"Gendersensible Leistungsbeschreibungen" + Genderkompetenz = Zuschlag bei öffentlichen Auftragsvergaben der Stadt Wien.

Grafik: Redaktion

Dienstleistungsbetriebe, die von der Stadt Wien Aufträge erhalten wollen, müssen künftig einen Frauenförderplan parat haben - oder zumindest gewillt sein, einen auszuarbeiten. Bei Nichteinhaltung drohen Pönalen.

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Wien - Zweieinhalb Jahre lang hat eine ExpertInnengruppe daran gearbeitet, neun Tage vor der Wien-Wahl ist das Projekt nun auf Schiene: Die Stadt Wien knüpft die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Dienstleistungssektor künftig an Frauenfördermaßnahmen. Vorerst betrifft dies ausschließlich Reinigungs- und Transportdienste sowie die Erstellung von wissenschaftlichen Arbeiten. Langfristig soll dies aber auch andere Bereiche betreffen, sagt Frauenstadträtin Sandra Frauenberger (SP), die das Projekt gemeinsam mit den Grünen initiiert hat.

Unternehmen, die einen Auftrag über 40.000 Euro von der Stadt bekommen, sollen sich demnach verpflichten, die weibliche Belegschaft in unterschiedlichen Bereichen zu fördern. Zum einen geht es dabei um die Erhöhung des Frauenanteils - vor allem bei höher qualifizierten Jobs. Daneben sollen spezielle Aus- und Weiterbildungsangebote für Frauen geschaffen werden.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Vereinbarkeit von Kind und Job - etwa durch Teilzeit- und Telearbeit sowie die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen. Darüberhinaus soll es strukturelle Maßnahmen geben. Etwa durch die Ausarbeitung eines innerbetrieblichen Frauenförderungsplan, die Ernennung einer Frauenbeauftragten sowie Schulungen zum Umgang mit sexueller Belästigung. Voraussetzung für die Koppelung ist eine Mindestvertragslaufzeit von sechs Monaten.

Bericht zur Halbzeit

Bis zur Hälfte dieser Laufzeit soll der Betrieb der Stadt einen detaillierten Bericht zu ihren Bemühungen in diesen Bereichen vorlegen. Er muss vom Betriebsrat und - falls vorhanden - der Frauenbeauftragten abgesegnet werden. "Damit verhindern wir, dass die Firmen etwas hineinschreiben, was sie gar nicht umsetzen", sagt Frauenberger-Sprecherin Marianne Lackner. Legt das beauftragte Unternehmen keinen umfassenden Bericht vor, wird ihr eine Nachfrist eingeräumt. Sie soll je nach Größe des Auftrags zwischen einigen Tagen und ein paar Wochen liegen.

Danach werden Pönalen fällig: Pro Woche eine Promille der Auftragssumme, die Höchstgrenze liegt dabei bei einem Prozent beziehungsweise bei 10.000 Euro. Frauenberger kündigte ihren Plan, Betriebe, die auf Frauenförderung pfeifen, künftig zu strafen bereits 2009 im Standard-Interview an. Damals konnte sie sich noch eine Pönale von fünf Prozent vorstellen. Derweil gibt sie sich aber mit geringeren Strafe zufrieden - und rechnet auch bei der leicht abgespeckten Version mit Widerstand. "Die erste Ausschreibung landet wahrscheinlich beim unabhängigen Verwaltungssenat und in weiterer Folge beim Verfassungsdienst", sagt die SP-Stadträtin. "Dann muss man's halt ausjudizieren - schließlich betreten wir hier europaweit absolutes Neuland."

Arbeitsgruppe im Bund

Rückendeckung bekommt Frauenberger jedenfalls von der (ebenfalls roten) Frauenministerin: "Wien geht da mit gutem Beispiel voran", sagt Gabriele Heinisch-Hosek, "diesen Weg sollte auch der Bund einschlagen." Sie will, dass eine Arbeitsgruppe das Wiener Modell prüft und eine ähnliche Regelung auf Bundesebene vorbereitet.

In Wien betrug 2009 das gesamte Dienstleistungsvolumen 82 Millionen Euro. Darin sind auch Aufträge enthalten, die unter den festgesetzten Kriterien liegen. Der erste Auftrag, der nach dem neuen Förderplan vergeben werden könnte, ist laut Frauenberger die Reinigung von Schulen. (Martina Stemmer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.10.2010)