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Die russische Malerin, Kunsttheoretikerin und Mäzenin Marianne von Werefkin ragt als Malerin und Kunsttheoretikerin aus ihrem Zeitkontext heraus - und auch als Frau.

Bild: Marianne von Werefkin - Masques de village (Masken aus dem Dorf, 1925)

Foto: APA/EPA/STEFAN SAUER

Marianne von Werefkin entstammt einer gebildeten und begüterten Adelsfamilie. Die Mutter ist Malerin, der Vater General, der für seine Verdienste im Krimkrieg von Zar Alexander II. das Gut Blagodat in Litauen geschenkt bekommt, eine beliebte Sommerfrische der Familie. Werefkin hat dort ihr Atelierhaus. Ab 1874 bekommt die Tochter aufgrund ihres außergewöhnlichen Talents professionellen Zeichenunterricht. Ilja Repin, der bedeutendste Maler des russische Realismus, wird 1880 ihr Privatlehrer.

Bei einen Jagdunfall durchschießt sie ihre rechte Hand. Doch Werefkin lässt sich von einem fehlenden Mittelfinger nicht vom Malen abhalten. Ihre Behinderung wird ihr nicht wirklich zum Hemmnis, weit mehr jedoch eine 27 Jahre währende Beziehung zu dem vier Jahre jüngeren, mittellosen Offizier Jawlensky.

1892 lernt sie den ebenfalls malenden Jawlensky kennen, als sie selbst bereits durch Ausstellungen als "russischer Rembrandt" gilt. "Die Liebe ist eine gefährliche Sache, besonders in den Händen Jawlenskys", urteilt sie. Auf eine Heirat verzichtet sie, nicht zuletzt deshalb, weil sie eine großzügigen Rente des Zaren als verheiratete Frau verloren hätte.

Sie förderte ihn mit all ihren Kräften, um ihm zu ermöglichen, was "einem schwachen Weibe" zu ihrer Zeit verwehrt ist. "Drei Jahre vergingen in unermüdlicher Pflege seines Verstandes und seines Herzens. Alles, alles, was er von mir erhielt, gab ich vor zu nehmen - alles, was ich in ihn hineinlegte, gab ich vor, als Geschenk zu empfangen ... damit er nicht als Künstler eifersüchtig sein sollte, verbarg ich vor ihm meine Kunst."

Ihr Geliebter dankt es ihr, indem er sich an der neunjährigen Helene Nesnakomoff vergeht, der Gehilfin von Werefkins Zofe. Mit der Zofe hat er bereits ein Verhältnis und sie bekommt einen Sohn. Werefkin führt Tagebuch und erfindet ab diesem Zeitpunkt in den "Lettres à un Inconnu" einen imaginären Gesprächspartner, um den Mangel in ihrem Leben auszugleichen. 20 Jahre später heiratet Jawlensky die Mutter seines Sohnes, um sich gänzlich von der inzwischen verarmten Werefkin zu distanzieren.

1896 zieht Werefkin nach München-Schwabing, wo sie bald einen berühmten Salon unterhält. Hier trifft sich die Kunstwelt und diskutiert über die neusten Entwicklungen. Werefkin wird zur charismatischen Theoretikerin und Impulsgeberin. 1906 endet ihre zehnjährige Jawlensky-Krise und sie greift erneut zum Pinsel. Bis zum Beginn des ersten Weltkriegs schafft sie bahnbrechende, weit in die Zukunft weisende Werke.

Sie beeinflusst Wassily Kandinsky, der mit ihren Ideen als wichtiger Theoretiker in die Kunstgeschichte eingehen sollte, zum Beispiel mit der Schrift "Über das Geistige in der Kunst, insbesondere in der Malerei" aus den Jahren 1911/12. Die Ideengeberin Werefkin wird nicht erwähnt. Werefkin gründet zusammen mit weiteren Künstlerkollegen in ihrem "rosafarbenen Salon" die Neue Künstlervereinigung München, ohne Kandinsky. Nach einer unschönen Intrige, initiiert von Kandinsky, Marc und Macke, spaltet sich der "Blaue Reiter" ab. Werefkin wird zu "des blauen Reiterreiterin", wie ihre Freundin Else Lasker-Schüler sie nennt.

Mit Ausbruch des ersten Weltkriegs geht Werefkin mit Jawlensky in die Schweiz. Werefkin schließt sich der Dada-Bewegung an. Die russische Revolution führt jedoch zum Verlust ihrer zaristischen Rente. 1921 bricht sie mit Jawlensky. Sie verdient ihren Lebensunterhalt als Vertreterin für Pharmaprodukte und mit grafischen Arbeiten.

Verarmt, jedoch ungebrochen schöpferisch, verbringt sie das letzte Viertel ihres Lebens in Ascona, getragen von Freundschaft und Bewunderung für ihre Werke. Am 6. Februar 1938 stirbt sie in Ascona. Die Stadt verdankt ihr durch ihre Schenkung einen reichen Bestand an Werefkin-Werken. Sie befinden sich im Museo comunale di Ascona, dem Sitz der Fondazione Marianne Werefkin. (Luise F. Pusch)