Helmut Graupner ist Rechtsanwalt in Wien und europaweit tätiger Aktivist für die Rechte homo-, bisexueller und transgender Menschen. Er vertrat führende Fälle vor den österreichischen und europäischen Höchstgerichten, beriet als Experte die EU-Kommission, österreichische JustizministerInnen, den Nationalrat sowie den deutschen Bundestag. Helmut Graupner ist Mitbegründer und Präsident des Rechtskomitte Lambda (RKL) sowie Co-Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Sexualforschung (ÖGS).

Foto: C. Müller

Mit der eingetragenen Partnerschaft (EP) wurde zwar ein wesentlicher Schritt in Richtung Gleichstellung für Homosexuelle vollzogen, einige Unterschiede sind jedoch gravierend und werden von Helmut Graupner als menschenrechtswidrig kritisiert. Laut Statistik Austria haben im ersten Halbjahr 2010 429 gleichgeschlechtliche Paare eine EP geschlossen - davon waren 140 Paare weiblich und 289 männlich. Derzeit führt Rechtsanwalt Graupner einen Prozess wegen des Namensrechts, das für die EP eigens kreiert wurde. Auch die Debatte um die nicht gewährte Witwenpension von Dohnal/Aufreiter gibt Anlass über die EP nachzudenken. Welche Kategorien der Diskriminierung gibt es? Wie vollzieht der Staat ein Zwangs-Outing? Woran scheitert in Österreich die Gleichstellung zwischen Homo- und Heterosexuellen? Diese und andere Fragen von Sandra Ernst-Kaiser erörtert Helmut Graupner, Präsident des Rechtskomitee Lambda.

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dieStandard.at: Sie stehen mit ihrem Engagement für Homosexuelle, Transgender und Bisexuelle in der Öffentlichkeit. Wurden Sie deshalb selbst schon einmal diskriminiert?

Helmut Graupner: Ich bin freiberuflich tätig, nicht von Vorgesetzten abhängig und daher in der glücklichen Situation, noch keine Diskriminierung erfahren zu haben. Als ich Rechtsanwalt wurde und mich selbstständig gemacht habe, befürchtete ich, dass man mir Prügel zwischen die Beine wirft. Das blieb mir zum Glück erspart.

dieStandard.at: Seit Anfang des Jahres gibt es in Österreich die EP für homosexuelle Paare. Bei näherer Betrachtung des Partnerschaftsgesetzes gibt es weiterhin keine Gleichstellung homosexueller Menschen. Welche Unterschiede sind die gravierendsten?

Graupner: Man kann diese Unterschiede in drei Kategorien festmachen. Die ersten Unterschiede bestehen in symbolischer Diskriminierung. Diese Differenzen wurden ganz bewusst getroffen, um nach außen hin den Unterschied zur Zivilehe zu markieren. Das betrifft etwa das Standesamt versus die Bezirksverwaltungsbehörde. Das heißt, Homosexuelle werden auf ein Amt verfrachtet, wo man auch sein Auto anmeldet oder eine Gewerbeberechtigung beantragt. Ein weiterer Bosheitsakt dabei ist die Tatsache, dass die EP nicht wie die Zivilehe an einem schönen Ort - etwa einem Schloss oder Hotel - geschlossen werden darf, sondern das in der Amtsstube stattfinden muss.

dieStandard.at: Sie führen auch gerade einen Prozess bezüglich Namensrecht. Zählt dieser auch zu den symbolischen Diskriminierungen?

Graupner: Auch das ist eine symbolische Diskriminierung. Hierbei gibt es sogar zwei unterschiedliche Formen der Diskriminierung. Zum einen hat man verpartnerten Homosexuellen einen "Nachnamen" verpasst. Das heißt, eingetragene PartnerInnen haben keinen Familiennamen mehr, sondern werden auf Formularen mit "Nachnamen" geführt. Wenn man auf einem Formular mit "Nachname" kategorisiert ist, gibt man damit auch bekannt, dass man in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt. Die Betroffenen werden also gezwungen sich zu outen beziehungsweise werden von Staats wegen her geoutet.

dieStandard.at: Wobei ein Outing per se ja nichts Negatives ist?

Graupner: Natürlich nicht, aber man muss jedem Menschen selbst überlassen ob er/sie sich outen will oder nicht, und wenn Leute sich in gewissen Zusammenhängen nicht outen wollen, dann müssen sie auch das Recht dazu haben. Man kann Leute ermutigen und sagen, dass es besser ist für die Situation von Homosexuellen im Land, wenn sie sichtbar werden. Aber man kann den/die Einzelne/n nicht dazu zwingen, schon gar nicht von Staats wegen. Das ist besonders empörend.

dieStandard.at: Wie sieht es mit der Bindestrich-Regelung aus?

