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Kulturvermittlerin Beatrix Hain zeigt in Spezial-Führungen durch das Technische Museum Wien, wie viel Frau hinter der Technik steckt.

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Hypatia von Alexandria (370 - 415 n. Chr.) war die erste geschichtlich bekannte Mathematikerin und Astronomin. Die Erfindung des Astrolabiums, ein Gerät zur Winkelmessung am Himmel, wird ihr zugeschrieben. Hypatias Arbeiten und Schriften waren wichtige Basis für den Durchbruch des heliozentrischen Weltbildes.

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Die französische Wissenschafterin Marie Curie (1867-1934) und ihr Ehemann Pierre Curie: Marie Curie untersuchte die 1896 von Henri Becquerel beobachtete Strahlung von Uranverbindungen und bezeichnete sie als "radioaktiv". Als sie 1898 das Element Radium entdeckte, widerlegte sie die These von der Unveränderlichkeit der Elemente. Mit zwei Nobelpreisen in Physik und Chemie gilt sie als eine der bedeutendsten Forscherinnen der Geschichte.

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"Bureau" um 1905: Die ab Ende des 19. Jahrhunderts immer zahlreicher werdenden "Bureaux" gelten als Keimzelle der modernen Wirtschaftsverwaltung. Ab Ende des 19. Jahrhunderts strömten immer mehr Frauen in das zuvor ausschließlich von Männern besetzte Büro, denn die Kontore, und Handelsgeschäfte verzeichneten einen wachsenden Bedarf an angelernten Arbeitskräften. Den Platz an der Schreibmaschine, die um die Jahrhundertwende in die Büros Einzug hielt, nahmen meist Frauen ein.

Foto: Technisches Museum Wien/Postarchiv

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Die österreichisch-schwedische Physikerin Lise Meitner (1878-1968) entdeckte gemeinsam mit Otto Hahn 1938 die Kernspaltung, die grundlegende Entdeckung für die moderne Atomwissenschaft.

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Wiener Telefonvermittlung um 1910: Der Beruf der Telefonmanipulantin zählte zu den gehobenen und sehr begehrten Beamtenberufen. Eine Chance auf Aufnahme hatten nur Frauen, die ledig oder verwitwet waren.

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Die Tätigkeit des "Fräuleins vom Amt", die die TelefonteilnehmerInnen an den Klappen miteinander verband, war seit den Anfängen des Telefons eine für Frauen vorgesehene Beschäftigung.

Foto: Technisches Museum Wien

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Margarete Schütte-Lihotzky (1897-2000) war die erste Frau, die in Österreich ein Architekturstudium abschloss. Sie entwarf die "Frankfurter Küche", den Prototyp der modernen Einbauküche, die Frauen den Arbeitsalltag durch effizientere Raumaufteilung und Handlungsabläufe wesentlich erleichtern sollte.

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"Folgen Sie mir bitte in die unterste Etage", fordert Beatrix Hain die Gruppe Frauen, die hinter den Kassen im Eingangsbereich auf sie wartet, freundlich auf. Einen rosafarbenen Ordner mit der Aufschrift "Patente Frauen" unterm Arm, führt die umtriebige Museumspädagogin die Gruppe den riesigen Korridor in der Mittelhalle entlang, vorbei an Eisenbahnwaggons, Turbinen, Dampfmaschinen und anderen Geräten aus der Schwerindustrie.

Die Frauen, die hinter den vielen technischen Errungenschaften im Technischen Museum Wien (TMW) stecken, sind auf den ersten Blick kaum zu finden. Keine Hinweistafel, kein Audio-Guide und kein Leitsystem weist auf die Wissenschafterinnen, Erfinderinnen und Technikerinnen hin, deren Leistungen im Museum zu finden sind. Nur durch Zufall begegnen sie aufmerksamen BesucherInnen beim Bestaunen der Ausstellungsobjekte in den einzelnen Sammlungen. Das soll sich, Schritt für Schritt, ändern: "Wie viel Frau tatsächlich hinter der Technik steckt, wollen wir Frauen in den Spezialführungen vermitteln", sagt Beatrix Hain und bleibt, in der untersten Museumsetage angekommen, vor einem großen Glaskasten stehen.

Patente Griechin

In der Vitrine sehen wir eine der wichtigsten Erfindungen für die Astronomie: das Astrolabium, entwickelt um 400 nach Christus von der ersten Mathematikerin der Geschichte: Hypatia von Alexandria. Im Profil blickt uns die Griechin aus dem Ordner der "patenten Frauen" entgegen. Als solche das Patent auf die eigene Erfindung einzureichen, war, wie wir hören, übrigens erst 1809 erstmals im eigenen Namen möglich.

Weg der Sterne

Weiter geht's auf dem Weg der Sterne zu Karoline Herschel, deren Bruder den Planeten Uranus entdeckte. Die Sternenkartenzeichnerin und Entdeckerin von Nebel und Kometen ging als erste Technikerin in die Geschichte ein und wurde als eine der ersten Frauen auf ihrem Gebiet für ihre Leistungen entlohnt und ausgezeichnet.

Gespannt folgen die Frauen der Führungsgruppe den Schilderungen von Beatrix Hain, die sie immer wieder motiviert, Fragen zu stellen und auch selbst die Frauen nach ihren persönlichen Erfahrungen mit Technik fragt, um besser an den Hintergrund der Teilnehmerinnen anknüpfen zu können. "Vor Technik hab ich immer ein bisschen Respekt", gibt eine der jungen Frauen zu. Wie die anderen nimmt sie am Programm "FiT - Frauen in die Technik" teil und will eine handwerklich/technische Ausbildung beginnen.

