artengrenzen: Wenn im Vorspann auf der Ankündigungstafel einer Kirche in großen Lettern "God Hates Fangs" aus dem Dunkel aufleuchtet, wird mit feiner Klinge der gesellschaftspolitische Kontext auf einen Blick enttarnt.

Angst vor den Anderen, wobei diese Anderen variabel sind, solange sich das Wir konstruiert über das Verdrängte, Verbotene, kollektiv Unterdrückte, das vermeintliche Monster schafft, und verhindert, die wirklich schlimmen Dinge zu sehen. "True Blood" rollt diese Texturen auf aufregende Weise neu auf; erzählt von den großen menschlichen Schwächen und Leidenschaften, sogar von Liebe, um immer wieder durch eine Außensicht gebrochen zu werden. Und nimmt seine Figuren dabei ernst und lässt sie - oft mit wundervollem Witz - Dinge sagen, die nachwirken: "You're walking in my shoes and it's giving you blisters." (bto/dieStandard.at, 2010)