Graupner: Durch die EP kann man genauso einen Doppelnamen führen wie in der Zivilehe. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass für die Zivilehe ein Bindestrich vorgesehen ist, und für Homosexuelle ausdrücklich nicht.

dieStandard.at: Was kritisieren Sie an dieser Namensmarkierung?

Graupner: Das letzte Mal als man auf unserem Staatsgebiet Menschen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe mit einer besonderen Art von Namen kennzeichnete war 1939. Menschen jüdischen Glaubens wurden mit bestimmten Vornamen versehen, Sarah und Israel. Ich will das nicht dahingehend vergleichen, dass Homosexuelle heute verfolgt werden wie Juden im Nationalsozialismus, das ist keine Frage, aber die Kennzeichnung von Bevölkerungsgruppen mit einer bestimmten Namenskategorie ist die Gleiche und ist genauso inakzeptabel wie damals.

Das sind also Teile der symbolischen Diskriminierungen. Für die Betroffenen sind sie schmerzhaft, weil sie damit zu Menschen zweiter Klasse gemacht werden. Die zweite Kategorie betrifft alle Belange rund um Kinder. Da bestehen die meisten Diskriminierungen im Zusammenhang mit der EP und der Zivilehe dahingehend, dass es etwa für Kinder des/der PartnerIn keine Mitversicherung in der Krankenversicherung gibt. Mitunter werden die PartnerInnen sogar dafür bestraft, wenn sie eine EP eingehen.

dieStandard.at: Inwiefern?

Graupner: Weil sie in mancher Hinsicht durch die EP eine schlechtere Position gegenüber den Kindern innehaben, als wenn sie keine Partnerschaft eingegangen wären. Etwa bei Pflegeurlaub kranker oder bei Sterbebegleitung todkranker Kinder muss der/die PartnerIn vorweisen, dass kein leiblicher Elternteil die Pflege übernehmen kann. Nur dann kann der/die eingetragene PartnerIn diesen Pflegeurlaub oder die Hospizkarenz für das Stiefkind beanspruchen. Das ist eine Strafe dafür, dass sich die beiden verpartnert haben, ohne EP wäre das problemlos. Das ist absurd, unsachlich, gleichheits- und menschenrechtswidrig. Ebenso ist die Adoption verboten. Auch die Adoption der Kinder des/der PartnerIn. Lesbischen Frauen wurde anlässlich der Einführung der EP de facto die Fortpflanzung verboten. Jeder Mensch hat ein Recht auf Fortpflanzung. Wie sollen lesbische Frauen Kinder bekommen, wenn nicht durch künstliche Befruchtung? Man kann ihnen nicht zumuten, sozusagen von Staats wegen zwangsweise heterosexuellen Geschlechtsverkehr entgegen ihrer sexuellen Orientierung zu haben. Ebensowenig kann man ihnen diese quasi staatlich anordnen, entgegen ihrem Versprechen ihrer Bindung, die sie mit ihrer Partnerin eingegangen sind, jetzt mit irgendjemand anderen Geschlechtsverkehr zu haben.

dieStandard.at: Was würde passieren, würde eine lesbische Frau in einer EP durch künstliche Befruchtung schwanger werden?

Graupner: Es ist illegal, daher macht das weder ein Arzt noch ein Krankenhaus in Österreich. Diese und die Frau selbst würden sich strafbar machen. Für Ärzte kann das auch ein Disziplinarverfahren nach sich ziehen. Lesben können aber ins Ausland fahren und dort die Befruchtung vornehmen lassen. Aber warum sollten sie das machen, wenn es heterosexuellen nicht verheirateten Frauen gestattet ist sich künstlich befruchten zu lassen? Der einzige Grund, warum es Lesben verboten ist, ist weil sie mit keinem Mann zusammenleben sondern mit einer Frau.

dieStandard.at: Wie sieht die dritte Form der Diskriminierung aus?