Keine Männerdomäne

Seit 2009 fanden 30 Frauenführungen mit an die 350 Teilnehmerinnen im TMW statt. Bisher gemeinsam mit dem AMS, für Frauen in Umschulung, nun können die Spezialführungen auch abseits dieser Kooperation von interessierten Gruppen gebucht werden. Die Idee dazu hat Beatrix Hain aus dem Technischen Museum in München nach Wien geholt, zunächst mit der Absicht, das Selbstwertgefühl von Frauen in AMS-Führungen zu stärken, indem sie sehen, wie viel Leistung Frauen in der Technik schon erbracht haben: "Wir wollen Frauen mit der Führung darauf aufmerksam machen, dass technische Berufe keine Männerdomäne sein müssen", sagt sie. "Da die Gruppen klein sind, entsteht zwischen den Frauen und uns Kulturvermittlerinnen auch ein Dialog. Oft bekommen Teilnehmerinnen durch die Führung einen neuen Zugang zum Thema Technik."

Technik entmystifizieren

Bei Marie Curie und der Radioaktivität können wir selbst aktiv werden: Wir testen spielerisch den radioaktiven Zerfall anhand verschiedenster Schauobjekte und hören über die gesundheitlichen Risiken früherer Arbeiterinnen bei der Uhrenherstellung, als die winzigen Leuchtzifferblätter noch händisch mit uranangereicherter Farbe bemalt wurden. Solche Details und Nebenschauplätze bringt Beatrix Hain gerne in die Führungen ein, denn: "Mir geht es bei der Vermittlung von Technik nicht in erster Linie um das 'Wie funktioniert was?', sondern der Mensch und die Auswirkungen auf seine Lebenswelt stehen im Vordergrund." Der Fokus auf Frauen in der Technik, quer durch die Jahrhunderte, sei ein Zugang dazu. "Mit der Spezialführung wollen wir die Technik entmystifizieren und das Bewusstsein schaffen, dass sie Teil des Alltags ist."

Networkerinnen im eigenen Haus

Auch im beruflichen Umfeld der Mitarbeiterinnen des Technischen Museums hat sich seit der Umstrukturierung des Hauses von einem reinen Ausstellungsbetrieb zum Dienstleistungsunternehmen viel getan: Das Museum versucht, ihnen den Alltag zu erleichtern, indem etwa Besprechungen und Betriebszeiten möglichst so angesetzt werden, dass sie mit Kinderbetreuungspflichten zu vereinbaren sind, wenn die Kinder krank sind, dürfen die Mitarbeiterinnen auch von zu Hause arbeiten und die Kinder können im Notfall auch mal mit an den Arbeitsplatz kommen. Frauen sind im TMW mittlerweile quer durch alle Bereiche tätig, von den Werkstätten bis hinauf zu Museumsdirektorin Gabriele Zuna-Kratky: "Der Frauenanteil liegt mittlerweile über 42 Prozent, das Klima ist ausgeglichener und die Kommunikation unter den MitarbeiterInnen hat sich wesentlich verbessert", sagt Hain. "Wir Frauen geben unser Wissen untereinander weiter und sind intern zu Networkerinnen geworden."

Eingebettet in die Geschichte

Einen Raum weiter sind die Errungenschaften von Lise Meitner präsentiert, die gemeinsam mit Otto Hahn die Kernspaltung entdeckte. Welche Hindernisse der genialen Physikerin von Kollegen in den Weg gelegt wurden, weiß Frau Hain spannend zu vermitteln. Eingebettet in die Geschichte der Frauenbewegung geht sie neben den Leistungen der Frauen auch auf deren Herkunft, Ausbildung und Leben ein.

Nach einer halben Stunde ist erst ein kleiner Teil der großen Themenbereiche geschafft, denn neben der Frau als Forscherin gibt es noch die Frau als Nutznießerin der Technik, die Frau im Arbeitsprozess und die Auswirkungen der technischen Entwicklungen auf Lebenswelt und Alltag von Frauen zu entdecken. "In knapp eineinhalb Stunden ist es so gut wie unmöglich, alle Schwerpunkte unterzubringen", klagt die Museumspädagogin auf unserem Weg nach oben. "Ich treffe eine Auswahl und frage die Gruppe, was sie am meisten interessiert."

Die Zeit läuft

Nach den Naturwissenschafterinnen entscheidet sich die Gruppe für Arbeit und Alltag und wir machen uns Richtung Erzberg, dem "Brotlaib der Steiermark" auf, wo wir mehr über die Geschichte der "Klauberinnen" und anderer Arbeiterinnen in der (Schwer-)Industrie erfahren. Den top-ausgestatteten Original-Hofsalonwagen von Kaiserin Sisi als majestätische Nutznießerin moderner Technik nehmen wir im Vorbeigehen auch noch mit. Frauen als Fliegerinnen und die Entwicklerinnen von Fallschirm und Schweißroboter müssen wir aus Zeitmangel leider auslassen. Dafür bestaunen wir die bahnbrechende Erfindung der Einbauküche von Margarete Schütte-Lihotzky im Gemeindebau und wissen nach der Postsammlung mehr über den Arbeitsplatz des berühmten "Fräuleins vom Amt".

Spätestens jetzt schauen sich die Teilnehmerinnen während des Zuhörens suchend nach Sitzgelegenheiten um: Bildung macht die Beine müde. Kulturvermittlerin Hain sieht verständnisvoll lächelnd auf die Uhr und stellt der Gruppe in der Musiksammlung noch rasch Klavierbauerin Nanette Streicher vor. Zum musikalischen Abschluss erkurbelt sie uns ein Ständchen auf dem Orchestrion, dem klassischen Vorläufer von Wurlitzer und Juke Box. Das habe zwar mit Frauen nichts zu tun, zwinkert sie, aber: "Es klingt einfach so schön!" (Isabella Lechner/dieStandard.at, 13.9.2010)