Warschau - Das restriktive polnische Abtreibungsgesetz hat sich nicht bewährt. Das sagte der Vorsitzende des Bündnisses der Demokratischen Linken (SLD), Grzegorz Napieralski, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Es habe zu ungezählt vielen illegalen Abtreibungen geführt. Deshalb wolle seine Partei eine Debatte über eine Liberalisierung. Die konservativen Parteien im Parlament lehnen dies ab.

Napieralski betonte, dass laut Nichtregierungsorganisationen der Schwarzmarkt für Abtreibungen in Polen wächst. "Das ist ein sehr kompliziertes Problem, aber es zeigt, dass es durch das sehr restriktive Recht in Polen immer mehr Schwangerschaftsabbrüche gibt", so Napieralski.

Tote und geschädigte Frauen

Er wies arauf hin, dass die Abtreibungen oft unter gefährlichen Bedingungen durchgeführt werden und Frauen Gesundheit oder sogar Leben riskieren. "Es gibt Todesfälle und zahlreiche Fälle von bleibenden Gesundheitsschäden", betonte der SLD-Chef. Die SLD will, dass die Abtreibung bis zur 10. Schwangerschaftswoche auf Wunsch gestattet wird. Die Linke möchte im Oktober einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.

"Wahlkampfmanöver"

Die Abgeordneten der übrigen drei Parteien im Parlament sind sich darüber einig, dass der SLD-Vorschlag keine Chancen hat, in Kraft zu treten, und er nur ein Wahlkampfmanöver vor den Kommunalwahlen im November ist. Die Abgeordnete der rechtsliberalen Regierungspartei Bürgerplattform (PO), Malgorzata Kidawa-Blonska, erklärte gegenüber der Tageszeitung "Rzeczpospolita", dass der Kompromiss, der bei der Verabschiedung des aktuellen Gesetzes geschlossen wurde, der beste ist, den man überhaupt schließen konnte.

Ihrer Meinung nach lässt sich mit der Liberalisierung der Regelungen der Schwarzmarkt für Abtreibungen nicht beheben. Sie erinnerte, dass das Thema alle vier Jahre vor den Wahlen zurückkehrt.

Liberalisierung chancenlos

Die rechtskonservative Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nennt die SLD-Forderungen einen "ideologischen Kreuzzug". Der PiS-Abgeordnete Adam Hofman ist der Auffassung, dass eine Debatte über Abtreibungsregelungen starke Emotionen und einen gesellschaftlichen Konflikt erzeugen wird und ein anderer Kompromiss kaum zu finden wäre. Der Chef der Fraktion der moderaten Bauernpartei PSL, Stanislaw Zelichowski, sagte im Gespräch mit "Rzeczpospolita", dass selbst die SLD nicht glaubt, dass eine solche Liberalisierung in Polen in Kraft treten könnte.

190.000 illegale Abtreibungen

Laut Schätzungen der Föderation für Frauen und Familienplanung werden in Polen pro Jahr bis zu 190.000 illegale Abtreibungen durchgeführt. Legale Eingriffe gab es 2008 nur 500. Die derzeitigen Regelungen für Schwangerschaftsabbrüche in Polen gehören zu den restriktivsten in Europa. Eine Abtreibung ist in Polen nur nach einer Vergewaltigung, bei schwerer Behinderung des Fötus oder einer Bedrohung der Gesundheit oder des Lebens der Mutter gestattet. (APA)