Graupner: Die dritte Kategorie sieht die EP in verschiedener Hinsicht als lockere Bindung, im Sinne einer modernen Partnerschaft: Kürzere Scheidungsfristen, nach der Scheidung geringere Unterhaltspflichten, keine Pflicht zur Treue sondern umfassende Vertrauensbeziehung. Auch die Wiederverheiratung im Todesfall ist leichter. Das Partnerschaftsband ist also lockerer als das Eheband, das viel strikter, traditioneller und enger ist. Ob jemand das gut oder schlecht findet, ist Ansichtssache, mit der sexuellen Orientierung oder dem Geschlecht der/des PartnerIn hat das nichts zu tun. Das Gesetz diskriminiert hier auch heterosexuelle Paare, die gerne diese lockere Partnerschaft schließen würden. Es ist nicht einzusehen, warum hier Unterschiede gemacht werden, weil die gewünschte Intensität einer Bindung höchst individuell und jedenfalls unabhängig vom Geschlecht ist.

dieStandard.at: Mit der EP wurde also im 21. Jahrhundert eine Institution geschaffen, die diskriminiert und nur für Homosexuelle zugänglich ist. Wie werden solche Gesetze gerechtfertigt?

Graupner: Im Bereich der Homosexuellen war es die ÖVP, die die Gleichberechtigung, das Gesetz und die Anerkennung überhaupt nicht wollte. Die ÖVP hat sich von der gesellschaftlichen Realität entfernt, sich aber breitschlagen lassen, weil das auch international nicht mehr haltbar war. So haben sie die Zivilehe als Institut erster Klasse etabliert und die EP zum Institut zweiter Klasse degradiert. Das ist menschenrechtswidrig und das sieht man in der ÖVP entweder nicht ein, weil man der Meinung ist, dass homosexuelle Paare heterosexuellen nicht gleichwertig sind oder es ist schlicht und einfach gleichgültig und es wird darauf gehofft, dass das vor den Höchstgerichten hält.

dieStandard.at: Scheitert Gleichstellung am politischen Problembewusstsein?

Graupner: Es ist leider immer wieder die ÖVP. In der Post-Haider-Ära ist es jetzt die FPÖ, die die ÖVP als homophobste Partei abgelöst hat. Zu Haiders Zeiten war das noch anders. Da hat sich die FPÖ relativ neutral verhalten. ÖVP und FPÖ betreiben homophobe Politik. Die FPÖ macht zwar Stimmung gegen Homosexuelle, hat aber kein Mitspracherecht, weil sie nicht regiert. Da ist natürlich schon die ÖVP ausschlaggebend. Die bestehenden Diskriminierungen sind nicht am Mist der SPÖ gewachsen. Die SPÖ hat sich darauf eingelassen, um eben überhaupt einmal etwas zu ermöglichen. Die Diskriminierungen, die in der EP bestehen, haben wir ganz klar der ÖVP zu verdanken.

dieStandard.at: Ein aktueller Fall von Ungleichbehandlung ist der von Dohnal und Aufreiter. Frau Aufreiter hat die Witwenpension beantragt, diese wurde aber vom Ministerrat abgelehnt. Wie hätte die Regierung damit umgehen sollen?

Graupner: Formell gibt es in der Witwenpension Gleichheit. Aber die EP ist erst seit Anfang des Jahres möglich. Dohnal und Aufreiter waren seit 30 Jahren ein Paar. Sie hatten aber erst Anfang des Jahres das Recht, eine Partnerschaft zu schließen, deswegen kann die Wartezeit, die für eine Witwenpension erforderlich ist, nicht erfüllt werden. Es ist insofern eine Diskriminierung, weil sie ihre Vorlaufzeit nicht erfüllen konnten. Wäre eine der beiden männlich gewesen, wäre das nicht passiert. Ein klassischer Fall von Diskriminierung.

dieStandard.at: Wie hätte der Ministerrat reagieren sollen?

Graupner: Da das Gesetz so ist, fürchte ich, konnte der Ministerrat auch nichts ändern. Aber sie hätten den Fall Dohnal/Aufreiter zum Anlass nehmen können, das Gesetz zu verbessern. Offenbar gibt es hier aber keinen Willen und das ist traurig.

dieStandard.at: Wo kein politischer Wille, bleibt also nur die Klagsmöglichkeit?

Graupner: Es gibt zwei Wege menschenrechtswidrige Gesetze zu reparieren. Entweder auf politischem Weg durch das Parlament, oder eben über die Gerichte. Gerade wenn am politischen Weg nichts passiert - und das ist jetzt in Österreich leider so - müssen wir den Gerichtsweg bestreiten. Der Gerichtsweg ist daher jetzt ganz besonders wichtig. Einerseits um öffentlich das Problembewusstsein aufrecht zu erhalten, andererseits natürlich um menschrechtskonforme Verhältnisse zu schaffen. (Sandra Ernst-Kaiser, dieStandard.at 5.9.2010)