Was lange währt, wird - manchmal - gut: Die Idee für ein Doktoratskolleg an der Universität Wien zur Frauen- und Genderforschung ist bereits zwanzig Jahre alt. Ein entsprechender Antrag war Mitte der 1990er in internationaler Begutachtung - und die Gutachten, unter anderem erstellt von Forscherinnen aus den USA, waren eigentlich allesamt positiv.

Aber der damalige FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) konnte sich nicht dazu entscheiden. Mit zusammengekratzten Geldern - Caspar Einem war ein für solche Ideen ansprechbarer Wissenschaftsminister, und der Sozialanthropologe Andre Gingrich steuerte später einen Teil seines Wittgenstein-Preisgeldes bei - wurde dann an der damaligen Gruwi-Fakultät (heute Sozialwissenschaften) das "Genderkolleg" eingerichtet und erhalten, mit spezifischen Lehrveranstaltungen und in der Regel einer Gastprofessorin pro Semester. Als das Geld versickerte, bewarben sich die Genderforscherinnen um ein "Initiativkolleg". 2009 kam die Zusage, Start war im März 2010.

Zwölf Kollegiaten und Kollegiatinnen haben die Möglichkeit, im Rahmen des von der Universität Wien finanzierten dreijährigen "strukturierten Doktorats-Studiengangs" zu Genderfragen zu forschen und zu promovieren. Der Titel des Initiativkollegs lautet "Gender, Violence and Agency in the Era of Globalization". Es geht also um die Erforschung unterschiedlicher Formen von geschlechtsbasierter Gewalt.

Das Wort, über das ein Forschungsfremder im Titel stolpern könnte, "Agency", bedeutet in diesem Kontext "Handlungsfähigkeit". Birgit Sauer: "Frauen und Männer sollen nicht nur als Opfer von Gewalt gesehen werden, sondern es geht immer auch darum, welche Handlungsmöglichkeiten gegen Gewalt es gibt - und ob diese Handlungsmöglichkeiten dann auch geschlechtsspezifisch sind."

Vier Themenbereiche

Die Doktorarbeiten können sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch geschrieben werden, auch die Lehrveranstaltungen - die für die Kollegiatinnen (neben elf Frauen ein Mann) reserviert sind - werden in beiden Sprachen gehalten. An die fünfzig Kandidatinnen bewarben sich um die Stellen, die meisten aus dem deutschsprachigen Raum. Die Erwählten kommen aus Deutschland, Österreich und Ungarn.

Es gibt vier Unterthemen, für die eine Bewerbung möglich war, sowohl zu spezifischer Frauenforschung als auch zu Genderthemen:
1. "Grenzen" (Constructing and Deconstructing Borders): Alles, was an Gewalt in neuen Grenzen passiert, Verschiebung von Grenzen, durch Kriege, aber auch durch Migration oder Menschenhandel.
2. "Familiäre Gewalt in multikulturellen Gesellschaften" (Cultural Diversity and Fundamentalist Responses) - interessanterweise hat sich niemand zum Thema "Häusliche Gewalt in Österreich" beworben.
3. "Krieg" (Transforming State Power and Violence) und
4. "Körper" (Bodies in Conflict): Eingriffe in den Körper, ein Gewaltbegriff, der von Genitalbeschneidung bis zu plastischer Chirurgie reicht. (guha/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.9.2010)